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Alt 29.08.2012, 12:06   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Charly!

Fast schon eine Ballade, wie? Erst mal ein paar stilistische Kleinigkeiten:

Zitat:
Zitat von Galapapa Beitrag anzeigen
Am Weiher draußen, unter alten Linden,
ging sie durch morgenfeuchtes Blumengras,
sich frühen Seelenfrieden dort zu finden. Klingt ästhetischer.
Der Wasserspiegel lag wie blankes Glas
und schien im Grau der Wolken zu erblinden. Super ausgedrückt!

Der Wiesentau benetzte ihre Beine
mit Einsamkeit am frühen Sommertag.
Wie Schleier schimmerte im Dämmerscheine Das "als" wirkt hier sprachlich eher linkisch.
der Nebelflor, der auf dem Wasser lag;
Beklemmung fiel auf Uferkieselsteine.

Als sie sich über das Gewässer beugte, Komma.
erblasste vor Entsetzen ihr Gesicht. Das "im" wirkt seltsam dort.
Ein fremdes Antlitz, das der See ihr zeigte Das "zeugte" klingt altbacken und gedrechselt. Mut zum kleinen Unterschied wirkt hier natürlicher.
in jenes Tagesanbruchs fahlem Licht,
das dunkel sie aus trübem Nass beäugte. Lyrischer, sprachmelodischer.

Sie war in grauenhafter Angst gefangen,
und wandte sich vom falschen Bilde ab.
Zutiefst verwirrt ist sie davongegangen, Runder, sprachmelodischer.
verlegte die Vision in tiefes Seelengrab,
verborgen, von Vergessenheit verhangen. Sprachmelodischer, stilvoller.

Doch konnte dieses Schreckgespenst entfliehen,
dann hat es ihr die alte Furcht gebracht.
Nie hat das Trugbild ihr den Blick verziehen
und oftmals in ihr trautes Sein gelacht,
als hätt es ihr den Frieden nur geliehen.
Eine stimmig aufgebaute Geschichte, die aber leider eine Erklärung schuldig bleibt. Der Grund für diese Begebenheit bleibt im Dunkel, ebenso eine Klärung über den etwaigen Realitätsgehalt dieser Vision.
WARUM sollte das geschehen, und WIE konnte sowas geschehen? Eine Psychose, also Einbildung, oder wahrer Spuk? Und in beiden Fällen: Warum geschieht ihr das? Eine alte Schuld? Zufall? Ein ruheloser Geist im Wasser, einst hier als Hexe ertränkt oder so?
So schön dein Gedicht ist, ich vermisse sowas wie eine Verankerung für diese Erzählung, eine Begründung irgendeiner Art für die Geschehnisse, und sei sie noch so vage oder in Anspielungen verborgen.
Nun, das ist aber mein ganz persönlicher Eindruck. Andere mögen dieses "In-der-Luft-Hängen" der Geschichte durchaus genießen.

Insgesamt eine sehr eingängig und lebhaft geschilderte Gänsehautgeschichte - nix für multiple Persönlichkeiten!

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
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