Thema: Keltenklage
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Alt 28.08.2016, 16:29   #5
Wodziwob
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Nönö, das stimmt schon, eKy,

die Römer haben da leider grob "verallgemeinert", so dass man eigentlich gar nicht so genau von Kelten sprechen kann, ebenso wenig von Germanen (ist ungefähr so exakt wie Indianer). Für die Römer waren sie gleichermaßen Barbaren, wie sie selbst sich nannten, weiß sowieso niemand mehr, dasselbe gilt für ihre Heroen und mythologischen Gestalten, da die mündliche Überlieferung ja erst von christlichen Missionaren und Mönchen schriftlich festgehalten wurde. Daher auch die vielen Abweichungen. Hinzu kommt die verschiedene Anwendung der Bezeichnung "Kelten". Rein wissenschaftlich wird damit die zeitlich eingegrenzte Epoche einer einzigartigen Kultur nördlich der Alpen (Heuneburg etc.) erfasst, mythologisch ziehen sich die sagenumwobenen Kelten noch sehr viel weiter in die Zeit hinein bis zum scheußlichen Machwerk des Bello Gallico und geographisch bis hinauf nach England, wo ihre kulturellen Einflüsse und Wurzeln bis heute sehr lebendig sind.

Da mein Gedicht in etwa in diese Zeit fällt, lässt sich ihr Odin korrekt zuordnen, der als mutmaßlich(?) ursprünglich nordische Gottheit ebendamals im Süden wie im hohen Norden beheimatet und verbreitet war. Der Cernunnos, der Gehörnte sprich Geweihträger mit der widderköpfigen Schlange ist eine der animistischen Urgestalten der keltischen Mythologie, ein Heros erster Güte gewissermaßen, nur - wer kennt den schon? Der war da schon Urgroßvater, die Leute wurden ja nicht ausgetauscht, haben sich nur weiter- oder anderswohin entwickelt, und auch die keltogermanische Mythologie oder meinetwegen Religion machte im Laufe der Jahrhunderte eine Entwicklung durch, Handelswege und vor-normannische Fluss- und Küstenschifffahrt schufen einen regen Austausch und die Geschichten wanderten durch den gesamten mittel- und nordeuropäischen Lebensraum, auch hinüber zu den Slawen. Die Sachsen waren nicht von ungefähr die letzten "heidnischen" Rebellen und Freiheitskämpfer.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Christianisierung, die so schwer nicht war, da der Auferstehungsglaube seit jeher fester Bestandteil ihrer Mythen und Zeremonien war, den losen Stammesverbänden einen neuen Zusammenhalt gab und letztlich zum Untergang des römischen Reiches führte, die ihrerseits destabilisierende Probleme hatten mit dieser nahöstlich eingeführten Neuorientierung. Der Stier- und Kaiserkult fand nicht erst mit Konstantin ein rapide schleichendes Ende, schon davor gab es Wehrdienstverweigerer, Kaiservergöttlichungsgegner und dergleichen "Verrat", irgendwie verloren die Leute das Interesse daran, eine dominierende Weltmacht sein zu wollen, alle Kolonien mitfinanzieren zu müssen mit ihren hart verdienten Kröten und mittels Legionären zu kontrollieren. Das römische Imperium implodierte.

Es ist also geschichtlich erwiesen, dass Okkupationen bei Weitem nicht immer einen spektakulär kriegerischen Verlauf nehmen müssen. Sowohl so rum als auch andersrum, grundsätzlich sind diese von den bisherigen Machthabern immer zu spät erkannten Prozesse der "Unterwanderung" und tiefgehenden Umwälzung möglich. Das soll mein Gedicht sagen. Es gibt keine Sicherheit für welche Kultur auch immer und wie lange auch immer es sie bis dahin gegeben haben mag, und man sollte die fremde nie unterschätzen.

Liebe Grüße
Wozi

Geändert von Wodziwob (29.08.2016 um 09:39 Uhr) Grund: Ergänzung
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