Thema: Hurenviertel
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Alt 17.05.2017, 09:45   #4
Kokochanel
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Im Dunkelgrau der spiegelnassen Straßen
entheiligt sich die Unschuld jeder Stunde,
wird fortgewaschen mit den welken Träumen
Gestrauchelter, wo immer sie auch fielen.

Und jeglicher Kredit, den sie besaßen,
vertan, verspielt in dieser kalten Runde,
die keine Träume tragen kann: sie räumen
das Feld, wo Gier und Wollust Fangen spielen.

Der Takt, darin sie ihre Zeit bemaßen,
diktierte jedes Wort aus ihrem Munde,
rechtfertigte das klägliche Versäumen
von Menschlichkeit in unerreichten Zielen.

Ich schleiche schon länger, lieber Erich, um dieses Gedicht herum. Formal ist es sehr schön mit seinen übergreifenden Reimen und auch anspielend an einen Blankvers.
Vom Thema her gefällt es mir auch.

Die Doppelmoral der Gesellschaft ist schon abstoßend. Ich habe einige Prostitutierte kennengelernt , als sie im Ausland Urlaub machten und Gespräche geführt, weil mich ihr Leben interessierte. Vielerlei Gründe haben sie dazu bewogen, das zu tun, was sie tun.
Keinen sah ich als verwerflich an.
Manche fielen auf einen Zuhälter herein, weil er sie mit „Liebe“ einlullte, manche brauchten einfach Geld. Manchen aber machte es auch einfach Spaß. ( Maitressen gab es immer , auch an Königshäusern und sie waren keine „verkommene Frauen“ Das sind aber heutzutage eher die Damen, die freiberuflich arbeiten.
Ich denke, Prostituierte sind ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft, die ausgleichend wirken.

Angestachelt aber durch die Kirche, die Frau ja sowieso von Grund auf sündig ansieht, und Sexualität nur erlaubte zum Kindermachen, ( es darf keinen Spaß machen GGG),hat sich die Gesellschaft entschlossen, diese Frauen zu verdammen. Nach und nach brach das auf und die Gesellschaft ging offener damit um.

Die Seite der Männer, die diese Dienste nutzen, kann ich nicht wirklich beurteilen, da ich kein Mann bin.
Ich finde es aber als Angebot für Singles nicht schlecht. Irgendwo muss es ja hin…
Das Thema „Orgasmus“ hatten wir ja gerade bei Thomas’ Gedicht. Sicherlich ist es für einen Mann sehr schwer, wenn seine Frau nie will… Kann man da wirklich als Frau verlangen, dass er niemals andere Dienste in Anspruch nimmt? Hm…

Darum der Begriff „Gestrauchelter“ , Versager…ist es das wirklich? Sind es nicht vielmehr Suchende?
Getrauchelter enthält schon eine negative Wertung.

Natürlich wird dabei eine Scheinwelt aufgebaut, derer sich der Mann bewusst sein muss.
Ist er das nicht, dann haben wir diese düstere Atmosphäre, die deine Verse spiegeln.
Zwei „Verlorene“, die sich etwas vormachen.

Dies alles zeigen deine Verse in bildhafter Sprache sehr gut.
Allein der Schluss stört mich etwas.
Welche Ziele?

Ich weiß schon, was du meinst, aber irgendwie bleibt mir die Formulierung seltsam unklar.

LG von Koko
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