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Alt 06.04.2015, 19:36   #23
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

so, lange versprochen, jetzt komme ich endlich mal dazu.

Starten wir oben und schauen uns heute den „Hochmut“ an.

Zunächst einmal fällt auf, dass im zweiten Quartett der Binnenreim von dem der ersten Strophe abweicht, wobei der Klammerreim derselbe bleibt.
Das soll aber nicht weiter stören, da moderne Sonette heutzutage ja durchaus von der üblichen Form abweichen dürfen. Siehe es also bitte nur als Anmerkung.

Herr Hochmut trifft bei irgendeinem größeren Ereignis ein und findet sich direkt vom Rampenlicht der dortigen Öffentlichkeit umgeben. Seine wichtige Funktion ist bekannt, seine Befugnisse und Angelegenheiten reichen bis tief in die Gesellschaft hinein.
Er erscheint abwägend und dabei besonnen.

So stellt er sich in absoluter Extravaganz dar und die Motten, die sein Licht umschwirren, werden wohlwollend hingenommen, denn wie das größte Schiff im Hafen, zeigt sich auch seine Persönlichkeit den bewundernden Blicken des jeweiligen Publikums.

An dieser Stelle sei mir eine kleine, kritische Anmerkung erlaubt: „das größte neue Schiff im Hafen“ verliert mit den beiden hintereinander gestellten Adjektiven etwas an sprachlicher Eleganz. An der Stelle braucht es auch eigentlich keine solche Übertreibung. Denn Herr Hochmut hält sich vornehmend gern auch an einem exklusiven Badeort mit Yachthafen auf.
Es könnte dann beispielsweise heißen: „ die größte Hochseeyacht im Hafen“.
Die Größte ist die Größte und neu muss sie gar nicht sein, sie muss nur wie neu scheinen, denn so, wie es weiter geht...

...weiß Herr Hochmut ja, dass es schon immer so gewesen ist. Da zur Schau gestellte Statussymbole Erfolg symbolisieren, ist jeder darauf erpicht, von diesem mitzuprofitierten, also wird die Kommunikation mit seiner Persönlichkeit gesucht, weil sich davon etwas versprochen wird.

Tja, und dessen ist sich Herr Hochmut durchaus bewusst und so kann er gnädig auf die ihn umschwirrenden Motten herabsehen und sie für seine Zwecke benutzen, denn seine Menschenkenntnis hat ihn genau dort hin gebracht, wo er gerade steht.
So einfach ist das...

Das ist ein gelungenes Sonett, das Herrn Hochmut sprachlich gekonnt und treffend beschreibt und hat mir zum Einstieg in diese Reihe gut gefallen...


Gern gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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