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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 06.01.2017, 09:40   #1
Kokochanel
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Geliebtes Land, Le Maroc

Ich wählte dich und lag in deinen Armen,
du stolzes Land des Oleanderschweren,
wo Strände im vergoldet Menschenleeren,
mich teilen ließen Reichtum aller Armen.

Ich schnupperte den Duft in den Basaren,
ich naschte Datteln, süß wie zartes Sehnen,
ließ mich des Wüstenwindes Traum entlehnen,
des warme Lüfte mir Liebkosung waren.

Du gabst so viel mir, warst mir lang Gefährte,
du Land, das pralle Herzlichkeit mir schenkte
und mich geheimnisvoll ins Leben lenkte.

Du schicktest mich auf meine eigne Fährte.
Du hast mich damals doch so viel gelehrt
- hast du dein eignes Wissen nicht vermehrt?

---

Was ist aus dir geworden, schönes Land,
das sich vergaß im Strudel einer Zeit,
wo alles, jedes wechselte sein Kleid
und das doch selbst Jahrzehnte stille stand?

Heut schickst du deine Kinder zu uns her,
die uns beleidigen und uns berauben.
Mein Herz kann das nicht sehen und nicht glauben
und trinkt sich an den Fernsehbildern leer.

Was ist geschehen? Große Freundin, sprich,
in deren Seele ich einst Freiheit fand.
Was ist geschehn, das nichts dem Bild mehr glich,

das meinte dich zu kennen, stolzes Land?
Der Salzsee flackert, wirft den Traum ins Blau:
„Du fremd Gewordne, schweige still und schau.“.

Geändert von Kokochanel (06.01.2017 um 10:35 Uhr)
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Alt 06.01.2017, 09:59   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Koko!

Aus deinen Zeilen spricht echtes Gefühl für das Land. Ich setze ein Land aber nie mit Menschen gleich, die dort leben. A-löcher gibt es eben leider überall ...
So gesehen enttäuscht mich dann nicht das Land, sondern nur die Menschen, von denen ich ohnehin zumeist nichts anderes erwarte. Allerdings sollte man sich bei überhöht idealisierten Ansprüchen hüten, allzu leicht den Stab über andere zu brechen. Aber ich schweife ab ...

Ein lyrisch sehr wohlgesetztes Werk! ein paar Tipps:

Erstes Sonett:

S1Z3 - Würde ich mit "wo" beginnen anstelle des "als".
S1Z4 - Die Verkürzung fällt auf. Altern: "mich badeten im Reichtum aller Armen."
S4Z3 - Den Bindestrich würde ich ans Ende der Vorzeile stellen.

2. Sonett:

S2Z4 - "Sich leertrinken" widerspricht sich. Altern.: "und schöpft sich an Fernsehbildern leer."
S4Z3 - "Du fremd Gewordene, schweig still und schau." - würde ich so schreiben, das spart die Verkürzung.


Sehr gern gelesen!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.01.2017, 10:57   #3
Angelika
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 07.11.2016
Ort: Berlin-Lichtenberg
Beiträge: 180
Standard

Liebe Kokochanel, ich kenne Marokko zwar nicht aus eigenem Erleben, weiß aber eine ganze Menge über die korrupte und wenig erfreuliche Monarchie, obwohl der derzeitige König unter großen Verheißungen angetreten war. Die sich ins Gegenteil verkehrten, Marokko zu einem autokratisch beherrschten Land machten. Verständlich ist es mir, dass Menschen aus Marokko fliehen, vor allem dann, wenn sie durch die reichen Deutschen Illusionen über Europa haben.

Durch deine Sonette gehen Wehmut und Trauer, die berühren. Es schmerzt, das positive Bild, das man von einem Land in sich trägt, korrigieren zu müssen.


Ich habe aber auch drei Anmerkungen:

Sonett 1, Quartett 2, Zeile 1: Das Wort "schnuppern" fällt aus der Stilebene des Kontextes heraus. Über das zarte Sehnen der süßen Datteln kann man geteilter Ansicht sein. Auf die "pralle Herzlichkeit" trift das zu "schnuppern" Gesagte ebenfalls zu.

