Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 09.04.2012, 19:32   #13
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.908
Standard

Hi larin,

es entwickelt sich eine gute Diskussion...


Zitat:
ich kann leider jetzt nicht weitermachen- meine wahrheit ist: da trommelt jemand hinter mir ungeduldig mit dem fuß auf den fußboden, weil er auch mal zum computer will....

und da werde ich vermutlich gleich noch ganz andere kritik zu hröen bekommen....
Ok, ich verspreche auch, nur bis hierhin darauf einzugehen...

Zitat:
ich sehe noch immer keine logisch zwingende "notwendigkeit" - außer vielleicht, es gäbe da ein lebewesen, das sich seiner endlichen existenz bewusst wäre und ein gewaltiges problem damit hat ( z.b. weil sich sein individuelles ego gedanklich so aufbläht, dass ihm die tatsache, davon einmal lassen zu sollen, kummer beschert)
Aber genau über diese Lebewesen reden wir doch hier und über die, die vorgeben, sie hätten eine Lösung für dieses gewaltige Problem.
Genau das ist doch meine Kritik, daß den Menschen mit diesem metaphysischen Problem etwas versprochen wird, das keiner Überprüfung standhalten kann.
Und das ist nur möglich, weil sie sich ihrer Sterblichkeit bewusst sind.

Das wäre ja auch alles ganz nobel und wünschenswert, wenn da nicht gewisse Bedingungen dran geknüpft wären, die ich als beklemmend und beängstigend empfinde.

Aus den Ängsten der Lebewesen eine Moral abzuleiten, ist einfach nur heimtückisch und hinterlistig.
Und da sich alle gegenseitig überzeugen wollen, dienen die verschiedenen Religionen eben nicht dem Leben, sondern sind die Ursachen für viele Auseinandersetzungen und Greueltaten.

Zitat:
generell kann man aber feststellen, dass alles, was lebt, den dringenden drang verspürt, am leben bleiben zu wollen.
Richtig, das ist der Selbsterhaltungstrieb und könnte als Liebe zum Leben bezeichnet werden.

Zitat:
die maus rennt weg, so sie die möglichekeit hat, der katze zu entkommen.
wenn aber keine katze in der nähe ist, wird sie friedlich körner knabbern und sich kaum den kopf drüber zerbrechen, wie sie denn zu tode kommen könnte.
soviel abstraktionsfähigkeit hat nur der mensch.
Nicht ganz. Ein kleines Lebewesen wie eine Maus oder ein Vogel wird selbst beim Körnerknabbern immer ein wachsames Auge auf die Umgebung halten, sonst könnte es nicht überleben.
Natürlich setzt sich nur der Mensch (Delphine, Wale und Primaten?) bewusst mit der Möglichkeit bzw. der Tatsache des Todes auseinander.
Deshalb braucht dieser ja auch etwas, woran er sich festhalten kann.
Das ist der Preis, der für das Bewusstsein gezahlt werden muss.
Ein Tier wähnt sich in seiner Existenz zeitlos, nur der Mensch lebt im Wissen seiner zeitlichen Existenz.

Zitat:
obwohl: wenn die schweine zum schlachthof gefahren werden, sind sie auch deutlich unruhiger. da könnte man wohl auf die idee kommen, dass sie auch eine vorausahnung haben.... nichtsdestotrotz: in ihrem schweinestall beschäftigt sich kaum eine sau mit einer nachtod - phantasie.
(es guckt dort auch niemand den schweine-blockbuster: im schlachthof ist der teufel los...)
Schweine sind nicht die dümmsten Tiere (deswegen schmecken sie auch so gut ) und solange sie in ihrem normalen Umfeld weilen, existieren sie.
Die Fahrt zum Schlachthof aber ist ungewöhnlich und wer will diesen Tieren eine Ahnung, Angst oder ähnliche Gefühle absprechen?

Zitat:
also: der tod macht bloß dem menschen langanhaltenden kummer ( auch wenn er meint, das wäre anders).
Den meisten Menschen bereitet es Kummer, aber nicht allen.
Das sieht man immer wieder daran, daß wir zum Selbsmord fähig sind, oder daß Menschen ihr Leben für andere oder eine Sache opfern.

