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Alt 28.05.2011, 12:30   #43
Stimme der Zeit
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Hallo, Faldi, und Hallo, Erich(es würde mich freuen, wenn du auch "mitmachst", ich finde deine Gedanken und Ansichten interessant),

na, dann will ich mal:

Zitat:
Zitat von Falderwald:
Ich muss da etwas klarstellen.
Nicht immer ist exakt zwischen Handlung und Entscheidung zu trennen.
Im Allgemeinen müsste man annehmen, daß jeder Handlung eine Entscheidung vorausgehe. Denn aktiv zu werden, heißt ja nichts anderes, als etwas zu verändern. Jeder Veränderung aber geht ein Grund voraus, hier Motiv genannt und dieses darf nicht mit der bewussten Entscheidung gleichgesetzt werden.
Ich will das an einem kurzen Beispiel erläutern:
Ich stehe morgens früh auf, laufe mit halb geschlossenen Augen ins Bad, erleichtere meine Blase, spüle ab, lasse warmes Wasser laufen und greife zur Zahnbürste um die Zähne zu putzen.
Das sind alles Handlungen, die schon längst vorher bestimmt sind und somit nicht bewusst als Entscheidung getroffen werden.
Hier widerspreche ich fröhlich deinem Widerspruch. Warum? Überleg bitte, immer, wenn dir verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen, musst du eine Entscheidung treffen - es geht gar nicht anders. Du musst dich entscheiden, ob du aufstehen willst - denn du könntest auch liegenbleiben. Der menschliche Geist trifft ununterbrochen Entscheidungen, anders kann es nicht sein, unabhängig von "Größenordnungen" oder "Wichtigkeit". Selbst wenn du "Automatismen" folgst, muss diesen als Grund eine Entscheidung dienen - unabhängig davon, wann du sie getroffen hast. Dass du dich nicht unmittelbar davor bewusst dafür oder dagegen entscheidest, heißt also nicht, dass du nicht entschieden hast - irgendwann musst(est) du.

Hier ist als das, was du "Motiv" nennst, die "Grundlage" für eine Entscheidung, die du getroffen hast - nur eben nicht "aktuell", aber entschieden hast du dich, da beißt die Maus keinen Faden ab. Ich "verwechsle" nicht Motiv und Entscheidung, ich sehe das nur vielleicht in einem anderen Zusammenhang.

Ich vertiefe, denn es kommt noch etwas hinzu. Jedes Mal, wenn du aufstehst, musst du (und hier wieder mein "unbewusst") dich entscheiden aufzustehen, aber das hat eben nichts mit einer bewussten Entscheidung zu tun, das sollte man nicht verwechseln. Allein die Möglichkeit, dass du dich gegen etwas entscheiden könntest, bedingt einen Entscheidungsprozeß. Wir wählen immer, in jedem einzelnen "Augenblick" unseres Lebens, nur eben nicht immer mit dem "bewussten Selbst".

Das ist jetzt verflixt schwer für mich darzustellen, denn es gibt für manches, von dem ich überzeugt bin, keine adäquaten Worte, bzw. ich fürchte, ich müsste da einige "erfinden".

Zitat:
Zitat von Falderwald:
Eigentliches Denken kann nicht auf der unterbewussten Ebene ablaufen, höchstens Erkenntnisprozesse, auf die bei Bedarf, nämlich durch das Erinnerungsvermögen, zurückgegriffenen werden kann.
Wir denken stunden-, tage-, ja manchmal jahrelang nicht an bestimmte Dinge, obwohl sie auf der Festplatte des Supercomputers gespeichert sind und dann - zack sind sie wieder da.
Und wo kommen "sie" her? Wo sind sie gespeichert? Und - was entscheidet, ob etwas ins Bewusstsein gesendet wird oder nicht? Was entscheidet den Zeitpunkt?

Hier hast du mich offenbar missverstanden (ja, ja, eine "alte Geschichte"), denn als ich von "Ebenen des Denkens" sprach, meinte ich eben nicht, dass überall Denkprozesse stattfinden, die dem bewussten Denken gleichzusetzen wären - ich meinte etwas Anderes. Meiner Ansicht nach "denken" wir auf unterschiedlichen Ebenen - aber wir "denken" nicht im Sinne von "Gedankenprozessen, die denen des Bewusstseins entsprechen". Nein, da finden ganz andere "Denkprozesse" statt, und wenn ich von "Denken" spreche, dann nur, weil es für etwas, das wir nicht kennen, nicht wahrnehmen und deshalb nicht verifizieren können keine Begriffe gibt - wie sollte es auch?

