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Alt 30.05.2016, 21:27   #15
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hallo zusammen,

vielleicht helfen folgende Ausführungen bei dieser Diskussion weiter.

Goethe aus dem "Clavigio":

Beaumarchais. Es steht Ihnen an, die zu bedauern, die Sie unglücklich gemacht haben.

Clavigo sich setzend. Sind Sie das zufrieden?

Beaumarchais. Gut denn, ich gebe nach! Aber keinen Augenblick länger. Ich komme von Aranjuez, ich frage, ich höre! Und hat man Ihnen nicht vergeben, wie ich denn hoffe, wie ich's wünsche! – gleich auf, und mit dem Zettel in die Druckerei.

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Ich habe Folgendes gefunden.

Aus "Theoretisch-praktische deutsche Grammatik oder Lehrbuch zum reinen und richtigen Sprechen, Lesen und Schreiben der deutschen Sprache, nebst einer kurzen Geschichte und Verslehre derselben" von Dr. Johann Christian August Heyse, Fünfte, völlig umgearbeitete und sehr vermehrte Ausgabe, Zweiter Band, Hannover, 1844:

...
Bei den übrigen o. g. Adjektiven ist der Akkusativ durch Verirrung des neueren Sprachgebrauchs, welcher diesen Kasus so oft an die Stelle des früheren Genitivs setzt, eingedrungen. Anlass dazu scheint die Verwechselung des jetzt ganz erloschen Genitivs "es" (dessen) mit dem Akkusativ "ez" (jetzt es) gegeben zu haben. In Sätzen, wie "ich bin es (d. i. dessen) los, müde etc." nahm man das "es" für den Akkusativ und sagte nun auch: "das bin ich los, müde etc". Ebenso ist in "ich bin es zufrieden" das "es" offenbar ursprünglich Genitiv, wird jetzt aber als Akkusativ verstanden, und man sagt daher auch: das (statt "dessen") bin ich zufrieden. Dem sei jedoch wie es wolle, so sind Ausdrücke, wie "ich bin ihn los, ich bin das Reisen müde, satt, überdrüssig" auf keine Weise zu rechtfertigen, da das Adjektiv für sich allein unmöglich einen Akkusativ wirklich regieren kann. Entschuldigen lässt sich der Akkusativ nur dann, wenn jene Adjektive sich mit dem Verbum werden verbinden (z.B. ich bin ihn los geworden; er ist das Reisen müde geworden etc.), weil diese Verbindung den Eindruck eines zusammengesetzten Verbums macht, welches vermöge seiner größeren Lebendigkeit eher fähig ist, einen Akkusativ zu regieren.
...

Des Weiteren fand ich bei Projekt Gutenberg-DE von Hermann Paul - Prinzipien der Sprachgeschichte.
Sechzehntes Kapitel - Verschiebung der syntaktischen Gliederung:

§ 203. Indem die Auseinanderreissung des grammatisch eigentlich eng Zusammengehörenden usuell wird, bilden sich neue Konstruktionsweisen heraus, von denen man, wiewohl sie ihren Ursprung dem Widerspruche zwischen grammatischer und logischer Gliederung verdanken, doch nicht mehr sagen darf, dass der Widerspruch noch bestehe. Das ursprünglich nur psychologische Verhältnis hat sich dann zu einem grammatischen entwickelt.

Häufig löst sich so der Genitiv aus der unmittelbaren Verbindung mit dem Worte, von dem er zunächst abhängig war. Wo er von einem prädikativen Adj. abhängt, ist die Verbindung immer keine ganz enge, und es macht nichts aus, ob man ihn als abhängig von dem Adj. allein, oder von dem Adj. in Verbindung mit der dazu gehörigen Kopula auffasst. Er hat daher eine ähnliche Selbständigkeit wie ein von einem Verbum abhängiges Objekt und geniesst dieselbe Freiheit der Stellung. Vgl. des Erfolges bin ich sicher. Nun ist der häufig von einer solchen Verbindung abhängige Gen. es lautlich mit dem Acc. (mhd. ez) zusammengefallen und in Folge davon auch vom Sprachgefühl als Acc. gefasst worden, vgl. ich bin es zufrieden. Ausserdem hat sich traditionell in einigen Fällen der Gen. nichts zu mhd. niht erhalten, der nun auch als Acc. gefasst werden musste, vgl. ich bin mir nichts Böses bewusst. Durch diese Umstände ist es begünstigt, aber wohl nicht allein veranlasst, dass weiterhin in mehreren Fällen der als Objektskasus gefasste Gen. mit dem Objektskasus kat' exochê'n, dem Akk., vertauscht ist, gerade so wie das bei vielen Verben (erwähnen, vergessen etc.) geschehen ist. Vgl. was ich mir kaum noch bewusst war (Wieland); sind sie das zufrieden? (Goe. und ähnlich öfters); wir sind die Probe zufrieden (Rückert); das bin ich vollkommen überzeugt (Le.); so viel bin ich versichert (Le.); ingedenk zu sein die bescheen Fragen (Weistümer). Häufig ist der Akk. bei habhaft werden, ganz allgemein bei gewahr werden, gewohnt, los, überdrüssig, schuldig sein oder werden. Wie das Adj. verhält sich natürlich das prädikative Adv., daher inne werden jetzt mit Akk. Begünstigt ist der Eintritt des Akk. jedenfalls dadurch, dass von solchen Verbindungen auch Sätze mit dass abhängen konnten (ich bin [es] zufrieden, dass du ihn besuchst), welche als Objekt gefasst werden konnten. Bei manchen dieser Verbindungen lässt sich nur der Akk. eines Pron. nachweisen. Daraus ersieht man die Einwirkung des es. Dass aber der Vorgang auch ohne eine solche Unterstützung möglich ist, ergibt sich aus analogen Fällen im Griech., vgl. epistê'mones ê^san tà prosê'konta (Xen.), éxarnós eimi tà erôtô'mena (Plato).
...
(Bitte § 203 unbedingt weiterlesen, ich wollte hier nur den Rahmen nicht sprengen.)

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Auch wenn ich die Formulierung "Ich bin das Leben zufrieden" persönlich nicht sehr schön finde, bin ich der Auffassung, dass Erich nach den o. a. Definitionen durchaus richtig liegt.

Allerdings @ Erich halte ich trotzdem deine folgende Formulierung für nicht richtig:

Zitat:
Zitat von Erich
"Ich bin das Leben müde" ist auch nicht falsch.
Da gehört laut der o. a. Ausführungen ganz klar ein "geworden" dahinter, also: "Ich bin das Leben müde geworden." (oder: "Ich bin des Lebens müde".)

Mit "Ich bin 'es' zufrieden" liegt wohl eindeutig ein Sonderfall vor.

Vielleicht konnte ich ein wenig zur Klärung der Sachlage beitragen.


Liebe Grüße

Falderwald


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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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