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Ausflug in die Natur Natur- und Tiergedichte

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Alt 12.02.2018, 19:42   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
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Standard Das Unwetter zieht herauf

Überm Rand der Himmel hängen
Ungeheuer, graue Grausamkeiten,
und aus ihren Mäulern drängen
Ausgeburten, die auf Wirbeln reiten.

Dunkelheiten überziehen
schon die Lande, deren Hügelwogen
wie vor diesem Sturmwind fliehen,
willenlos entfestigt und verbogen.

Erste Blitze zucken lüstern
durch das wilde Brodeln und das Dräuen,
auf der Weide recken Nüstern
sich verängstigt und die Pferde scheuen.

Rasch hinein und in die Stube,
und die Tiere in die warmen Ställe!
Eines Himmels Mördergrube
schickt sogleich die erste Regenwelle!

Übern Rand der Himmel ragen
grimme Mienen, die Grimassen schneiden,
und die schwarzen Münder sagen
tausend Tode uns und Schmerzerleiden.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 12.02.2018, 20:37   #2
Laie
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hi eKy,

das muss ein gewaltiges Unwetter gewesen sein. Wortgewaltig ist auf jeden Fall dein Gedicht. Ich sehe die schwarze Wolkenwand vor mir, fühle die Winde stürmen, sehe die Blitze züngeln und höre die Donner drohen, alles in angespannter Erwartung der Entladung in sintflutartigen Regenfällen.

Sehr gern gelesen!


Gruß,
Laie
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Alt 12.02.2018, 21:04   #3
Terrapin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hi Erich,

Gewitter sind was faszinierendes. Ich mag die schwarzen Wolkenzitadellen
wie sie sich kräuselnd aufblasen und immer drückender nahen mit Windpeitschen.

Bei den Wirbeln in Strophe eins dachte ich zuerst an selbige im Rückgrat.
Weil sich auch solche Höllenbilder eines Luther auftaten.

Fein zu lesen.

Gruß Pinni.
__________________
Das Leben ist eines der schwierigsten.
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Alt 12.02.2018, 22:37   #4
Erich Kykal
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Hi Laie, Terry!

In meinen Bildsonetten gibt es einige Bespiele in Öl für solche Stimmungen:

https://upload.wikimedia.org/wikiped...-_VGM_F778.jpg

http://images.fineartamerica.com/ima...omas-moran.jpg

https://upload.wikimedia.org/wikiped...ters_37116.jpg

http://mfas3.s3.amazonaws.com/objects/SC193639.jpg


Vielen Dank fürs Eintauchen!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
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Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 12.02.2018, 23:14   #5
Eisenvorhang
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Beiträge: n/a
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Hallo lieber Erich,

ein feuriges und sehr eindrückliches Gedicht!

Ein paar Gedanken, vielleicht helfen sie dir:

Rasch hinein und in die Stube
und die Tiere in warmem Gemäuer!
Eines Himmels Mördergrube
schickt sogleich die ersten Ungeheuer!

*Regenwellen... Ich tue mich schwer mit der Metapher!
Es gibt ein Wellen des Regens, durch den Wind. Vielleicht mehr ein Gewoge des Regens etc.
Oder? Aber ein Regen kann auch peitschen! Oder wie ein Peitschen! etc.

Kein Komma nach Stube, weil Konjunktion mit "und", "oder".
Wenn ich richtig liege... Habe ich heute erst gelernt

"grimme Mienen, die Grimassen schneiden,"

Grimassen wirkt auf mich nicht bedrohlich und nimmt Wirkung aus dem Gedicht. In meiner Wahrnehmung - ich glaube dies ginge besser.

Davon ab! Wie immer: Hut ab!
Sehr sehr gut geschrieben. Ich könnte es wohl nicht!

Und allergernst gelesen!

Geändert von Eisenvorhang (12.02.2018 um 23:22 Uhr)
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Alt 13.02.2018, 09:48   #6
juli
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Beiträge: n/a
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Hey eKy,

Was für ein Gewitter! Wow!

Ich finde Gewitter faszinierend, früher habe ich Blitze durch mein Dachfenster gesehen. Ich habe 1 mal ein Gewitter im Harz erlebt, das einzige im Gebirge, und es gibt einen Unterschied zum Norden. Durch die Trichter, Täler der Berge kracht es so richtig! Die Blitze zischen aber genauso wie hier.

Am Meer ballt sich ein Gewitter in der Ferne auf, doch kann es sich schnell nähern. Man ist froh, wenn man ein Dach über dem Kopf hat.

