Thema: Der März
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Alt 08.03.2018, 11:19   #8
Sufnus
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Ich hadere allenfalls noch mit den zwei letzten Zeilen... sonst bin ich sehr glücklich!

"Der Frühling wabert": da stolpere ich über das "wabern", ohne Zweifel ein schönes Wort, das eine Aufnahme in ein Gedicht verdient hat - aber ich finde hier passts nicht... "wabern" drückt für mich etwas latent Bedrohliches oder doch zumindest Unschönes aus... ein "wabernder Nebel" (wohl die häufigste Paarung mit "wabern") herrscht in den Straßen Londons bevor Jack the Ripper um die Ecke biegt, aber nicht bei einem romantischen Herbstspaziergang (wo eher Nebelschleier oder ein Nebelhauch oder sowas in der Art am Start sind). Ginge etwas wie "Der Frühling streckt sich hinter weißen Massen" oder "Der Frühling blinzelt hinter weißen Massen" o.ä., also Ausdrücke, die auf das "erwacht" in der letzten Zeile zielen? Oder geht es Dir noch um eine Art retardierendes Moment, bevor das Erwachen in der letzten Zeile erfolgt? Dann vielleicht: "Der Frühling tändelt hinter weißen Massen"?

"und reich und nass erwacht die Zeit der Lüfte": da schmerzt mich das nass... ein Wort wie eine kalte Dusche... wenn es unbedingt regnerisch zugehen soll, würde ich diese Information in einem Ausdruck wie "und reich und klar erwacht der Quell der Lüfte" oder "mit reicher Fracht erwacht die Zeit der Lüfte" verpacken (nur mal als Beispiele) - aber muss es denn überhaupt fieselnieseln?

Abseits dieser Mikrokritik: Kennst Du die späten Gedichte von Hölderlin? Die Sprache ist bei Deinem März-Gedicht etwas stürmerisch-drängender - aber der entscheidende (und den lyrischen Mehrwert ausmachende) Schritt hinter die oberflächliche Alltags-Logik ist auch bei diesem Gedicht von Dir wieder sehr schön vollzogen und mutet spät-Hölderlinesk an.

Zitat:
Zitat von Hölderlin, zwei späte Frühlingsgedichte


Der Frühling

Die Sonne glänzt, es blühen die Gefilde,
Die Tage kommen blütenreich und milde,
Der Abend blüht hinzu, und helle Tage gehen
Vom Himmel abwärts, wo die Tag entstehen.

Das Jahr erscheint mit seinen Zeiten
Wie eine Pracht, wo Feste sich verbreiten,
Der Menschen Tätigkeit beginnt mit neuem Ziele,
So sind die Zeichen in der Welt, der Wunder viele.


***


Der Frühling

Wenn aus der Tiefe kommt der Frühling in das Leben,
Es wundert sich der Mensch, und neue Worte streben
Aus Geistigkeit, die Freude kehret wieder
Und festlich machen sich Gesang und Lieder.

Das Leben findet sich aus Harmonie der Zeiten,
Daß immerdar den Sinn Natur und Geist geleiten,
Und die Vollkommenheit ist Eines in dem Geiste,
So findet vieles sich, und aus Natur das meiste.

Geändert von Sufnus (08.03.2018 um 11:39 Uhr)
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