Du sprichst von unbewussten Prozessen, von Instinkten, vom Charakter und vom Willen. Das Alles bildet aber meiner Ansicht nach ein "Ganzes" - ein "Mehr-als-nur-ein-Ich" - einen Menschen. (Ich verweise auf meinen letzten Beitrag). Niemand von uns weiß, was genau auf diesen "Ebenen" abläuft, wir können das als Bewusstsein nicht bewusst wahrnehmen, und deshalb auch nicht identifizieren. Aber: es findet statt, und zwar ununterbrochen. Das Bewusstsein "pausiert" im Schlaf, alles Andere bleibt lebenslang non stop aktiv.

Jetzt ein Beispiel von mir: Ich weiß nicht, wie du Gedichte schreibst, aber bei mir läuft das folgendermaßen ab: Ich sehe etwas Interessantes, und überlege, ob das ein Thema für ein Gedicht sein könnte. Oft "vergesse" ich den Gedanken wieder, und beschäftige mich (arbeiten muss ich ja auch) zwangsläufig mit ganz anderen Angelegenheiten. Dann passiert Folgendes: Manchmal eine Stunde, ein paar Stunden, einen Tag oder sogar mehrere Tage später kommt mir dieser Gedanke "plötzlich wieder in den Kopf". Wo war er in der "Zwischenzeit"? In meinem "Bewusstsein" ganz sicher nicht. Weiter: Ich schreibe auf, was dann "zum Vorschein" kommt. Aber ich habe noch nie ein Gedicht ganz bewusst geschrieben - es ist immer eine Art "Teils-Teils", mal mit mehr "Bewusstheit", mal mit weniger. Es gab auch schon Gedichte, die ich in "einem Rutsch" in wenigen Minuten schrieb - ein korrektes Metrum inbegriffen. So schnell arbeitet das Bewusstsein nicht. Als ich noch keinen Computer besaß (ich kann seither endlich im 10-Finger-System schreiben), machte mir oft das handschriftliche Verfassen "Probleme" - ich konnte nicht so schnell aufschreiben, wie das "sprudelte".
Wo ist also die Quelle? Wo kommt ein "fertiges" Gedicht her? Wo war es, bevor es (sorry, mit "einem Schlag") "auftauchte"? Das würde ich gerne wissen, denn diese Gedichte habe ich mir nicht bewusst ausgedacht. Da ich auch schon Werke ganz bewusst geschrieben habe, kenne ich den Unterschied. Dieser "Vorgang" ist anders, mein "Bewusstsein" wird zu einem "Assistenten", der "überwacht", d. h. Fehler erkennt und ggf. ausbessert, bereits während des Schreibens. Ich werde das "Gefühl" nicht los, als ob ich meist auf "zwei geistigen Ebenen gleichzeitig unterwegs" bin, wenn ich dichte. Erklären kann ich das nicht, und nur sehr unzulänglich beschreiben. Nur eines, und das ist die Wahrheit: Ich habe noch nie "Stichworte" notiert, dann "darum herum gebastelt", so funktioniert das bei mir nicht. Wobei auch der Titel generell den Abschluss bildet, diesen denke ich mir bewusst aus. Ich habe das "völlig bewusste Dichten" bereits versucht, die Ergebnisse waren - es schweigt des Sängers Höflichkeit. Weshalb ich heute tatsächlich immer nur die Idee festhalte, im Geiste lächle und dann warte, was irgendwann kommen wird. Das meine ich mit "Ebbe und Flut", wie ich Dana gegenüber erwähnte. Irgendwo "in mir" wird gearbeitet, dann werden die "Ergebnisse" gefunkt, mein persönlicher Rekord liegt bei 5 Gedichten (langen) an einem einzigen Tag. Dann wiederum scheine ich innerlich Ideen (Themen) zu "sammeln", das dauert wieder eine Weile, und es "steigt" erneut die "Flut", bis zum "Höhepunkt" - bevor es wieder abflaut - und wieder von Vorne. So geht das bei mir. Mittlerweile habe ich das erkannt und treffe (das ganz bewusst) die Entscheidung: Über dieses Thema möchte ich schreiben - und weiß, das wird "auftauchen". Es gab noch nie eine Ausnahme. Was auch immer diese "Quelle" in meinen Inneren ist, ich kann ihr mittlerweile regelrecht "Aufträge" erteilen, auch wenn ich mich jetzt sehr weit aus dem Fenster lehne, und zweifle, ob mir das jemand glauben kann - aber es ist ganz genau so. Jedes Wort ist wahr. Mein "Ehrenwort".

