Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 05.10.2013, 11:46   #4
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 14.03.2009
Ort: wien
Beiträge: 4.893
Standard

moin, moin, falderwald,

entschuldige die lange antwort bis zur pause - aber eine böse erkältung hielt mich nicht in, sondern außer atem!

jetzt gehts halbwegs wieder.

du hast recht : über inhalte kann und sollte man diskutieren.
und wo, bitte, wenn nicht in der rubrik "denkerklause?

über die lebenserhaltende funktion hirnphysiologischer steuerungsmechanismen zum zwecke des überlebens brauchen wir nicht lange zu palavern. darin sind wir uns ja einig.

spannend wirds für mich dort, wo du den "individuellen willen" ins spiel bringst.
den haben wir, zweifelsohne. ( anders wären ja die menschlichen intelligenzleistungen gar nicht möglich) - nur sehe ichs ein bisschen differenzierter. das, was wir bewusst erleben und wollen, wird sehr oft von nicht oder nur wenig bewussten gefühlen mitbestimmt/mitverursacht.
einfachstes beispiel: im organsimus besteht flüssigkeitsmangel - das gefühl "durst" stellt sich ein und ich beginne zu denken: jetzt hätte ich gerne eine cola! ( da denke ich, ist der "freie wille" durch die bedürfnislage schon ein wenig eingeschränkt, oder?)

und mit "jemand, den ich gar nicht kenne" meinte ich nicht eine mysteriöse, unbekannte dritte macht ( ich nehme mal an, das ist es eigentlich, wogegen du so vehement sturm gerannt bist?), sondern jenen teil der eigenen persönlichkeit und des gefühlslebens, der sich unter der schwelle meiner bewussten wahrnehmung befindet.
den gibt es nämlich bei jedem von uns - allerdings ist es höchst unterschiedlich, wo diese schwelle genau ansetzt.
menschen, die viel selbstreflexion betreiben, haben zumeist eine deutlichere selbstwahrnehmung und können möglicherweise ihre unbewussten anteile zurückdrängen - und andere tun ewig und noch länger dahin und kriegen sich selber gar nicht mit!

gefühle willentlich beeinflussen zu können ist nur bedingt und über gewisse umwege möglich - und das liegt einzig und allein an der art und weise, wie das gehirn gebaut ist: es gibt unzählige nervenkabel vom stammhirn in die großhirnrinde ( also kann ein gefühl das denken beeinflussen), aber kaum nervenverbindungen in die umgekehrte richtung!)
und deshalb ist es schwierig, gefühle zu verändern.

oder kannst du dir denken: ich mag spinat , wenn du ihn absolut nicht magst?

wir nehmen also zur kenntnis gefühle steuern das denken - der umgekehrte fall tritt nicht so oft und nicht so rasch ein.
ABER natürlich kann durch viel Übung auch hier ein Effekt erreicht werden! (Anders wäre autogenes Training niemals erfolgreich - und auch die Shaolin-Mönche beweisen hinreichend genug, dass der Geist über die Materei obsiegen kann).

Der Satz" Wir sind nicht Herr im eigenen Haus" bezieht sich also allein darauf.
Daraus zu folgern, dass wir nicht verantwortlich wären für alles, was wir TUN, wäre ein fataler Irrtum. Verantwortlich sind wir immer, für alles , was wir tun.
Nach dem Verursacherprinzip ist man auch immer haftbar - und Eltern haften dabei für ihre Kinder.
(Soweit solltest du mich eigentlich kennen, das du wissen müsstest, dass ich hier keinen Laissez-faire-Standpunkt einnehme - aber vielleicht hast du es ja einfach nur vergessen? )
Was aber in dem Zusammenhang verschieden sein kann, ist das Aumaß der von der Gesellschaft zugeschriebenen SCHULD. Denn sicher wird man einen 3-jährigen, der eine Glasscheibe einschlägt, anders beurteilen als einen 30-jährigen, und einen nüchternen Menschen anders als einen, der unter dem Einfluss von Drogen stand, und einen, der diese Drogen selber genommen hat anders als einen, dem sie eingeflößt wurden.
Also: Verantwortlich sind wir immer und haftbar auch - nur über die zuzuschreibende SCHULD sollte verhandelt werden ( und wird es in demolkratischen ländern auch) , weil wir leider, leider, leider, nicht immer so herr über uns selbst sind, wie wir das gerne hätten!

Das ist die dritte große Kränkung der Menschheit, die uns Papa Freud da auferlegt hat (nach der Kränkung, dass wir nicht Mittelpunkt des Universums sind und der Kränkung, dass wir vom Affen abstammen).
Klar, dass wir da um unseren "freien Willen" erbittert kämpfen!
Gekränkter Stolz kann ja so weht tun!

Vielleicht können wir uns ja auf die Formel einigen: Wir sind nicht absolut frei - aber es gibt Freiheitsgrade. Sprich, in der Kurzfassung: Wir stehen, je nach persönlicher Entwicklung, auf unterschiedlichen Stufen.
Manche von uns sind freier -und andere sind be/gefangener....
(Wenn ich z.B. Kopfweh habe, bin ich z.B. deutlich befangener also ohne Kopfweh. Kann ich aber wirklich frei bestimen: Jetzt will ich kein Kopfweh haben! Nö, nicht wirklich - schon wieder nix mit "Herr im eigenen Haus"....)

Die Sache mit der "Logik" ist auch so ein gummiartiges Ding - denn zumeist wird die Logik auch nur zur Befriedigung persönlicher Wünsche und Gefühle eingesetzt. Und was mir persönlich nützt, das erscheint mir immer als "logisch richtig".
Die Mohammedaner halten alles, was sie tun , für richtig und können es logisch begründen, die Christen halten alles, was sie tun für richtig und können es logisch begründen und die Atheisten unteruns glauben natürlich amallermeistan an ihre Logik und können das auch wieder logisch begründen.....
Für mich ist diese ganze "Logik" nur ein einziger hellgrüner Stiefel, in dem derselbe Käse, allerding mit unterschiedlichem Geschmack verkauft wird.)

Da muss man gar nicht so weit schauen: Nimm nur mal gewisse endlose Diskussionen hier in den Forenwelten her, wo jeder Vertreter eines Standpunktes hundert Millionen Jahre lang begründen kann, warum das , was er sagt, "richtig ist"....
Ich muss immer lachen, wenn ich sowas lese - weil ich mir denke: Leute, guckt ihr denn niemals in den Spiegel , seht ihr euch denn nicht ab und zu mal selber dabei zu bei dem, was ihr so tagelang treibt?

(Wenn ich mir jetzt grad mal selber über die Schulter gucke, dann muss ich auch schmunzeln - denn langsam aber sicher kenne ich doch den Vogel, der ich selber bin und weiß, warum der so tut, wie er tut....)

Dass die Psychoanalyse mittlerweile durch andere Methoden ergänzt und erweitert wurde ist ein Faktum, das sie aber eine wichtige Grundlage zum Verständnis des Menschen gelegt hat, auch.
Mit ihr verhält es sich wie mit dem Rad zum Auto: Ohne das eine wäre das andere nicht!
Kann man, wie alles im Leben, mögen oder nicht.

Also: Von "lediglich fremdbestimmt" war gar keine Rede - meine Botschaft ist vielmehr: Lange nicht so frei, wie wir das alle gerne hätten!


lieber thomas,
dein feedback an dana habe ich mit interesse gelesen - ich werde es ihr ausrichten, sollte sie auch mal so ein gedicht schreiben!

den leser zum philosophieren zu reizen, finde ich in einer rubrik, die sich "denkerklause" tituliert , gar nicht so übel.
schadet doch nicht, wenn man mal hinterfragt, wer oder was man ist und warum!
ich denke, wer beim philosphieren primär ans rechthaben denkt, ist sowieso schon auf dem holzweg
ich habe lediglich einen standpunkt präsentiert - und den kann man hinterfragen, bejahen, verneinen, ergänzen, widerlegen,usw.....
ad libitum!

wie auch immer: für reine stimmungsgedichte würde ich die rubrik natur -oder liebeslyrik wählen.
und das lessing -gedicht , das werde ich mir jetzt mal zu gemüte führen.
vielen dank für deinen hinweis!

liebe grüße an beide herren,
larin
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!

Geändert von a.c.larin (05.10.2013 um 11:59 Uhr)
a.c.larin ist offline   Mit Zitat antworten