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Alt 07.08.2011, 10:02   #2
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo, Walther,

ich lese ja (ab und zu) auch „woanders“ , wodurch ich also die beiden „Varianten“ entdeckte. Offen gestanden, zunächst sagte mir der Begriff „Schwarze Sonne“ nichts, aber nach einem Ausflug mit der Suchmaschine wurde mir einiges klar.

Zitat:
es gäb ein wir wenn wir uns wendeten
die blicke zu des strahlenden gesichts
da wär ein ausweg aus dem leeren nichts
wo hoffnungen vergeblich endeten
„Strahlenden Gesichts“ verstehe ich als Anspielung. Trotzdem, es geht hier um das „Miteinander“, um das „Sich-einander-zuwenden“ der Menschen. Gleichzeitig sehe ich Vers 1 auch als Metapher für „Umdrehen“, eine „innere Wendung“ sozusagen. Das „leere Nichts“ ist die emotionale Leere, die in einer kalten Welt vorherrscht. Als Pleonasmus wird die Wirkung der Aussage noch verstärkt. Im Nichts endet alles – auch die Hoffnungen.

Allerdings muss ich (hier und an anderer Stelle) ein wenig „kritteln“: Hoffnungen können vergeblich sein, sich vergeblich gemacht werden oder vergeblich bleiben, und Hoffnungen können enden. Aber sie können nicht vergeblich enden, sondern allenfalls könnten vergebliche Hoffnungen enden.

Zitat:
am tag des bittren letzten strafgerichts
wo blieben die gesalbten & gesendeten
die in der liebe sich verschwendeten
die suche in den versen des gedichts

das aus ihr wuchs & mit ihr auch verging
verzierte selbst sein grandioses scheitern
die liebe aus dem zentrum aller ding

versank wir sahn den hades sich verbreitern
die schwarze sonne die am himmel hing
an der corona schien sie auszueitern
Die erste Strophe kann ich ein wenig „separat“ betrachten, aber diese drei sind in mehrfacher Hinsicht eng miteinander „verflochten“, daher interpretiere ich sie gemeinsam. (Die erste Strophe gehört natürlich ebenfalls „dazu“, nur ist die „Bindung“ nicht ganz so eng.)

Am Tag des bittren Strafgerichts enden die Hoffnungen. Die „Gesalbten & Gesendeten“ blieben dort, wo sie immer zu finden sind: In Sicherheit. Beinahe zynisch, dass sie sich „in der Liebe verschwendet“ haben sollen. Die Suche in den Versen des Gedichts, das aus der Liebe wuchs und mit ihr auch verging – vergeblich, so wie die Hoffnungen. Lieber Walther, dieses Gedicht ist schon „hart“, wirklich. Ja, die „Liebe aus dem „Zentrum aller Ding(e)“ der „Gesalbten & Gesendeten“ verzierte selbst sein grandioses Scheitern. Doppelsinnig: Die (echte) Liebe aus dem Zentrum aller Ding(e) versank. Der Hades verbreiterte sich, und eine schwarze Sonne mit zwölf gespiegelten Siegrunen hing „am Himmel“. Ja, sie „eiterte“, und die darin enthaltenen Krankheitserreger verursachen heute noch so manche „Schwären“ …

Bei „Ding“ anstatt „Dinge“ kneife ich die Augen zu. Elisionen in Endreimen finde ich einfach – ich sag's nicht. ()

Die „Ausarbeitung“ ist interessant. Nach dieser „jeder Vers greift in den anderen über“-Methode schreibst du also nun ein Sonett. Deshalb findet es sich wohl auch unter „Experimentielles“. Bisher hast du beides noch nicht miteinander „vereint“, denke ich. (Jedenfalls habe ich noch kein entsprechendes Werk von dir gelesen.)

Auf jeden Fall ein gut geschriebenes Werk mit viel Tiefsinn und viel Stoff zum Durchdenken.

Gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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