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Alt 05.02.2017, 14:25   #8
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Lieber Falderwald,

vielen Dank für deinen sehr interessanten und ausführlichen Kommentar, dem ich nur einen Gedanken hinzufügen möchte.

Du sagst: "Wenn der Mensch sich selbst und nicht irgend einen imaginären Gott ins Zentrum seines Weltbildes stellen würde, dann wäre schon viel gewonnen." Genau das ist es, was meiner Meinung nach am Kern und Wesen des Christentums so entscheidend ist. Es ist, soweit ich weiß, die einzige Religion, in der (durch die Menschwerdung Gottes) die Göttlichkeit des Menschen gefeiert wird. Und genau das ist die historische Grundlage unseres Begriffs der Menschenwürde, welcher die Basis der Menschenrechte und unserer Grundwerte ist. Das Problem ist nur, dass sich dieses in der Geschichte zum großen Teil trotz (und nicht wegen) der offiziellen kirchlichen Institutionen verwirklicht hat, darauf verweist du zu Recht.

In diesem Zusammenhang scheint mir auch ein Gedanke Schillers wichtig, der ja zu Lebzeiten auch als schlimmer Atheist galt. Meiner Meinung nach hat er jedoch das wesentliche positive Element des Christentums besser verstanden, als dessen offizielle Vertreter.

Ein Zitat aus einem Brief, den Schiller eine Woche nach Vollendung des Gedichtes "Das Ideal und das Leben" am 17.8.1795 an Goethe schrieb:

"Hält man sich an den eigentlichen Charakterzug des Christentums, der es von allen monotheistischen Religionen unterschiedet, so liegt er in nichts anderem, als in der AUFHEBUNG DES GESETZES, 'des Kantischen Imperatives', an dessen Stelle das Christentum eine freie Neigung gesetzt haben will. Es ist also, in seiner reinen Form, Darstellung schöner Sittlichkeit oder der Menschwerdung des Heiligen, und in diesem Sinne die einzige ÄSTHETISCHE Religion;.."

Den Punkt, in dem Schiller über Kant hinausgeht, erscheint an anderer Stelle auf lustige Weise in zwei Xenien.


Gewissensskrupel


"Gern dient ich den Freunden, doch tu' ich's leider mit Neigung.
Und so wurmt es mich oft, dass ich nicht tugendhaft bin".
Entscheidung


"Da ist kein anderer Rat. Du musst suchen, sie zu verachten,
Und mit Abscheu alsdann tun, was die Pflicht dir gebeut"


Ich habe im Zusammenhang mit dem Beitrag "Das ewige Nun" noch genauer erklärt, wie ich auf dieses Gedicht gekommen bin. Subjektiv dachte ich nicht an ein Loblied auf Christus, da die letzte Strophe vor der ersten und zweiten entstand. Wenn man es so interpretieren kann, ist es jedoch auch kein Problem, denke ich.

Nochmals vielen Dank für deinen anregenden Kommentar.

Liebe Grüße
Thomas

Liebe Koko,

ich merke gerade, dass ich deinen Kommentar übersehen hatte. Vielen Dank dafür. Der obige Text an Falderwald enthält eine Antwort, die ich nicht wiederholen möchte.

Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller

Geändert von Thomas (05.02.2017 um 14:41 Uhr)
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