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Alt 02.09.2017, 12:13   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Koko!

Interessant, deine Auslegung des Inhalts. Hier wird mir wohl die Doppeldeutigkeit des Titels zum Verhängnis, denn eigentlich hatte ich diesen Gedanken:

Ich betrachte die sich zum Herbst neigende Natur, denke an das Jahr wie an eine Schale, die sich mit dem Frühling füllt und nunmehr zwar noch voll ist, sich aber schon zur Leerung neigt, nicht mehr im sommerlichen Gleichgewicht der Mitte.
Und ich, der ich schon so viele Jahresschalen mit allen Sinnen ausgetrunken und gesammelt habe, überlege, wie viele solcher Schalen ich wohl noch zu leeren vor mir habe. Die bereits leeren Schalen balanciere ich metaphorisch aufgestapelt in Händen, und je höher der Stapel wird, desto leichter gerät er aus dem Gleichgewicht, und immer mehr muss ich mich mühen, dass er nicht fällt und ich quasi in den Scherben meines Lebens liege und sterbe - was irgendwann unausweichlich geschehen wird.
Das Bild soll ein Gleichnis sein auf das Leben selber, die größer werdernden Mühen um Ausgleich, sprich Gesundkeit im Alter, aber eben auch der höhere Stapel als gesammelte Weisheit und Erfahrung vieler Jahre. So ist dieser Stapel Last und Schatz zugleich - die getrunkene Essenz und Verkörperung eines langen Lebens.

die Frage also, wie hoch ich stapeln kann, will eigentlich nur wissen, wie lange ich lebe.

Vielleicht habe ich das Bild im Gedicht zu wenig genau herausgearbeitet. Deine Deutung hat mich aber fasziniert, sie passt eindeutig auf die beiden letzten Strophen, stünden sie für sich allein.

Vielen Dank für das lyrische Lob!

LG, eKy
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