Thema: Liedergruß
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Alt 03.03.2016, 20:17   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Thomas!

Wow - eine tolle Arbeit!

Meine Tipps:


I.

Wehe wieder lebenspendend Komma.
Frühlingswind und taue Eis, Komma nach "-wind".
Wecke alles, alles wendend, Hier würde ich "Wecke alle, alles ..." schreiben, bezogen auf die Knospen in Z4.
Knospen aus verdorrtem Reis.

Lüfte, hebt des Vogels Weise
aus der winterlichen Hyle.
Herz, nun schlage, poche leise
an die Pforte der Gefühle.

Hebe meiner Seele Lieder,
Atem, in die Kehle wieder, Kein Komma nach "Atem".
webe sie in meinen Hauch.

Hauch, du konntest Lehm beleben;
Frühlingshauch soll mich erheben –
schönes Denken auch! Metrisch korrekt wäre: "und das schöne Denken auch!".

S3Z4, S4Z1, S4Z2 - dreimal "Hauch"!? Zumindest den letzten würde ich ändern: "Frühlingswind" oder so.

II.

Der Regen trommelt, klopft und tropft
An meine Fensterscheiben; "an" - warum plötzlich alles vorne groß?
Und wenn's mit tausend Händen klopft, Wortwiederholung "klopft" mit Z1. Altern. dort: "pocht".
Kann ruhig ich nicht bleiben - "ruhig" hier ungünstig. Besser: "Kann ich nicht stille bleiben,"
Dann zieht es mich hinaus.

Dann stapfe ich mit muntrem Schritt Wortwiederholung "dann" mit Vorzeile. Alter.: "So ...".
Durch Pfützen und durch Rinnen.
Mein Herz, es trommelt freudig mit,
Schlägt an die Brust von innen,
Als wollt es mit hinaus.

Und ich versteh' die Bäume jetzt, Stricherl unnötig.
Die sehnsuchtsvoll den Regen
Erwarten, dass er sie benetzt,
Bis sich die Wurzeln regen.
Dann treiben Zweige aus.

Die Stirn wird klar. Der Regen tropft.
Gedankenströme rinnen.
Das Blut in meinen Händen klopft.
Sie möchten was beginnen. Altern.: "sie möchten sich beginnen,"
Sie sind auf Taten aus.

So trommle Regen immerzu,
Du sollst mich mächtig treiben;
Ich finde später lange Ruh'; Stricherl überflüssig.
Heut' soll'n mich Taten treiben Stricherl - du weißt schon! Wenn du das häßliche "solln" vermeiden willst: "Heut soll die Tat mich treiben".
In alle Welt hinaus.

Bei diesem Teil allein schreibst du vorn jeden Zeilenbeginn groß. Würd ich anpassen.

III.

Federleicht mit Geistesschwingen
will ich in den Himmel dringen,
will im Reich der Phantasie
schwebend mir ein Nestlein weben.

Denn auf festgefügtem Land,
wo des Flusses breites Band
logische Mäander zieht,
Wächst mir neues Leben nie.

Ich will über Berg und Stein
schwebend Sonnen sehen,
sicher über Meere gehen,
ruhig und im Klaren sein.

Hier keine Hoppalas, bloß die Struktur fällt auf, welche Z1 und 2 als Paarreim gestaltet, während Z3 und 4 reimlos bleiben. Nur in der letzten Str. haben wir plötzlich ABBA. Absicht?

IV.

Die Sonne versenkt ihr lebendiges Licht.
Der Abend blickt ruhig der Nacht ins Gesicht
und wäg schon des Tages geschäftiges Treiben "wägt".
mit ewigem Maßstab: Nur Gutes wird bleiben.

Die Sterne erscheinen am nächtlichen Zelt.
Sie waren einst Sonnen für unsere Welt,
die damals am Tage die Erde bewegten,
bevor sie in ewige Ferne sich legten. Wie wäre es hier mit "... die Erde belebten // ... in ewige Ferne entschwebten"?

Und weht mir ein eisiger Nachtwind ans Herz,
dann denke ich freudevoll himmelwärts, Statt des steifen "freudevoll" - "freudiger"?
dann schließe ich ruhig die Augen gern,
dann scheint in klarer Nacht mein Stern. Metrisch passender: "dann scheint mir im Dunkeln mein eigener Stern." Alternnativ: "als schiene im Dunkeln mein eigener Stern."


Sehr gern gelesen und beraten!

LG, eKy
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Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
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Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (03.03.2016 um 20:21 Uhr)
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