Was nun dein "Achterbahnbeispiel" und die Gefühle betrifft: Das hat bei mir noch nie funktioniert, Alkohol übrigens auch nicht - wenn meine Gedanken "durcheinander geraten", dann "fühle" ich mich unwohl, und "Angst" ruft in mir keine "positiven" Gefühle hervor, sie bleibt eine "unangenehme" Empfindung. Also, ich persönlich habe "Glücksgefühle" nur, (ja, da klappts auch) wenn ich "Freude" an der Ästhethik bzw. Schönheit eines Problems, eines Gedankenspiels oder an der Kunst, die in Worten, Tönen und Gemälden liegt, habe. Achterbahn fahren oder Bungee-Springen geben mir halt nichts, ist einfach so. Ich bin so "gemacht, gebaut, konstruiert" dass "Glück" nur in begrenztem Maße ein körperliches Empfinden ist, bei mir findet das größtenteils "geistig" statt. Frag nicht, ich habe auch keine Ahnung! Ich kann nur als Fazit sagen: Geistige Arbeit (d. h. denken in jeder Form) macht mich "glücklich", je intensiver, desto schöner, aber nicht falsch verstehen - es ruft keine "direkten" körperlichen Empfindungen hervor, es ist einfach eine "geistige" Sache, schwer zu erklären. Vielleicht: Diskussionen wie diese hier sind für mich "geistiger Hochgenuß", und schenken mir "geistige Freude". Na ja, auch nicht ganz zutreffend ...

Bitte nicht denken, ich wollte mich wichtig machen oder nur von mir reden, wenn ich diese Beispiele hier aufgeführt habe. (Ich "kenne" mich halt selbst am besten, und kann am "leichtesten" darüber sprechen.) Aber es verdeutlicht vielleicht, worum es mir geht. Ich rätsle schon seit langer Zeit an diesen Dingen herum, und ich würde zu gerne verstehen können, was die "Ebenen" tun, wie sie "funktionieren" und in welchem "Wechselspiel der Denkkräfte" wir Menschen uns eigentlich befinden, bzw. was es wirklich ist, das, was wir "sind" - unser "Selbst" ...

Zum Abschluss noch: Ich liebe "geistige Spinnereien", wobei ich das eher unter "Let's have fun"-Überlegungen "verbuchen" möchte, denn "Spinnerei" ist für mich etwas Anderes, z. B. die Überzeugung von Menschen, die heute noch absolut davon überzeugt sind, die Erde wäre eine Scheibe, bei der man, wenn nicht aufgepasst wird, über den Rand "plumpsen" könnte. Das ist für mich "Spinnerei" reinsten Wassers, und die dazu gehörigen "Argumente" erst ... das ist "gesponnen".

Ich freue mich auf eine erneute Diskussion mit dir, mich interessiert sehr, was du zu "Motiv, Charakter und Wille" zu sagen hast, denn ich definiere sie offenbar anders. Aber das macht auch den Reiz solcher Diskussionen aus.

Zu guter Letzt noch einen Satz, den ich gerne in den "Diskussions-Raum" stellen möchte: Bevor du eine Entscheidung triffst, musst du dich entscheiden, entscheiden zu wollen. Davor musst du entscheiden, das Wollen zu wollen. Und davor?

Liebe Grüße

Stimme der Zeit

(P.S.: Ich konnte hier auch nicht auf Alles eingehen, das hätte ebenfalls den "Rahmen gesprengt", ich bin ohnehin teilweise "abgewichen", was bei dieser Thematik wohl nicht ausbleiben kann. )
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Geändert von Stimme der Zeit (28.05.2011 um 12:56 Uhr) Grund: Einen Absatz hinzugefügt.
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