Thema: Wahl-Nachlese
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Alt 25.09.2017, 08:58   #1
Kokochanel
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Standard Wahl-Nachlese

Wahl-Nachlese

Wir erinnern uns noch gut an die letzten After-Wahl- Szenen auf der Bühne der Siegerin Angela Merkel: Eine freudestaumeltrunkene CDU lag sich in den Armen, tanzte anmutig wie eine wild gewordene katholische Jugendgruppe im Ferienzeltlager zu fetzigen Beatrhythmen vor den TV-Kameras.
Als man heute erfuhr, dass die CDU wieder stärkste Kraft geworden ist, freute man sich auf solch schöne Bilder, doch wurde man bitter enttäuscht. Da war sie wieder, die Merkel, die wir kennen, deren Mundwinkel verhärmt nach unten zeigen, und uns wurde klar, schlagartig, dass dieses kindliche, schöne Lachen der Wahlkampfarenen ab heute vorbei ist.
Ok, viel Grund zur Freude hatte Merkel nicht - 8 Prozent Verlust und über eine Million Wähler, die ihr zur AFD übergelaufen sind, können den Tanzdrang schon etwas hemmen. Da konnte auch Horst nicht mehr helfen, der sich sofort für eine klare Schließung der „rechten Lücke“ des heiligen CDU-Spektrums aussprach. Als müsse sie sich rechtfertigen, proklamierte sie fast trotzig-hilflos, was alle dank drei Stunden Wahl -TV längst wussten: Sie habe einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung und gegen sie könne niemand eine Regierung bilden.
Sehen so Sieger aus?
Das ist beinahe so, als wenn man einen Hotelaufenthalt in Ibiza gewinnt und dann keinen Flug kriegt.

Von der Leyen aber zog sich in einer der nachfolgenden, unvermeidlichen Talkshows auf das ewig gestrige Geleier zurück, was man alles erreicht habe. Interessiert kein Schwein, die Sache ist gelaufen und die große Koalition hat ihre Quittung bekommen. Wenn man jetzt nichts daraus lernt, aus dem, was der Wähler den Politikern offensichtlich mitgegeben hat, dann wird es wohl haarig werden.

Das Volk ist gespalten und genau so sieht auch unser zukünftiger Bundestag aus. Falls überhaupt eine Koalition zustande kommen wird. Die SPD zieht sich in die Opposition zurück, manche sagen aus Schmollen, andere sagen aus Vernunft, um der AFD nicht die stärkste Oppositionsrolle zukommen zu lassen. Gute Entscheidung. Und sie fängt direkt damit an. Manuela Schwesig wirft Von der Leyen in der besagten Talkshow die ersten harten Knüppel zwischen die abgemagerten Beinchen. Und gut so. Schluss mit Einschlafbazillus und Raute.
Hätte die SPD das im Wahlkampf getan, wären ihre Ergebnisse vermutlich besser gewesen, aber egal. Schnee von gestern. Die Grünen, die gestern noch niemand wollte, spielen jetzt Zünglein an der Waage und müssen aufpassen, dass sie nicht ihre Zunge als Chamäleon zu weit ausrollen und bald als bedrohte Spezies eingestuft werden müssen. Merkel ist keine Mücke – Arroganz das Geschäft der CDU. Den Grünen steht sie schlecht. Denn da gibt es ja noch Sonnenschein Lindner, der seine FDP mit jungenhaftem Charme wie Phönix aus der Asche wieder erstehen ließ und nun ebenfalls zur Regierungsbildung gebraucht wird. Sind die Wunden der Gelben schon verheilt, die ihnen Merkel in der letzten Koalition schlug? Sinnen sie etwa auf Rache und lassen sie stehen?
Wie gehen die Regierungsprogramme dieser Parteien zusammen? Kaum vorstellbar und erstmalig auf Bundesebene überhaupt in der Geschichte des Landes wäre Jamaika für vier Jahre in Fragen von Dieselklima, Flüchtlingsfrage und Sozialpolitik. Das Wahlvolk hat einen Stempel hinterlassen, der die Zerrissenheit seiner von der Politik vergessenen Seele verbildlicht. Jetzt seht mal schön, wie ihr damit klar kommt, da oben…

Es bleibt also spannend und brisantwie nie ist die These: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Die AFD wird sich im Bundestag outen durch ihr Auftreten, durch ihre Konzepte. Entweder legt sie ihren braunen Sumpf trocken oder sie zerlegt sich und ihre Phrasen selbst.
Auf jeden Fall wird Leben in die Raute kommen, in den heiligen Hallen wird es im Karton klappern und Medien und Bürger aufschrecken. Vielleicht und hoffentlich der letzte Warnschuss, der von der neuen Partei ausgeht. Vielleicht und hoffentlich der letzte Weckruf. Auch für Merkel, deren Zeit zwar scheinbar nicht vorbei ist, aber deren Zeit des Aussitzens und Nichtssagens vorbei sein muss. Darum wird heute auch nicht getanzt auf der CDU-Bühne, denn die Musik haben andere bestellt
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