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Alt 01.05.2009, 18:24   #4
Blaugold
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo budina
Man mag den Text philosophisch auffassen, klar. Philosophie ist ja auch die Liebe zur Wahrheitssuche oder -findung. Sinngebend ist dabei immer eine beantwortete Idee zu Fragen des Seins und allen Aspekten darin. Also Erklärungkonstrukte und -modelle. Das verstehe ich vor allem unter Philosophie.
Ist es dagegen eine Philosophie, eine Tatsache zu benennen?
Ist es philosophisch zu nennen, wenn sich der Mensch fragt, was in ihm
auf der Ebene des Gedanklichen alles so rum"geistert"?

Ein Philosoph verwendet Begriffe und theoretische Zusammenhänge, um vielleicht etwas, das nicht klar ersichtlich ist zu verdeutlichen, Mutmaßungen anzustellen, logische und/oder rationale Beweggründe aufzuzeigen und nähert sich mit Hilfe der Vorstellung der Sache an.

Ich denke, in meinem Text philosophiert LI weniger über Gott und die Welt, als dass es seine Psyche, die für jeden Menschen inhaltlich die Selbe ist, anschaut.
Jeder Mensch denkt, hat Ängste, übernimmt Übereinkünfte, spiegelt seine Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen nach außen. Der Mensch hat damit Macht über das "Außen". Alles ist im sogenannten "Wissen" des Einzelnen, gleichgeschaltet mit Traditionen oder eben Glauben.
Nehmen wir als Beispiel Vers 6 und 7:

Denn was bleibt essenziell, wenn wir schauen,
was in unserer Vorstellung Glauben macht, alles Anbetungswürdige sei
keine Götzensilhouette?

Wir sehen mit inneren Augen, dass es zwischen Anbeter, Abbild und Hochmut
keine Seperation gibt. Die Wahnidee salbt sich selbst,
und projeziert die Imagination nach außen.


Alles, was sich der Mensch im Zuge des Glaubens "vorstellt" (was ist Glauben anderes?) hält er für anbetungswürdig: sämtlicher Inhalt von Heiligen Schriften, von denen er (wir) sich Abbilder im Geiste macht. Aber jegliche Form einer Imagination ist die Sache selbst nicht! Das kannst du an dir selbst nachprüfen. Ein Baum z.B., den du dir noch so naturgetreu in der Fantasie ausmalst, ist nur ein Gedanke von dir. Doch falls du nie einen Baum zu Gesicht bekommen wirst, bleibt dir noch der Glaube an ihn. Und, was betest zu gegebenenfalls an? Den realen Baum (den du nicht kennst) oder eine Vorstellung von ihm? Sind sogenannten Götzen ausschlißlich Kälber aus Gold?
Du bist sowohl der Einzelne, der Vorstellungen erzeugt, als auch der, dessen Teil sie sind (nämlich des Denkens). Mit dieser Geistesfähigkeit setzt sich Mensch einem Gott gleich, denn damit lässt sich ALLES kreiieren. Nicht umsonst wird Schöpfung mit Kreation gleichgesetzt und ein fantasievoller Mensch als schöpferisch und kreativ bezeichnet.
Die Anmaßung entsteht, wenn Mensch seine Kreativität, sich ein Gottesbild auszumalen gleichsetzt mit der Annahme, dass das so Erschaffene auch den Tatsachen entspricht! Also: weil ich, der Mensch mir eine Vorstellung von X-Beliebiebigem machen kann, wird es so auch sein oder kommen.

Ich persönlich sehe nur in einer religiösen Bemühungen einen Sinn: Dem Leben gegenüber! Denn das ist das Heilige, das der Schöpfung als Krone würdig ist.
Der Mensch ist Teil dieser Krone, vielleicht ein Diamant darin. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger. Das Ego dagegen sagt: Ich bin der Diamant der Krone und viel mehr, als das Haupt, auf dem sie sitzt; ich kann mich sogar an die Sonne anklinken und strahlen, wähnt es sich. (sich wähnen = Wahn)
Das Strahlen kommt aber nicht aus dem Ego (Diamant). Es spiegelt nur das Licht der Sonne. Und das ist sehr hochmütig, dies als eigenes Werk zu bezeichnen, oder?

Hallo badico
Ich hoffe, ich kann mit obiger Antwort etwas Klarheit zum Text beisteuern. Falls nicht, frag dich einfach mal, was die Vorstellungskraft des Menschen mit Tatsachen zu tun hat. Kann der Mensch sich erforschen im Inneren, im Seelisch/Psychischen, bevor er sich Fragen über übergeordnete Dinge stellt und Ideen davon zimmert? Wäre dieses achtsame Wahrnehmen der eigenen Seele, Psyche, des Denkens und Glaubens philosophische Betrachtung?

Schlussendlich: was haben wir Menschen mit unseren Begabungen im Geist der Erkenntnisfähigkeit getan? Und was haben wir angetan?
Um das zu sehen, braucht es da Philosophie?

Es freut mich sehr, dass mein Text Widerspruch hervorruft. Den Text hab ich zum ersten Mal gesprochen hier eingestellt. Ich habe allerdings schon Erfahrung bei öffentlichen Lesungen gesammelt; routiniertes Rezitieren versuche ich noch zu erlangen.

Ich danke euch für die interessierten Kommentare.


Blaugold
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