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Alt 19.02.2009, 09:16   #5
Klatschmohn
MohnArt
 
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Aschermittwoch

Kurz vor sieben Uhr wurde es langsam hell, einzelne Vögel stimmten ihr Morgenlied an. Sie erwachte, weil die Frau sie anstieß. "Wir müssen weiter." Mit Mühe fand sie sich zurecht, der Rücken schmerzte, ihr war kalt. Ihre Gelenke, die eigentlich in warmem Wasser gebadet und mit duftenden Ölen massiert werden sollten, fühlten sich völlig steif an.
Langsam, mit schmerzvollem Stöhnen richtete sie sich auf. "Tut mir leid", meinte die Frau. Groll stieg in der alten Dame hoch. „Wenn es Ihnen leid tut, lassen Sie mich doch gehen.“
Das Bargeld, das sie dabei hatte, hatte sie ihnen schon längst übergeben. Ein paar tausend Euro. Bargeldlose Zahlung war nicht nach ihrem Geschmack. Ihre Kreditkarte nahm sie daher, wie auch jetzt, fast nie mit.
"Wer hat eigentlich gesagt, dass ich so viel Geld zur freien Verfügung habe? Vollkommener Blödsinn so was. Niemand hat so viel zuhause rumliegen. Man lässt das Geld arbeiten, dafür gibt es Finanzverwalter." Die Frau nickte, fast schien es, als sei sie geneigt, ihr zu glauben. Jetzt sah sie die Frau an. Ihr viel auf, dass diese ihre Sonnenbrille nicht aufhatte. Ihre Blicke trafen sich. Eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken, sie wandte sich ab.
"Los, los!" Der Mann schob sie zur Türe hinaus. Es war schon hell, aber die Sonne war nicht zu sehen, der Himmel noch klar und frostig. Das Gras und die Bäume waren mit Raureif überzogen, sie konnte ihren Atem sehen. Auf dem See schwamm eine Gruppe Enten. Da passierte es. In dem Augenblick der Verwirrung, die sie eben überfallen hatte, rutschte sie mit ihren noch nassen glatten Schuhen auf der Treppe der Hütte aus und fiel auf die Seite. Nach einer Schrecksekunde, durchzuckte sie ein Gedanke. Eine Weile lag sie regungslos: "Au, helfen Sie mir, vielleicht habe ich was gebrochen." Sie versuchte mit Hilfe der Frau und des Mannes, der schon einige Schritte vorgelaufen und nun zurück geeilt war, aufzustehen, knickte aber sofort wieder ein. "Meine Hüfte, ich kann nicht mehr gehen." Sie jammerte, scheinbar außerstande sich auf die Beine zu stellen. Die beiden sahen sich ratlos an. "Lass uns abhauen, das wird mir hier zu heiß. Wir können sie nicht tragen", sagte die Frau zu dem zögernden Mann. " Wenn wir schnell gehen sind es noch zwanzig Minuten zum Autobahnparkplatz. Alleine können wir es schaffen, mit ihr nicht!" Die Frau sah zu der alten Dame hinüber. Wieder trafen sich ihre Blicke. Dieser Blick, diesen Augen! Sie konnte ihnen nicht standhalten und sah schnell weg. Sie hielt die Luft an. Ihr Herz klopfte wie wild.

Der Mann schien zu zögern, als plötzlich Motorengeräusche aus der Luft ertönten. „Die Polizei!“ Der Hubschrauber war noch nicht zu sehen, aber der Lärm der Motoren kam immer näher. "Die suchen uns!" Die Frau warf noch einen flehenden Blick hinüber zu der alten Dame, die sich halb aufgerichtet hatte.
Im gleichen Augenblick machten die beiden kehrt und verschwanden im Dickicht.
Sie wagte nicht aufzustehen. Die beiden waren ja noch immer in der Nähe. Wenn die merkten, dass sie schauspielerte, am Ende kamen sie zurück und - Geisel wollte sie nicht sein. Sie blieb unter dem Vordach der Hütte liegen, winkte und hoffte, dass man sie sehen würde. Der Hubschrauber flog sehr tief, er kam von hinten über die Hütte, dann drehte er plötzlich nach rechts ab. Offensichtlich waren die beiden Flüchtigen entdeckt worden. Von ferne erklang eine Polizeisirene.
Der Hubschrauber war immer noch zu hören, war aber bereits hinter den Baumwipfeln verschwunden. Sie wagte nun sich aufzurichten. So schnell es ihr, durchgefroren wie sie war, möglich war, rannte sie über eine kleine Brücke, einen verwachsenen Weg entlang und kam auf einen breiten Waldweg. Der führte, wenn ihre Orientierung sie nicht täuschte, zurück in den Ort.
Polizei und Krankenwagen kamen ihr schon entgegen. Gerettet!
Die Sonne war über den Baumwipfeln aufgegangen und sandte ihre wärmenden Strahlen über die kleine Truppe von Polizisten und Sanitätern.
Man wollte sie ins Krankenhaus bringen, aber davon wollte sie nichts wissen. Sie sehnte sich nach einem warmen Bad, einem guten Frühstück und nach ihrem Hund.


Im Hotel überschlugen sie sich, alles menschenmögliche für sie zu tun. Ihr Koffer wurde aus dem Auto geholt. Der Wagen war von der Polizei geöffnet worden und stand noch unter Bewachung.
Den Hund brachte Frau Reichel persönlich vorbei und bekam selber feuchte Augen, als sie die Wiedersehensfreude des kleinen Hundes erleben durfte. Sie berichtete ausführlich von den vergangenen Tagen. Besonders interessierte sich Frau von Limpisch dafür, wie die kleine Nelly, die in Wirklichkeit Trixi hieß, die Frauen auf ihre Spur geführt hatte. Sie zeigte sich dabei sehr beeindruckt von deren Aufmerksamkeit und Kombinationsgabe.
Natürlich wollte sie die beiden Frauen dringend kennen lernen, aber zuerst musste sie noch die Befragung durch die Polizei auf sich nehmen.
Vier Tage und vier Nächte war sie nun verschleppt gewesen. Zum Glück war der Hund kurz vorher weggelaufen, denn ohne ihn hätte wohl niemand die Entführung bemerkt, keiner hätte geahnt, dass etwas Ungewöhnliches vor sich gegangen war.
Irgendwann wäre sie dann wohl schließlich wohl bereit gewesen, das Geheimversteck, den zweiten Safe den ihr Mann im Keller hinter dem Vorratsschrank einmauern ließ, preiszugeben.
Diesen Safe hatte sie lange nach dem Tode ihres Mannes entdeckt, als sie den Keller streichen lassen wollte. Hinter dem abgerückten Schrank war ihr eine Stelle aufgefallen, die später verputzt war als die übrige Wand. Als sie instinktiv dagegen klopfte, klang es hohl. Eilig bestellte sie den Anstreicher ab, um eigenhändig die Putzschicht abzutragen.
Sie hatte unter einer Platte aus dünnem Sperrholz einen Hohlraum im Mauerwerk entdeckt. Dort befand sich der Safe. Nach fieberhaftem Suchen im Büro ihres Mannes fand sie die Schlüssel des Geheimtresors. Nach dem Öffnen starrte sie lange, ungläubig auf die vielen, ordentlich aufgeschichtete Bündel hochwertiger Dollarnoten.

Fortsetzung folgt
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Geändert von Klatschmohn (20.02.2009 um 10:27 Uhr)
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