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Alt 28.06.2011, 10:09   #6
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo Falderwald, Ida und Stimme der Zeit,

Ja, Stimme der Zeit, warum gibt es wohl nicht 'mehr Kommentare'? Ich glaube nicht, das des daran liegt, dass sich niemand an das Thema heranwagt, denn Gott-Bashing, die säkulare Kehrseite des Fundamentalismus, liegt heute im Trend. Eher hat die Art, wie Idas behutsamer Kommentar abgebürstet wurde, einige davon abgehalten, sich zu äußern. Im Grunde liegt die Kommentarlosigkeit wohl daran, dass man mit einem Kommentar etwas Positives bewirken will. Das scheint mir hier fast unmöglich. Ich will es trotzdem versuchen.

Es handelt sich bei dem Text nicht um eine Gedicht, zwar ist er gereimt und in korrektem Metrum, aber das, was ein Gedicht erst zum Gedicht macht fehlt – die poetische Idee. Was das ist, kann man nur schwer erklären. Es ist wie mit der Liebe. Schwer zu erklären, aber wenn man sich einmal richtig verliebt hat, weiß man was es ist. Wenn man eine poetische Idee gehabt hat, weiß man was es ist. Vielleicht hilft zur Erklärung, wenn man betrachtet, wie Goethes das Thema in 'Gott und die Bajadere' behandelt. Da ist eine poetische Idee, es ist ein Gedicht und obendrein eine herrliche Polemik gegen die Philister von damals und heute.

Der Text ist auch kein Witz in gereimter Form. Zwar deutet sich in Strophe 2 das Potential für einen Witz an, aber dieses wir nicht realisiert, was den Leser eher frustriert als erheitert. Eine Polemik ist er erst recht nicht. Denn Polemik setzt voraus, dass man das Diffuse, das Inkonsequente und die logische Falschheit eines Begriffs weiterentwickelt, sozusagen erhebt, und dadurch den inhärenten Fehler sichtbar macht. Wird der Begriff reduziert, wirkt ist Polemik unmöglich. Ich lasse das mal ohne Begründung stehen und verweise auf Beispiele guter Polemik, die man bei Leibniz, Marx, Heine etc. findet.

Auch kann der Autor seine Absicht deshalb nicht verwirklichen, weil der nicht versteht, dass man Aberglauben zwar bekämpfen kann, indem man sich lustig macht, wie es z.B. Thomasius effektiv mit dem Glauben an Hexen getan hat, dass man den Glauben dadurch aber nichts anhaben kann. Das versteht auch nur, wer sich die Mühe macht die Begriff Glauben und Aberglauben zu erkennen und zu trennen. Soviel zum Text.

Ja, Falderwald, in deinem Kommentar schreibst du, man solle 'den' Philosophen folgen. Ich kann dir versichern, dass 'die' Philosophen, allen voran Sokrates, Platon, Aristoteles, Descartes, Leibniz, Kant, Hegel, Schopenhauer und selbst Nietzsche vehement jeder Verantwortung für deinen Text ablehnen würden. Und wenn du z.B. Schillers philosophische Briefe ernst genommen hättest, dann wäre dir das flache Jenseits-Belohnung-Gott-Teufel-Argument nicht aus der Feder geflossen. Auch kann 'was raus muss, muss raus' nicht als Entschuldigung gelten, vielleicht auf der Toilette, aber nicht im Poesie-Forum. Als Dichter sollten wir Begriffe, insbesondere solche, die sich nicht auflösen lassen, positiv wenden. Auch wenn das schwer fällt.

Dir wird nicht gefallen, was ich gerade geschrieben habe, und ich befürchte, ich kann dir wenig helfen, weil ich dich nicht genug kenne und nicht weiß, welche Erfahrungen dich davon abhalten, dich mit dem Thema angemessen auseinanderzusetzten. Aber ich denke, meine Bemerkungen sind nach dem Kommentar von Stimme der Zeit notwendig geworden.

Viele Grüße vom ungläubigen
Thomas
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