Sonett 2, Quartett: Ich habe ein dummes Gefühl, wenn du auf die Domplatte anspielst. Denn erstens ist nicht gesagt, dass das Land diese Leute hergeschickt hat, zweitens werden das auch nicht die Leute sein, die dir bei deinem Besuch gefallen hatten. Und wenn du nur Flüchtlinge 1. Garnitur haben willst, ist das sicher eine etwas eingeschränkte Sicht auf Fluchtursachen. Mir zumindest war von Anfang an klar, dass die Flüchtlinge auch ihre Lebenssichten und Lebensgewohnheiten mitbringen; dass sie sie ablegen oder sich ans Hier anpassen können, das braucht Zeit. Es ist eben eine völlig andere als unsere Kultur.

Die Conclusio ist mir nicht ganz klar: Im Imperativ verlangst du, dass das fremde Land schweigen soll. Diese Aufforderung empfinde ich als zu weitgehend, steht uns als Deutsche doch überhaupt nicht zu, wir haben unsere eigenen Dreckecken. Das kannst du als Wunsch, als Vorstellung ausdrücken - als Aufforderung (was einem Befehl gleichkommt) finde ich es, auch wenn du das nicht beabsichtigst, ein bisschen "herrenmenschlich".

Den Korrekturen von Erich schließe ich mich an, außer zum Passus "das Herz an den Fernsehbildern leer trinken". Das ist ein Paradox, das mir hier im Kontext eigentlich ganz angebracht erscheint. Vielleicht müsstest du es lediglich verständlicher formulieren, vielleicht mit dem Wort "entleeren".

Angelika
Angelika ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.01.2017, 19:54   #4
Kokochanel
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Guten Abend, Erich,

dein Kommentar freut mich. Das "Wo" habe ich schon eingesetzt. In der Tat ist es passender.
Das "badeten " finde ich nicht so passend.
Das "Sich leer trinken" ist ein oxymoronähnliches Gebilde, was ich persönlich sehr stark finde. Der Widerspruch im Oxymoron selbst, die Absurdität, verstärkt das Hilflose, das die Zeilen unterlegt.

Die Schlußzeile ist die stärkste und bleibt in der Metapher.
Fremd Gewordene
/-/-- würde aus der Metrik fallen, da ne unbetont sein müsste.
Da nehme ich die Verkürzung in Kauf.

Du schreibst;
"Ich setze ein Land aber nie mit Menschen gleich, die dort leben. A-löcher gibt es eben leider überall ...
So gesehen enttäuscht mich dann nicht das Land, sondern nur dieMenschen...".

Da haben wir einen anderen, emotionalen Ansatz. Auch wenn ich hier die Metaphern der Natur wählte, um es poetisch rüberzubringen, so machen doch die Menschen in einem Land für mich das Land aus, das hier pars pro toto steht quasi....
Schon in unseren eigenen verschiedenen Bundesländern kann man einen unterschiedliche Umgangston und Habitus feststellen. Man fühlt sich irgendwo wohl, ich komme z.B. gut mit Norddeutschen klar, mit Bayern - selten mit Berlinern oder Menschen aus dem Raum Mainz. Da stimmt einfach die Wellenlänge nicht.

Insofern ist der Mensch es, der für mich ein Land zu dem macht, als das es sich darstellt und da spielt persönliche Enttäuschung gar keine Rolle. Es geht mir hier mehr um ein "entsetztes Mitfühlen und Fragen".
Ich denke, du hast emotional gut verstanden, worum es mir hier geht und dafür bedanke ich mich.

LG von Koko
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Alt 06.01.2017, 20:45   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Beiträge: 8.570
Standard

Hi Koko!

Ich rede dir nichts drein, wofür du dich nun entscheidest, aber dass mein Vorschlag metrisch unkorrekt wäre, dagegen verwahre ich mich :

Du fremd Gewordene, schweig still und schau.

Natürlich wird die letzte Silbe von "Gewordene" im natürlichen Lesefluss nicht wirklich stark hervorgehoben, aber derlei ist statthaft. Der Rhythmus bricht nicht, zumal auch die Kommapause direkt danach diese Silbe hervorhebt.

LG, eKy
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Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.01.2017, 13:38   #6
Kokochanel
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für mich hört sich die Metrik dann falsch an, aber wie gesagt- vielleicht Geschmacksache, Erich.
Lassen wir es einfach dabei bewenden.
LG von Koko
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