Und ein Nachdenken über den Tod heißt ja auch noch lange nicht, daß es demjenigen auch Kummer bereiten muss, oder?

Zitat:
als wesen, das sich seiner selbst bewusst ist, muss er sich ja sofort fragen. wozu kann ich das denn überhaupt?
nur, damit ich extra kummer mit dem leben habe?
Und bei jedem Kirchgang wird er dann noch zusätzlich mit der armen, leidenden Jesusfigur am Kreuz daran erinnert, was?
Genial...

Zitat:
und nun tut sein säugetier-gehirn etwas ( darauf ist das säugetier-gehirn nämlich disponiert): es erdenkt sich einen freund.
möglichst groß und möglichst mächtig - denn das gefühl, ständig vom tod bedroht zu sein, macht angst.
Genau. Und dieser große Freund erschafft zuerst meine Seele aus dem Nichts, setzt sie dann in diese Welt aus Leid und Kummer, stattet sie mit dem Bewusstsein der Endlichkeit aus und wenn sie sich nicht entsprechend verhält, gibt er sie nach dem Tode der ewigen Verdammnis preis.
Und daß, obwohl er als allmächtiger und allwissender Freund schon vorher um meine künftigen Verfehlungen und Sünden weiß.
Er erschafft mich also so, wie ich bin, nämlich aus dem Nichts, weiß schon wie mein Leben verläuft, nennt das Ganze eine Prüfung und ich armes Schwein habe nicht die geringste Chance etwas daran zu ändern.
Feiner Freund ist das...

Zitat:
das halte ich nun mal für keine schlechte erfindung.
Ich halte das für eine sehr schlechte Erfindung (s.o.).

Zitat:
soweit meine rationale erklärung für den gottesbegriff.
Es gibt keine rationale Erklärung für den Gottesbegriff.

Zitat:
und dann gibt es noch eine irrationale, die mit gewissen erfahrungen und begebenheiten zu tun hat, die ich aber nicht einfach in einer breiten öffentlichkeit ausplaudern würde, denn manche würden- statt mir zuzuhören - ja doch nur sagen, dass

ich lüge
oder mir das nur eingebildet habe
mich nicht mehr richtig erinnere
oder einfach etwas erfunden habe. - und dem muss ich mich ja nicht aussetzen, bloß zu deren belustigung. (jemandem, der noch nie einen apfel gegessen hat, kann man auch nicht erklären, wie ein apfel schmeckt)

also: es gibt erfahrungen, die die grenzen unseres normalen alltagsgeschehens sprengen, sei es auf der kognitiven oder auf der emotionalen ebene.
Es gibt solche Erfahrungen, die hatte ich selbst schon.
Aber nur, weil ich sie nicht erklären kann, muss ich nicht automatisch das Walten eines höheren Wesens dahinter vermuten.
Ich weiß um Gravitation, elektromagnetische Energie, chemische Reaktionen und andere Naturkräfte, kann sie aber nicht als das erklären, was sie wirklich sind. Wir kennen noch nicht einmal alle Wirkungen dieser bekannten Kräfte.
Und es gibt mit Sicherheit noch viele andere von ihnen zu entdecken, von denen wir noch nicht einmal was ahnen.

Es vereinfacht die Sache natürlich ungemein, wenn ich solche Dinge dem bewussten Wirken eines höheren Wesens unterstellen kann.
Doch mit dieser Antwort kann sich ein einigermaßen offener Geist letztendlich nicht zufrieden geben.
Wenn wir uns eine (Film)Szene vorstellen, wo frühzeitliche Menschen sich während eines Naturphänomens (z.B. Gewitter mit Blitzeinschlag) ehrfürchtig auf den Boden werfen, dann urteilen wir milde lächelnd über ihre Unwissenheit, denn das sind ja nur Primitive, die dürfen das.
Für sie war das eine unerklärliche Bedrohung.

Heute sind die Menschen ja nicht mehr primitiv, sie wissen um solche Dinge. Deshalb praktizieren sie das viel subtiler, indem sie sich selbst eine künstliche Bedrohung erschaffen und dann eben in den entsprechenden Gotteshäusern demütig ihre Buße tun.