Deine aufgeführten Bilder habe ich mir alle angeschaut, diese haben mich auch fasziniert. Die Farben werden stärker und das Ballen von Wolken.... ir fehlen die Worte.... Ich muss wohl einen Hang zum Gewitter haben.

Ich mag auch, wenn es weiterzieht, damit ich zurückblicken kann, um mir zu sagen: Was für ein außergewöhnliches Naturereignis.

Außergewöhnlich ist auch der Dichter hier!

Sehr gerne aus der Ferne gelesen sy

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Alt 13.02.2018, 14:33   #7
Sufnus
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Gewitternochmal, gefällt mir richtig gut! Die metrische Struktur mit wechselnden 4- und 5-Hebern ist schön bewegt... passend zum Sujet und das Gedicht enthält etliche klangliche und sprachliche Perlen. Mich würde hier auch mal interessieren, in welcher Reihenfolge die Strophen entstanden sind... Strophe 3 und 4 finde ich besonders schön und Strophe 1 und 2 trumpfen sprachlich auf, dagegen kommt mir Strophe 5 etwas dazukonstruiert vor.

Die Strophe 1 und 5 verbindende Rahmenkonstruktion mit dem Himmelsrand ist zwar formal schlüssig, aber für mich funktioniert die letzte Strophe inhaltlich nicht so richtig, denn eigentlich ist (für mich, ganz subjektivst) bei der vorletzten Strophe angelangt schon alles gesagt...

Und Kleinigkeiten:
- Um zu vermeiden, dass beim Vortragen Ungeheuer nicht als ungeheuer (attributiv zu graue) verstanden wird (was zu einem seltsamen Bild von ungeheurem Grau führte), ist eine Zäsur an der Stelle des Kommas notwendig, die den Vortragsfluss etwas aufholpert.
- Das Wort Hügelwogen könnte (bis man zum Verb "fliehen" gelangt ist) die Wogen (Plural von Woge) oder das Wogen (Substantivierung von wogen) bedeuten, diese sich erst spät auflösende Doppeldeutigkeit ließ mich etwas straucheln.
- Ich ganz persönlich finde einen dreigliedrigen Ausdruck "willenlos, (sic!) entfestigt und verbogen" etwas schöner als die Erweiterung von entfestigt durch willenlos (kein Komma zwischen den Wörtern), weil durch die in der Dreier-Aufzählung entstehende kleine Sprechpause zwischen willenlos und entfestigt der Klang noch etwas schöner ist.
- Ein warmer Stall will mir subjektiv etwas anheimelnder erscheinen als warme Ställe (de gustibus... )
- Die Genetivkonstruktion "Eines Himmels Mördergrube" erzeugt, find ich, einen etwas sperrigen Sound.

Aus all dem ergibt sich mein Vorschlag (mit überfluteter Grammatik in den beiden letzten Zeilen... I know ... ):

Überm Rand der Himmel hängen
wutbeladen graue Grausamkeiten,
und aus ihren Mäulern drängen
Ausgeburten, die auf Wirbeln reiten.

Dunkelheiten überziehen
schon die Hügel, die bewegten Wogen
gleichend vorm Gebrause fliehen,
willenlos, entfestigt und verbogen.

Erste Blitze zucken lüstern
durch das wilde Brodeln und das Dräuen,
auf der Weide recken Nüstern
sich verängstigt und die Pferde scheuen.

Rasch hinein und in die Stube,
und die Tiere in den warmen Stall!
Himmelstränke, Mördergrube,
flutet, hohe Not, der Regenschwall.
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Alt 13.02.2018, 14:35   #8
Chavali
ADäquat
 
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Lieber Erich,

wortgewaltig lässt du uns an einem gewaltigen Unwetter teilhaben
Gut geschrieben zwar, aber (für mich) dieses Mal nicht ganz so lyrisch,
z.B.
Zitat:
Überm Rand [...]
und die Strophen 3 & 4.
Fast würde ich sagen, die brauchts nicht mehr.

Aber du konntest wohl nicht aufhören zu dichten angesichts der Naturgewalten...?


Lieben Gruß,
Chavali
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.02.2018, 17:21   #9
Erich Kykal
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Hi EVG!

Grimassen sind verzerrte Mienen, und die können durchaus bedrohlich verzerrt sein - schau nur mal einem Maori bei seinem Haka ins Gesicht!

