Thema: Der Ruf
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Alt 22.03.2017, 09:42   #2
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heimkehrerin
 
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Das hat was, lieber bobo!

Die Nachtstimmung, die du eingefangen hast, dringt da definitiv durch die Zeilen bis zu mir durch. Ich kann den Ruf hören. Und die Uhrzeit, zu der du den Text eingestellt hast, sagt mir, das Gedichtlein könnte aus der Situation heraus entsprungen sein. Aus einer dieser typischen spät-nächtlichen Stimmungen geboren sozusagen.

An ein paar Stellen hakt es für mich aber sprachlich und stört das nächtliche Schwingen, weil es einen aus der Melodie reißt:

Zitat:
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Der Ruf

Ich besinge in der Nacht
das dunkle und edle Schaudern
Und die mondbeglänzte Pracht
im ewigem Sehnen auftönt
ist kein Satz und auch kein künstlerisches Satzfragment. So verdrehen kann man die Satzstellung einfach nicht - auch nicht als "Kunstgriff".
"Während mondbeglänzte Pracht..." wäre eine Möglichkeit. Dann ist auch die hässliche Inversion weg. Die letzte Zeile würde ich wegen der Sprachmelodie mit den Hebungen und Senkungen umstellen : auftönt in ewigem Sehnen. Dann endet es mit einer weiblichen Kadenz und macht die Sache runder und passt auch zu "Schaudern"


Das Glänzen leiser Sterne
es sanft in Bäumen sich wiegt "es" ist Doppelmoppel, wenn das Glänzen ohnehin nur eine Zeile davor steht und wirkt ein wenig unbeholfen. Lass es doch einfach weg.
ruf ich in schwarzer Ferne klingt wie die Fortsetzung eines Satzes, passt aber zum Teil davor grammatikalisch nicht. Mach doch "ich ruf" daraus - dann passt es wieder. Auch klanglich wäre es runder.
das Kind, was in mir liegt. sprachlich nicht korrekt. "das in mir liegt" muss es heißen.


Dann hieße es also:

Ich besinge in der Nacht
das dunkle und edle Schaudern
während mondbeglänzte Pracht
auftönt in ewigem Sehnen

Das Glänzen leiser Sterne
sanft in Bäumen sich wiegt
Ich ruf in schwarzer Ferne
das Kind, das in mir liegt


Wortschöpfungen wie "mondbeglänzt" finde ich persönlich sehr schön! Dafür stoße ich mich an dem "auftönen" etwas - eventuell möchtest du ja damit eine Doppeldeutigkeit ausdrücken: den Ton, den man hören kann und den Farbton, der gehoben wird oder aufglänzt. Aber so wirklich funktioniert das sprachlich nicht. Dem Leser verlangst du da schon seeeeehr viel an gutem Interpretationswillen ab. Dazu ist aber wiederum der Rest des Gedichtes zu "lesbar" und nah an grammatikalisch richtiger Sprache - dadurch wirkt dieses Wort wie ein Ausreißer und als nicht geglückt oder nicht gekonnt. Und das ist schade.

Mit den vielen verdrehten Satzstellungen verstellst du für mein Gefühl eigentlich die Sicht auf die schönen Bilder, die du mit den Worten malst. Ich würde viel geradliniger schreiben und eher die Bilder wirken lassen (denn die sind gut) anstatt mit Sprachgekünstel etwas zu be"wirken" zu versuchen. Das hat der Text gar nicht nötig.

Gern gelesen!

Lieber Gruß,
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Geändert von fee_reloaded (22.03.2017 um 13:39 Uhr)
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