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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 30.04.2017, 10:59   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Glut

Der grünen Glut von Sonnentagen treu verbunden
ersehnt mein Herz, sich immer neue aufzuschlagen
im großen Buch der Jahre, die uns weitersagen,
bis ihre Herbste allen Drang zum Ende runden.

Was treibt uns ewig weiter, die wir doch, an Wunden
so überreich, verbluten müssten an den Tagen,
die wir uns immer neu erkühnt ins Leben wagen,
bis endlich alles gut sei und das Glück gefunden?

Die grüne Glut von Sonnentagen hebt mein Sehnen
in neue Seligkeiten, bis sie nicht mehr tragen,
bis alle Stunden, die sich für mein Hoffen dehnen,

daran verbraucht sind und in ihre Nacht gesunken.
Dann will ich gerne bis an jene Grenze ragen,
die meinen Geist enthebt, vom Grün der Erde trunken.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (04.04.2018 um 17:13 Uhr)
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Alt 30.04.2017, 13:11   #2
Eisenvorhang
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Hallo eky

"der grünen Glut von Sonnentagen" ist eine Metapher, die ich fast schon schmecken kann.
Der Wunsch danach das Erlebte wieder und wieder zu erleben kommt auf.

S1V4 "bis ihre Herbste allen Drang zum Ende runden."

Vielleicht würde ich:

"bis ihre Herbste allen Drang zu Ende runden".
"zu Ende" harmoniert für mich mehr mit "runden", auch wenn dadurch der Drang gemeint wird und nicht das eigentliche Ende, was nach dem Herbst folgt, in dem Sinne das Ableben.

In Strophe zwei finde ich die erwähnte Anmaßung durch "erkühnt" sehr wichtig, fast rebellisch, aber auch scheint das LI unverstanden, durch die langen Wege des Lebens zu schreiten. Eine klassische Antithese.
"erkühnt" ist eine Bewertung, was ich nicht so gut finde. Es sollte interpretierbar bleiben, in meinen Augen. Das sieht aber jeder anders.
Ich hätte "erkiest" oder "auserkiest" geschrieben, so, dass das LI die Haltung annimmt und sich das Anmaßende für den Leser erschließen kann.

Die Frage ist, was ist gut und was ist Glück? Glück als Solches ist für mich eine gefährliche Prämisse.

"in neue Seligkeiten, bis sie nicht mehr tragen,"
Was tragen sie? Die Sonnentage oder das Sehnen?

Und nochmal: ich finde es wunderschön, dass du das Grün der Erde ansprichst und nicht das typische blau.

Ein äußerst schönes Sonett lieber eky

Allergernst gelesen.

vlg

EV
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Alt 30.04.2017, 14:05   #3
Erich Kykal
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Hi EV!

"Die grüne Glut" - gemeint ist das helle Grün, wenn Sonnenlicht durch die Blatter strahlt und sie leuchten macht.

"zu Ende runden" und "zum Ende runden" haben hier eine unterschiedliche Bedeutung: ersteres heißt nur, dass irgendetwas fertig gerundet wird, es beschreibt die Beendigung des Prozesses für irgendetwas, das zu runden war.
Letzteres aber bedeutet, dass sich etwas zum Ende hin rundet, in diesem Fall zum Lebensende. Hier wird der Tod angesprochen.

Ich mag die alten Begriffe und Sprachschöpfungen, aber "erkiesen" ist selbst mir zu altbacken. Außerdem klingt es mit seinen Verschluß- und Zischlauten und dem langen "ie" recht spitz, grell und hart.

Bis die Seligkeiten selbst nicht mehr tragen - tragen im Sinne von tragfähig.


Hier ist ein unkonventionelles Sonett entstanden, da die Zeilen um einen Heber zu lang sind. So aber wirkt es besonders getragen und lyrisch, wie ich finde. Man muss sich halt mit langen Sätzen und ausgeschmückter Sprache anfreunden können ...

Vielen Dank für deine Gedanken!

LG, eKy
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Alt 30.04.2017, 14:32   #4
Eisenvorhang
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Hallo eKy

ich finde die Form, also die Überlänge, auch passend zum Inhalt.
Was Du erklärst, war mir schon bewusst und galt nicht als Kritik.
Das Sonett funktioniert sehr gut.