Mit dem Komma nach "Stube" liegst du falsch, da DAVOR im Satz bereits ein "und" kam, und der Satzteil mit dem zweiten als angehängte Zusatzinfo ein eigener ist.

Dein Vorschlag mit Gemäuer macht die Zeile vierhebig: 4-4-4-5. Mein Hebungsschema für dieses Gedicht ist aber: 4-5-4-5. Bewusst so gewählt, um die aufgewühlte Unruhe der Stimmung wiederzuspiegeln.

Die "Regenwellen" finde ich nicht seltsam, dann müsste mir Hitzewelle auch komisch erscheinen. Zudem hatte ich das Wort "-wogen" schon in S2 verwendet, und ich wiederhole mich sehr ungern unwillentlich.


Hi Sy!

Auch bei mir sind die Kindheitserinnerungen an Gewitter am maßgeblichsten! Mit dem Dachfenster hattest du Glück - schon 2 Meter neben dem Blitzableiter kann der Blitz überall einschlagen, und so ein Dachfenster hält ihn schon gleich gar nicht auf!
Vor einigen Jahren hat's erst in einen Baum 10m neben meinem Haus eingeschlagen, ein Jahr später direkt ins Haus: Grillte mir alle Sicherungen, auch die Panzersicherungen außen am Haus, sowie die Telefonanlage! War beide Male ein Knall, dass man fast einen Herzstillstand hätte kriegen können!


Hi Sufnus!

In diesem Falle entstanden die Str. in der gegebenen Reihenfolge. Einzig mit der letzten Zeile bin ich nicht so ganz glücklich, da geh ich vielleicht noch mal dran. Allerdings wollte ich, sozusagen als schließende Wiederholung, das Bild von S1 nochmal am Ende anklingen lassen.

Bezüglich "schon nach S4 alles gesagt" bin ich anderer Ansicht. Diese Str. scheint mir als Conclusio inhaltlich zu wenig allgemein und griffig, als "Moral" sozusagen zu individuell. Da hängt mir der Erzählstrang noch zu sehr in der - gewittrigen - Luft!

Die "Ungeheuer" stören mich nicht, sie sind ja groß geschrieben, und ich bin keiner von den "Überkandidelten" , die diese "Bei-Gedichten-vorn-alles-groß-schreibe-Masche pflegen - ein nie endender Born vermeidbarer Missverständnisse für den genervten Leser!

Die "Ställe" sind dem Kadenzenschema geschuldet, das ich nicht durchbrechen wollte, sowie dem Reim auf "-welle". Auf Wall hätte es "Regenfall" oder "Regenwall" gegeben, aber das schien mir zu unbewegt, zu statisch.

Beim Komma nach "willenlos" folge ich deinem Gedanken.

Deine vierstrophige Version gefällt mir sehr, aber wie gesagt, ich wollte das Gedicht nicht mit der Beschreibung des Geschehens auf den Bauernhöfen beschließen.
Auch "Gebrause" klingt mir zum einen vom Wortklang her zu harmlos - und ich denke dabei eher an eine Duschkabine ... - okay, meine ganz subjektive eigene Macke!


Hi Chavi!

Dieses Gedicht ist aus Erinnerungen geschöpft - kein aktuelles Unwetter hier.

Das "Überm/-n" - ja, da gebe ich dir recht, das ist nicht so elegant. Aber ich wollte das optisch Überhängende, Erschlagende solch dräuender Wolkentürme ausdrücken, und wie sonst hätte das gehen sollen, wenn man dabei im gegebenen Takt bleiben will?

-------------------------------------------------

Euch allen vielen Dank für die wertvollen Gedanken und Ideen sowie den freundlichen Zuspruch! Dieses Werk ist sicher keine von meinen "absoluten lyrischen Großtaten", soviel ist klar - aber soweit ganz okay.

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (29.05.2019 um 12:38 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.02.2018, 17:33   #10
Eisenvorhang
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

"und die Tiere in warmem Gemäuer!"
XxXxXxXxXx

ist doch fünfhebig, oder? Genau wie Deine Zeile.

Wegen der Konjunktion! Da bin ich mir nicht so sicher... :P
Eben WEIL es bereits ein "und" gab, muss das Komma weg...

Ist auch egal - ich will ja nicht schulmeistern, sondern nur Gelerntes vertiefen!
Weswegen ich das auch hinterfrage, weil ich es lernen möchte.

Danke fürs Aufklären!

vlg

EV

Geändert von Eisenvorhang (13.02.2018 um 17:39 Uhr)
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