Zitat:
Zitat von larin
Zitat:
Zitat von Falderwald
Wir können die Wahrheit nicht finden und jeder, der behauptet, er besäße den einzig richtigen Schlüssel dazu, muss sich gefallen lassen, ein Lügner genannt zu werden.
möglicherweise ists ja umgekehrt - und "die wahrheit" findet uns?
Die Wahrheit findet uns immer, spätestens beim Ableben.
Es ist nur die Frage, ob wir sie noch umsetzen können.

Zitat:
und: jemand kann sehr wohl seinen eigenen, persönlichen schlüssel und zugang gefunden haben, warum auch nicht?
Ja natürlich. Wenn er dann nur nicht behauptet, daß sei der allgemeingültige Schlüssel für alle, dann ist es ja in Ordnung.
Wie sagte Schopenhauer? "Die Welt ist meine Vorstellung."

Zitat:
es kann ja auch jemand einen schuh gefunden haben, der ihm maßgenau passt.
Auch das bestreite ich nicht.
Aber es gibt große und kleine Füße und so muss der Schuh beschaffen sein, sonst kann er nicht passen.

Zitat:
ich denke, darin liegt vielleicht das problem: sobald einer was gefunden hat, was ihm passt oder gefällt, möchte er dieses erlebnis mit anderen teilen: he guckt mal, der sonnenuntergang, horcht , welche erkenntnis mir gerade kam....
Auch dagegen ist nichts einzuwenden, solange es seine eigenen Erlebnisse und Gedanken sind und diese auch subjektiv so kennzeichnet.

Auf einem Spaziergang im Frühling sagte meine Liebste einmal zu mir: "Schau, wie schön dieser Kirschbaum blüht."
Ich erwiderte: "Klar, was soll er auch um diese Jahreszeit anderes tun? Das ist seine Bestimmung."
Wir haben darüber herzhaft gelacht, aber es veranschaulicht vielleicht das, was ich ausdrücken will.

Zitat:
machen wir hier vielleicht was anderes?
nein - wir kommunizieren. und wenn ich mich nicht ganz irre, hast du doch auch den wunsch, deine sichtweise als die "richtige" herauszustellen? ( und ärgerst dich gleichzeitig über alle anderen, die das auch tun. )
Theoretisch stimme ich dir zu, praktisch nein.

Hätte ich das mit dem Text so gewollt, wie du es darstellst, hätte ich kein Lyrisches Ich verwendet.
So aber bleibt das Gedicht rein subjektiv und erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit (Schau mal in den "Schleckertext". Da war ich viel vermessener. )

Was sich im Laufe der Diskussion dann entwickelte, war lediglich ein Aufzeigen der widersprüchlichen und unlogischen, ja sinnlosen Dinge, die in den religiösen Lehren den Menschen als Wahrheit verkauft werden sollen.

Eine Kritik, nicht mehr und nicht weniger.

Zitat:
nimm doch einfach zur kenntnis, was du selber als idee vorantreiben willst: dass es keine einzige und alleinige wahrheit gibt: für dich passt es zusammen - und für mich nicht. ( obwohl ich nach und nach ahne, warum es dir wichtig ist)
Das weiß ich doch.
Deshalb übe ich ja u.a. Kritik an diesen vermeintlichen Wahrheiten.

An dieser Stelle mal ein kurzes Zwischenfazit:

Es geht mir nicht um den persönlichen Glauben des einzelnen Individuums.
Der ist frei und das soll und muss er auch bleiben.
Es geht um die Dogmen und Lehren der Religionen, diese schönen und weniger schönen Märchen, mit denen die Menschen zum Zwecke der Manipulation getäuscht und geblendet werden, indem sie vorgeben, die einzig mögliche Wahrheit zu besitzen und meinen, alle Menschen mit dieser beglücken zu müssen.

Dagegen bin ich doch nur ein ganz winziger Funke am Ende eines großen, dunklen Tunnels, kaum wahrnehmbar und stets in dem Bewusstsein, bei meinen Zeitgenossen, die ihren objektiven Idealismus verbreiten, kein Gehör zu finden, obwohl sie in ihrem Inneren sehr wohl wissen, daß es nur einen subjektiven Idealismus geben kann.

Und jetzt warte ich, bis dein PC wieder frei ist.

Also bis später!


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten