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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 04.03.2013, 21:44   #1
Invazim
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Standard Konsumenten

Ein Publikum Publikum Publikum ,
ein Einzelner.

ein E i n z i g e r
obsiegt.

Ein Publikum
erliegt.
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Wo ist noch ein Meer, in dem man ertrinken könnte? - Friedrich Nietzsche


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Alt 05.03.2013, 09:28   #2
Thomas
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Hallo Invazim,

der Text drückt, durch die Überschrift vermittelt, einen Wunsch aus, den ich sehr gut verstehe.

Aber ist nicht die interessante Frage, wie dieser Wunsch überhaupt zur Realität werden kann? Es ist nämlich gar nicht ausgemacht, dass der Poet bei den Konsumenten obsiegen kann, und wenn ja, ist die Frage wie und warum.

Ich glaube, es ist richtig beim Publikum nichts vorauszusetzen, was über den Wunsch des Konsumierens hinausgeht. Alle sogenannten Kunstwerke, die Erklärungen brauchen, sind meiner Meinung nach keine wirklichen Kunstwerke. Der volle Genuss setzt zwar voraus, dass das Publikum sich mit der Kunstform beschäftigt und je größer das Wissen des Publikums ist, desto größer der Genuss, und desto leichter das „Obsiegen“. Aber der Genuss muss auch ganz ohne Wissen möglich sein. Ich bezeichne das als Orpheus Prinzip. Es ist eine Herausforderung an den Künstler.

Das sind die Gedanken, die mir beim Lesen deines experimentellen Textes gekommen sind. Zur Form hätte ich folgenden Vorschlag (nur als Anregung zu verstehen):

Publikum, Publikum, Publikum -
ein Einzelner.

ein Einzelner
siegt,

das Publikum
erliegt.

Die schwere Anfangsbetonung „Publikum“ (X x X) erliegt zum Schluss der Leichtigkeit des „ein Einzelner“ (x X x X). Man könnte auch noch anders spielen, das ist nur so eine Idee.

Viele Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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Alt 05.03.2013, 14:13   #3
Invazim
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Hi Thomas,

genau! Eben weil es nicht so ausgemacht ist, dass der Poet über das Publikum obsiegen kann, verspürt man es als Wunsch. Würde das Publikum jedem "E i n z i g e n" erliegen, wär der Einzige kein Einziger mehr, sondern auch nur noch ein Teil des Einzelnen (falls das grade Verwirrung aufwirft, dazu komme ich später noch), weil es einfach keine Besonderheit mehr darstellt, weder für Künstler, noch für Konsumenten. Dann sähe der Poet das sicherlich als inhaltslose Selbstverständlichkeit. Durch den Anspruch des Publikums ist dem Poeten ja erst diese Hingabe zum Wunsch ermöglicht, was, wie ich denke, ein Geschenk ist, das die Beschenkten dem Schenkenden machen können.

Orpheus Prinzip? Kannst du mir das mal näher erklären?

Die Idee, vor dem "Publikum, Publikum, Publikum" den Artikel wegzulassen gefällt mir gut und ebenfalls der Bindestrich dahinter.

Allerdings finde ich das "E i n z i g e r" in der zweiten Strophe besser, weil ich damit den Poeten vom Publikum seperieren möchte. Nämlich bezieht sich das "ein Einzelner" der ersten Strophe auf das Publikum; in der ersten Zeile dieser pochende Tumult, der sich in der zweiten Zeile dann doch irgendwie zusammenfassen lässt. Diese Seperation in "Parteien" unterstütze ich nämlich auch mit der Strophengliederung bzw. mit den Absätzen.
Und das Wort "obsiegt" gefällt mir besser, aus dem einfachen Grund, dass es triumphaler klingt.

Dann in der letzten Strophe, wo du das "ein" durch ein "das" ersetzt hast: Ich finde das "das" nicht so gut, weil es das Publikum irgendwie so spezifisch darstellt. Jetzt im Nachhinein denke ich, dass ich das "ein" vielleicht einfach weglassen könnte. Aber da bin ich mir nicht sicher. Finde eben, dass es ausdrückt, dass es eben noch mehr davon gibt, dass der Poet sozusagen damit nur eine Trophäe gewinnt, aber noch weitere gewinnen wird bzw. kann.

