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Alt 26.02.2010, 23:10   #9
Blaugold
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo Quicksilver

Schön gestricktes Akrostichon! Natürlich weiss ich nicht genau, wo genau du jetzt einen Schwachpunkt deines Gedichtes siehst.

Ich habe mich aber auf die Suche gemacht, ein paar Haare in der Suppe zu finden; nicht, dass ich jetzt das Gedicht als Ganzes zerreißen möchte, aber ganz subjektiv hab ich schon das eine oder andere Fusselchen gesehen, die ich folgend mal näher betrachten möchte.

Die Worte wirken ausgelaugt.
Es scheint, sie sind nur noch banal:
Ich liebe dich - klingt surreal,
Nur eine Floskel, die nichts taugt.


Worte ansich sind nie ausgelaugt, eher vielleicht der Sinngehalt von Redewendungen, finde ich. "Ich liebe dich" ist so eine Rede. Banal sind solche Worte hingegen wiederum durchaus, weil sie u.U. inflationär gebraucht (angewendet, missbraucht) werden. Dies möchtest du wahrscheinlich auch genauso in der letzten Zeile dieser Strophe aussagen. Ob diese Floskel aber surreal klingt? Gut, damit ist wohl ausgedrückt, dass sie unwirksam ist, nicht wirklich echt im Sinne von der Wirklichkeit entsprechend ist. Denn, wenn man sämtliche Ansprüche oder Erwartungen des Beteuernden mal genauer anschaut, die durch diese Worte vielleicht erhofft werden ...

Für mich indessen gilt dies nicht;
Und keiner Frau vor dir gelang,
Ein Kuss, der mich im Sturm errang,
Real und doch wie ein Gedicht.


Hier in der 1. Zeile, denke ich, soll die Banalität der Liebesbeteuerung, die LI macht, nicht mit obiger Deutung der Oberflächlichkeit verstanden werde. Ist eigentlich eine sinnige Aussage, um Tiefe in diese "Floskel" zu bringen, bzw. diese drei Worte vor der Floskelhaftigkeit zu verschonen. Doch ist dann der Satz eben wie geschrieben dazu nicht geeignet; er sagt aus, dass für das Lyrische Ich etwas (dies) nicht gilt. Hier aber sollte bekräftigt werden, dass eine vom LI gemachte Aussage (Ich liebe Dich) nicht als Floskel gemeint ist! Als Beispiel: Für meine Worte gilt dies nicht.
Die anderen 3 Zeilen sind stark in der Aussage. Dieser Kuss ist etwas Reales, eine massgebliche Handlung (Zärtlichkeit), nicht nur Worte wie z.B. "Ich liebe Dich". Also wirklich geschehen und dabei voller Sinnlichkeit (mit den Sinnen wahrgenommen) aber auch voller Schönheit wie echte, kunstvolle Poesie!

In vielen Versen schrieb ich dir,
Metaphernreich und wohldosiert,
Manierlich als dein Kavalier,
Ein jedes Wort mit Huld verziert,
Romantisches auf Briefpapier.


Diese Strophe scheint mir einerseits im Gesamtkontext nicht zu fehlen, würde sie fehlen.
Denn hier kommt meiner Meinung nach genau das in den Vordergrund, was durch Z1 in S2 eigentlich widersprochen ist:
Worte, nur Worte. Nichts "Greifbares", schöne Reden, ausgeschmückt und surreal. Vielleicht nicht banal, aber doch mit etwas wie einem sinnlichen Kuss nicht zu gleichzusetzen! Zu vergleichen schon. Doch nicht mit gelebter Liebe gleichwertig.
Denn sonst wären wieder die zwei ersten Strophen unnötig.

Andererseits - vielleicht hast du meine Textanalyse und Interpretation aber auch bewusst genau so ähnlich in deine Zeilen gedichtet. Das könnte sehr wohl sein.
Dann wäre dein Gedicht eher als selbstironische Anektode zu verstehen:
Ich finde wörtliche Liebesbeteuerungen zwar ausgelutscht, doch biete ich dir im Grunde auch nichts anders!


Blaugold

Geändert von Blaugold (26.02.2010 um 23:14 Uhr)
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