Eine Frage: letztens laß ich, wie jemand zum Thema "Textqualität" schrieb, Partizipien seien schlecht für den Ausdruck, würde laienhaft und ungelenkig wirken.
Ich beschäftige mich damit schon seit längerem. Wie ein Adverb wirkt, Pre- und Suffixe, Partizipien...

Ich finde und das fällt mir häufiger in Gedichten auf, dass, wenn Partizipien vorkommen, sie nicht ungelenkig wirken.

Ich kann das Statement im Grunde nicht nachvollziehen. Ist diese formulierte Kritik berechtigt bzw. welcher Grund obliegt?

Würde mich freuen zu lesen, was Du darüber denkst, auch wenn es nicht direkt zum Gedicht gehört.
Falls dem so sei, würde ich künftig vermehrt auf Partizipien verzichten.

vlg

ev
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Alt 30.04.2017, 16:50   #5
Erich Kykal
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Hi EV!

Öfter mal entschlägt sich so ein Schlauberger seiner "Weisheit", als hätte er nach seinem Geschmack das Recht, den anderer zu bestimmen, indem er im Nimbus des Mehrwissenden behauptet, dieses oder jenes sei angesagt oder anderes nachgerade unerträglich!

Letztlich kommt es auf die Anwendung an, auf die Art der Verflechtung und des Klanges, ob und wie etwas wirkt. Linkisch ist, was aus linkischer Feder fließt. Das ist alles.

Darüber hinaus zu behaupten, irgendetwas sei per se lyrisch ungeschickt, weil es aus sich heraus nicht klinge oder genug Substanz habe, halte ich für arrogant und kurzsichtig, dem jeweiligen Zeitgeschmack unterworfen - oder einfach für herablassende Wichtigtuerei.

Im richtigen Moment eingesetzt, können eine Verkürzung, eine leichte Inversion oder eine Häufung von Partizipien, ein "Und" am Satzbeginn und unzählige andere sog. "Nogo's" durchaus von Wert sein und sich nahtlos in ein Ganzes fügen, das mit ihnen sogar noch gewinnt!

Diesen richtigen Moment zu erkennen, ist die wahre Kunst der Wortweberei. Gestelzt daherdichten können viele, das lernt sich mit der Zeit, und bis zu einem gewissen Punkt wirkt es elegant und gekonnt. Aber nur wenige "Große" haben es je geschafft, dem Baukasten Sprache mehr abzuringen, als auf der Verpackung abgebildet ist! Bei ihnen hören sich sogar eindeutige lyrische Unregelmäßigkeiten und Schnitzer perfekt und schön an - Rilke war ein solcher.

Diese Genies haben aber mit Sicherheit nicht auf jene NeunmalKlugen gehört, die glaubten, sie hätten auf ewig darüber zu bestimmen, was man in der Lyrik dürfe und was nicht, so als dürfe ausgerechnet ihr Ohr und persönliches Empfinden darüber richten.

Grundsätzlich halte ich es so: Ich vertraue auf meinen eigenen Geschmack, mein eigenes Ohr. Die Regeln, die damit konform gehen, wende ich an, jene, die mir zu rigide oder einschränkend wirken, ignoriere ich, egal, was dann irgend so ein Korinthenkacker findet. MIR muss gefallen, was ich schreibe - auch auf die Gefahr hin, anzuecken oder nach Jahren der lyrischen Reifung festzustellen, dass ich mit etwas falsch lag.

So befolge ich diverse klassische Sonettregeln bis heute nicht, spiele mit der Form (wie oben ersichtlich) und probiere mich daran immer neu aus. Es ist MEIN Weg, den ich gehe, und ich schere mich einen Dreck um jene, die - warum auch immer - über etwas bestimmen wollen, indem sie ihm ihre eigene Sicht der Dinge aufzuzwingen versuchen.

Soweit klar?

LG, eKy
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Alt 30.04.2017, 18:37   #6
Eisenvorhang
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Ich verstehe Dich eky.
Hatte wohl auch gute Gründe warum viele wirklich schlaue Menschen recht gesellschaftsfern ihr Dasein abgefristet haben.

