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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 19.02.2018, 16:16   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Familiengeschichte

In den Staub gemalte Zeichen:
Geister habe ich gebeten,
ins Lebendige zu reichen,
hundert Namen angerufen,
Leben über tausend Stufen,
winkelschief und ausgetreten,
aus den Kellern der Geschichte
hochgetragen nach dem Lichte,
aus Vergessen und Verdunkeln:
Zeichen, die im Staube funkeln.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (24.02.2018 um 09:09 Uhr)
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Alt 22.02.2018, 13:13   #2
juli
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Standard Moin Moin eky,

Deine Zeilen vermitteln trotz unklarer Aussage, Verzweiflung und Kummer. Nun ja es stimmt nicht ganz der Titel ist ja: Familiengeschichte. Und in eine Familie wird man hineingeboren. Vogel friss oder stirb.

Ich lese deine Zeilen als emotionale Lyrik.

Poesie, die Gefühl vermittelt, und weil es bei "Finster" steht, lese ich es so: Die Dunkelheit hat hier ihren Platz.....

Beeindruckend in seiner Kürze.

Sehr gerne gelesen sy

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Alt 22.02.2018, 22:53   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Sy!

Unklare Aussage? Der Titel sollte es eigentlich klar machen: Das Gedicht befasst sich damit, wie wichtig es für viele ist, ihre Ahnenreihe zu kennen, sich sozusagen in der Geschichte und damit im Sein zu verwurzeln.

Das LyrIch befasst sich mit seiner Familiengeschichte, zerrt Namen und Lebensgeschichten aus dem Vergessen, um sich so in den Staub (der Geschichte) einzuschreiben.

Allerdings vergisst es dabei, dass Staub eben nur Staub ist - und bleibt. Ich halte diese Ahnenkultivierung nämlich für falsch. Um sich im Leben zu erden, sollte man sich selbst erforschen, nicht die Daten und Taten lang vergangener Leben, deren einzige Verbindung zu eigenen Sein darin besteht, dass man von ihnen gezeugt wurde.

Für mich beweist solch eine Ahnenlastigkeit - so sie nicht religiös motiviert ist (was genauso falsch ist, aber aus anderen Gründen) - eher eine innere Unsicherheit und Schwäche, die sich unter einer Liste großer Namen oder Handlungen aus der eigenen Familienchronik verbergen möchte: Ein überkompensierter Minderwertigkeitskomplex!

Ich kenne meine Eltern und ein paar Verwandte, hauptsächlich Tanten. Was davor war in unserer Familie, hat mich nie interessiert - nur in den Staub gemalte Zeichen für jene, die einer Stütze bedürfen ...
Der Wind der Zeit verweht sie alle.

Vielen Dank für deine Gedanken! Mit diesem Hintergrundwissen sollte der Text nun verständlicher sein.

LG, eKy
__________________
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Alt 23.02.2018, 06:10   #4
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
Standard

Lieber Erich,

wäre es nicht schöner die vorletzte Zeile mit der drittletzten zu vertauschen?

Dass du inhaltlich Recht hast sieht man auch daran, dass uns die Kultur oft stärker prägt, als die Familie.

Liebe Grüße
Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.02.2018, 07:14   #5
Chavali
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Beiträge: 12.996
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Hi Erich,

den Vorschlag von Thomas würde ich unbedingt aufgreifen, es passt einfach besser, schau:
Zitat:
Zitat von Erich
....
aus den Kellern der Geschichte
hochgetragen nach dem Lichte
aus Vergessen und Verdunkeln:
Zeichen, die im Staube funkeln.
...
aus den Kellern der Geschichte
hochgetragen nach dem Lichte.
Zeichen, die im Staube funkeln
aus Vergessen und Verdunkeln.


Ansonsten eine interessante Sichtweise der Ahnenforschung und -bedeutung,
die nicht jeder teilen muss.
Wenn das LyrI das so sieht, wie du es hier verdichtet hast, muss man das akzeptieren.

Gern gelesen und darüber nachgedacht hat
mit lieben Grüßen
Chavi

__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.02.2018, 09:02   #6
juli
Gast
 
Beiträge: n/a
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Hi eKy

Ich tippe vom Handy. Mein PC geht nicht. du hast Recht. Jeder kann sich aus den Familienschatten erheben.

Weil am Anfang " Geister" habe ich deine Worte in die Richtung " Gefühl" hingewendet. Und Schande auf mein Haupt. Der Titel sagt es.

Liebe Grüße sy

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Alt 24.02.2018, 09:09   #7
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Thomas, Chavali!

Chavi, ich denke, Thomas meinte es so:

aus den Kellern der Geschichte,
aus Vergessen und Verdunkeln
hochgetragen nach dem Lichte:
Zeichen, die im Staube funkeln.

Damit kann ich mich anfreunden, das doppelte "aus" am Beginn macht nicht soviel aus, wie ich dachte.
Ich überlege noch der klanglichen Wirkung wegen, ob AABB hier nicht doch eindringlicher wirkt als ABAB, da letzeres mir die bündelnde phonetische Wirkung zur Conclusio hin doch wieder etwas zu streuen scheint, wie ich finde.

Ich überlege mir das ernsthaft.

Deine Version ist auch okay, aber die "Staubfunkel"-Zeile möchte ich unbedingt als letzte stehen haben. Zum einen, weil ich mit diesem Bild auch begann, und die Symmetrie verlangt, dass die Wiederholung dann alles auch schließt. zum anderen, weil dies die stärkste und wichtigste Zeile dieser Strophe ist und unbedingt als Höhepunkt die Conclusio bilden muss.
Alles danach Angehängte würde die Wirkung wieder abschwächen.


Hi Sy!

Die "Geister" sind hier keine Gespenster, sondern Phantome der Erinnerung, der Vergangenheit, einzig heraufbeschworen, um dem Beschwörenden Gewicht zu verleihen, Erdung und Rahmen. Wer würfe sich nicht stolz in die Brust mit einer edlen Ahnenreihe im Gepäck, einer Abstammung, die einem Würde und Größe verleiht, ob nun Lords darunter sind, Helden, Feldherren, Politiker oder berühmte Kulturschaffende? Letztlich aber vergeht alles, selbst die Erinnerung, alles nur Zeichen, in den Staub gekritzelt, und der Wind der Zeit wird sie irgendwann verwehen ...
Aber für den, dem sie wichtig sind, dürfen sie so lange funkeln, bis auch er vergeht.


Vielen Dank für eure Gedanken!

LG, eKy
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