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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 01.04.2018, 18:03   #1
Fenek
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 14.04.2010
Beiträge: 294
Standard Im Überraschungsei II

Im Überraschungsei

von der Straßenaufsichtsbehörde befand
sich lediglich die linke Vorderpfote,
abgetrennt vom fehlenden Kadaver.
Anhand jener identifizierten wir
den österlichen Wiedergänger.
Mit erschrockenem Blick hoben wir ihn
hervor aus dem Sumpf der Erinnerung,
aus den Blütezeiten im heiligen Schrein,
welcher dem neuen Streckenabschnitt
zum Opfer gefallen war und wo
er das Warnschild passiert hatte
mit der Aufschrift „Gefahrenstelle“;
war zwischen die Fronten geraten
auf den Streifen der verlorenen
Seelen zwischen Hasenmörder und
Jägerallee wurde er geschlagen, ans
Autobahnkreuz führte kein Weg vorbei.
Auffahrt und Abfahrt in dunkle Gründe,
in sich überschneidende Sonnenaufgänge,
matt- und plattgefahren, ohne Aussicht
auf gesellschaftliche Auferstehung,
ausgemustert liegt er neben der
Spur, standhaft den Daumen raus.
__________________
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Fenek)

Geändert von Fenek (04.04.2018 um 16:15 Uhr)
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Alt 03.04.2018, 16:20   #2
Sufnus
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Ein Gedicht über einen totgefahrenen Hasen am Straßenrand, überblendet mit österlichen Motiven - dem Osterei und der Passion und Auferstehung Christi ("Wiedergänger", "ans Autobahnkreuz geschlagen").

Kernthema des Gedichts scheint mir dabei die Verweltlichung (Banalisierung) der Lebenswirklichkeit: Selbst aus der Erweckung von den Toten wird nur mehr eine "gesellschaftliche Auferstehung".

Eine sehr gelungene Verdichtung wie ich finde! Das Superplusquamperfekt "passiert gehabt hatte" würd ich noch als minikorrekturmögliche Kleinigkeit herauspicken. Und beim Kreuzigungsmotiv wäre mir eine Anspielung ausreichend erschienen, die Doppelung (ans Kreuz geschlagen & am Kreuz gestorben) steht m. E. etwas in interner Konkurrenz zu einander.

Insgesamt wirklich sehr schön (soweit "schön" hier der richtige Terminus ist)! Den Schluss empfinde ich als besonders gelungen abgerundet - ein Bild ("Neben der Spur... den Daumen raus"), das - obwohl die Pointe beinahe berührend - doch weit mehr als anregender Doppel- denn als "dichtmachender" Abschlusspunkt wirkt.

Solcherlei zeitgemäße Lyriktöne würd ich durchaus gern mehr hier lesen!

Grüße,

S.

Nachtrag:
Ich seh grad, dass es sich um die extended version eines früheren Gedichts handelt... ich finde, es ist tatsächlich in der jetzt vorliegenden, erweiterten Fassung durchaus noch überzeugender gelungen!

Geändert von Sufnus (03.04.2018 um 16:48 Uhr)
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Alt 04.04.2018, 16:17   #3
Fenek
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 14.04.2010
Beiträge: 294
Standard

Danke, Sufnus, für die Befasse und Korrekturvorschläge, die ich übernehmen werde. Ja, noch am Grabe pflanzt er die Hoffnung auf, so Schiller. Daumen raus. Das Haserl erwartet vielleicht doch noch eine Himmelfahrt oder ein Ewiges Leben. Wer weiß.

LG Fenek
__________________
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