LG, Invazim
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Alt 05.03.2013, 15:00   #4
Thomas
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Hallo Invazim,

dann sage "Einziger" (am besten beide Male) und auch das "ein" in der vorletzten Zeile ist ok - die Silbe "ein" ist dann fast eine Refrain. Was ich sagte war nur eine Anregung, um deutlich zu machen was mir wichtig ist, nämlich das mit der metrischen Spielerei. Lyrik ist primär Ohrensache.

Zu dem Orpheus-Thema habe ich im "LyrikChat" und in der "Fürbitte an Orpheus" mehr gesagt. Alles mit Vorsicht genießen, vielleicht ist es ja total daneben.

Liebe Grüße
Thomas
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Alt 05.03.2013, 16:14   #5
Erich Kykal
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Hi, Leutz!

Was mich hier eher nachdenklich zurücklässt, ist dieses polarisierende Denken, so als wären der Einzelne, der Vortragende und das Publikum quasi Gegener, jede Vorstellung ein Kampf!
Ich sehe das nicht so, und ich habe jeden Tag Publikum als Lehrer...
Okay, unrealistische Situation, weil die Schüler unmündig sind und ich weisungsberechtigt - das heißt, ich kann Aufmerksamkeit verpflichtend einfordern. (Inwiefern ich sie kriege, steht auf einem anderen Blatt...)
Aber ich habe auch schon genug Lesungen hinter mir, um es anders erlebt zu haben: Ich stelle mir vor, mein Publikum auf eine Reise durch mein Ich mitzunehmen - jeder kann jederzeit aussteigen, kein Zwang, keine Unterstellung. Als Kampf, als Ringen mit vielen, möchte ich das nicht sehen, nicht mal - und gerade dann nicht - wenn ich Lampenfieber habe!
Dabei soll es ja auch gar nicht um obsiegen und erliegen gehen, oder? Eine Vorstellung soll im besten Falle beiden Spass machen!

Für mich sind diese Zeilen also eher die Angstvision eines darin Ungeübten oder die eines recht schüchternen Menschen, der sich leicht attackiert fühlt oder im Beisein Vieler, im Kegel der Aufmerksamkeit eher unwohl.

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 05.03.2013, 17:02   #6
Invazim
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Hi Thomas,

ja, dieser Refrain-Effekt ist auch das, was mich zu dem "ein" verleitet bzw. verführt.

Okay, werde ich mal reingucken.

LG, Invazim



Lieber eKy!

Du triffst zum Teil ganz gut in die Wunde, muss ich sagen.

Eben dieses Unbehagen, diese Unsicherheit im, wie du so schön sagtest, "Kegel der Aufmerksamkeit" ist es, die überwunden werden soll. Der Redner möchte vortragen, begeistern, ist aber blockiert.

Ja, Publikum und Redner sind in diesem Fall zwar als Kontrahenten dargestellt, allerdings definiere ich das Publikum (in diesen Zeilen) nicht als die Menge an individuellen Persönlichkeiten, die es vielleicht sein mag bzw. könnte, sondern als das Wesen "Publikum", das Dasein einer betrachtenden und urteilenden Partei, und es ist vielleicht auch nicht richtig zu sagen, das Publikum sei der Kontrahent, sondern viel mehr seine Anwesenheit, sein Urteil und seine Aufmerksamkeit; sein Dasein als Zuschauer, doch nicht als Person. (Ich hoffe, ich kann das verständlich bzw. viel mehr unmissverständlich rüberbringen, es ist schwer in Worte zu fassen.)
Und der Triumph ist das Erliegen des Publikums, jedoch nicht als Unterworfener, sondern als dem Genuss Verfallener.

LG, Invazim
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Geändert von Invazim (05.03.2013 um 21:22 Uhr)
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