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Alt 11.04.2017, 11:13   #5
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heimkehrerin
 
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Ein sehr mutiges Gedicht, liebe Dana,

denn es berührt viele Ebenen und Ursachen des Traurig-Seins zugleich.
Es wird ja kein Grund angeführt im Gedicht - LyrIch und Leser stehen dem plötzlichen Anfall von Traurigkeit also gleichermaßen hilflos gegenüber.

Und genau so fühlt es sich ja auch an - es bricht über einen herein; sei es nun, weil etwas zu lange verdrängt wurde und unterbewusst in einem schon länger gärte, sei es schlicht ein Tag, an dem der Hormonhaushalt (aufgrund von Stress oder Pubertät, Wechseljahren oder anderen biologischen Gründen) schlicht in Richtung Traurigkeit gekippt ist. Das Resultat ist dasselbe: man heult und sieht sich irgendwie selbst dabei zu. Ratlos und irritiert.

Klar löst das Scham (und auch ein wenig Besogrnis) aus - man hat ja sichtlich die Kontrolle verloren und "schwächelt" heulend vor sich hin. Tatsächlich kennt aber fast jeder solche Phasen, behaupte ich. Man spricht nur nicht davon. Man will ja schließlich nicht zu den Grufties und Emos in eine Ecke geschoben werden. Die Traurigkeit zu umarmen und anzunehmen ist nun einmal etwas, das von der Gesellschaft noch immer nicht als "gut und richtig" angesehen wird. "Augen zu, Rücken grade und durch", sich "nicht gehen lassen", "kein Trauerkloß sein",...das sind nur einige der Mottos an die sich meistens geklammert wird, damit man sich dem Beunruhigenden der Trauer und Traurigkeit nicht stellen muss.

Tatsächlich aber halte ich Trauer und Traurigkeit für ebenso notwendig und "lebendig" wie all unsere anderen Gefühlsregungen. Sie gehören zu uns wie das Lachen und die Freude. Sie machen uns "ganz". Schade eigentlich, dass man sich dafür aber immer noch schämen "muss". Auch ich gehe zum Heulen ins stille Kämmerchen. Man will ja keine Schwäche zeigen vor anderen (oder sie peinlich berühren). Oder?

Ich glaube; gäbe es die Tabuisierung der Traurigkeit nicht, wäre sie für alle auch leichter zu ertragen und rascher zu verwinden. Würde die Gesellschaft lernen, hinzusehen, zu ertragen und Empathie zu pflegen, gäbe es viel weniger Traurigkeit (da sie rascher - weil nicht alleine - zu überwinden wäre). Nur mal so als mutige These in den Raum gestellt.

Ein toller Text, der - wie du siehst, liebe Dana, viel in mir angestoßen hat.

Sehr gerne gelesen!

Lieber Gruß,
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PS: in S3Z2 ist ein "sind" zuviel
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"Du musst, wenn du unser Glück beschreiben willst,
ganz viele kleine Punkte machen wie Seurat.
Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.”

― Peter Stamm, Agnes
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