Danke für Deine Antwort.

vlg

EV
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Alt 30.04.2017, 19:30   #7
Kokochanel
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Lieber Erich, lieber EV,

durchaus sehe ich das mit dem Sonett ncht als Überlänge. Meines Wissens nach
sind 6 hebige Sonette durchaus geläufig und das haben wir hier.
Die Glut des Grün, ein schönes Bild - nicht umsonst gilt Grün als die Farbe, die wohltuend ist. Wenn man im Garten sitzt, wirkt das Grün, ja auch beruhigend und mam wird stille. Durchaus kann man das als "Vollenden des Rundens", denn rund ist ja die Vollendung von Eckig sehen.
Das Leben feilt uns die Ecken ab, manche zumindestens.

Der Tod als "abrundende Vollendung" würde meiner Lebensauffassung nicht entsprechen, aber das ist eine persönliche Sichtweise. Mit der ich als solche auch kein Problem habe.

Der Echoreim "tragen und tragen" gefällt mir gut.
Die Grenze wagen und ins Leben wagen ist jedoch eine Wortwiederholug, die mir bei deinen Werken femd ist. Sollte das so sein?
----------------

Ich möchte noch etwas zu den Partizipien sagen, EV, weil ich mich angesprochen fühlte. Ich hatte hier mal in einem Kommi geschrieben, dass Partizipien ein Werk starr machen. Allerdings bezog sich das auf ein Werk ( ich weiß nicht mehr, wessen Werk es war), das gespickt davon war..

Erichs Meinung zu den Partizipien ist also durchaus nicht gegenteilig, sondern eher ergänzend. man muss immer das Gesamtwerk sehen.

LG von Koko
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Alt 30.04.2017, 20:02   #8
Eisenvorhang
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Hallo Koko

Dein Duktus verrät mir offenkundig, dass Du damit nicht gemeint und nicht diese Person bist. :]

Die Prämisse lautete:

"Partizipien streng vermeiden, sonst bist ein Schreiberunling mit Uncharakter". (Ich drücke überspitzt die Haltung aus)

Das galt nicht mir, war sehr allgemein und - wie von eKy hervorgetan - von großer Arroganz geprägt.

vlg

EV
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Alt 30.04.2017, 23:08   #9
Erich Kykal
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Hi Koko!

Das mit dem doppelten und dem Echoreim ist mir gar nicht aufgefallen, ehrlich gesagt, ich schrieb die Terzettreime sozusagen als eigene Einheit, ohne darauf zu achten, ob sich da etwas wiederholt. Schlampig ...

Danke für den Hinweis! Ich werde die betreffenden Zeilen passend umarbeiten.

LG, eKy


PS: Die betreffenden Zeilen wurden entsprechend geändert. Jetzt gibt es keine Dopplungen mehr.
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Geändert von Erich Kykal (02.05.2017 um 18:06 Uhr)
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Alt 07.05.2017, 17:43   #10
Falderwald
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Servus Erich,

ich knüpfe direkt an die Frage im zweiten Quartett an, denn das erst spricht ja für sich selbst.

Ja, was treibt uns immer weiter an? Das ist wohl pauschal nicht so leicht zu beantworten, denn die Ziele und Motive sind doch individuell sehr verschieden, ebenso die Definition von Glück.
Unbestreitbar erfährt jeder sein eigenes Leid in der einen oder anderen Weise und je länger einer lebt, desto mehr muss er davon hinnehmen.

Und so muss eben jeder zusehen, dass er das für ihn erreichbar Optimale aus seinem Leben herausholt.
Dabei spielen nicht nur die eigenen Fähigkeiten eine tragende Rolle, sondern auch der persönliche Charakter und die damit untrennbar verbundene Moral, die seine Handlungen bestimmt.

Schön, wenn jemand seine Idealvorstellung gefunden hat, obwohl er weiß, dass er diesen Zustand niemals erreichen wird und sich ihm immer nur annähern kann, weil eben alles in Bewegung bleibt und somit einer ständigen Änderung unterliegt.

So kann man sich eben nur an bestimmte immer wiederkehrende Regelmäßigkeiten halten, die dem Großen und Ganzen zumindest noch eine Weile ein Grundgerüst geben können.

Ich denke, die Metapher "der grünen Glut von Sonnentagen" kann wesentlich zur Statik eines solchen Gebäudes beitragen.

Dieses sechshebige Sonett habe ich mir nicht umsonst ausgesucht, ich finde es äußerst tiefsinnig und gediegen...


Gern gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald


__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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