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Alt 31.12.2010, 13:24   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Kinder der Liebe

Ich war ein Kind! Die Tage waren Glocken,
an die ich schlug, und ihr Gesang war klar.
Vor seiner Tiefe wich ich nie erschrocken
in was geduldige Gewissheit war.

Ich war ein Kind, das sich am neuen Leben
versuchte wie ein Nestling sich am Wind,
und alles war, sich für mich hinzugeben,
war ich auch blind dafür, wie Kinder sind.

Ich war ein Kind, und alle Offenbarung
ein Augenblick nur im vertrauten Spiel,
das, wie den Hungernden ersehnte Nahrung,
mich weiterrief an ein erträumtes Ziel.

Ich war ein Kind, und ja, ich blieb es lange,
doch endlich reifte ich an jenen Grund,
in dem wir wurzeln, und aus dem wir bange
uns Kinder streuen übers Erdenrund.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (16.06.2014 um 19:38 Uhr)
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Alt 08.01.2011, 11:33   #2
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Beiträge: 4.893
Standard

Hallo Erich,

zu deinem Gedicht ( das wie immer metrisch und reimtechnisch einwandfrei dahinfließt) habe ich doch ein paar Verständnisfragen und Anmerkungen bezüglich der gewählten Formulierungen.

in was geduldige Gewissheit war
kommt mir irgendwie zusammengestaucht und beschnitten vor vor ( "in das, was geduldige Gewissheit war" gefällt mir aber auch nicht besser)
am besten gefiele mir hier : zurück in etwas, das Gewissheit war.

Ich war ein Kind, das sich am neuen Leben
versuchte wie ein Nestling sich am Wind


Zweimal sich, so knapp hintereinander? Ließe sich das zweite sich nicht durch irgendein anderes Wort ersetzen?

und alles hatte nur, es für mich hinzugeben

das kommt mir wirklich geschraubt und komisch vor - wer redet heute noch so?
weniger wär hier, glaube ich, mehr: und alles war nur da, sich hinzugeben

Strophe drei: perfekt! nix zu meckern!

Strophe vier: reifte an jenen Grund
ich weiß schon: heranreifen an....
Bei mir im Kopf klänge es natürlicher so: an jenem Grund, in jenem Grund.

Den Schlusssatz verstehe ich auch nicht ganz- was ist da gemeint?
Nachkommenschaft? Das würde der Titel vermuten lassen.
Das verwendete "uns" lässt aber auch die Assoziation zu : "Uns (selbst) wie Kinder zu streuen".

Die Conclusio lässt mich ein bisschen verwirrt zurück.
Kann man die solchermaßen "verstreuten" Kinder denn noch "Kinder der Liebe"?
nennen?
(Ich würd eher sagen, es sind Kinder der existentiellen Verzweiflung und der Lebensbangigkeit. Liebe hat für mich nämlich etwas mit Mut und Courage zu tun, zumindest braucht man das, wenn man sie großziehen will.)

Auf Auskunft wartend,
larin
a.c.larin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.01.2011, 14:21   #3
Erich Kykal
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Hi, larin!

Tja, das gute alte "geschraubte" Deutsch!
Kein Wunder, dass dem "modernen" Leser manche Floskeln oder Wendungen seltsam erscheinen: Die Sprache verarmt! Simplifizierung ist das Stichwort - meist, um effektiver zu sein, wirtschaftlich gesprochen. Darum scheint sich heutzutage ja alles zu drehen!
Z.B "..reifte an jenen Grund..." Ein simpler Akkusativ. Warum klingt er heutzutage "seltsam"? Schlimm genug, dass Dativ und Genitiv schon kaum noch akkurate Verwendung finden, oder - schlimmer noch - sogar von Fernsehansagern unkorrigiert verwechselt werden dürfen!
Das einzige, worin ich dir unumwunden recht gebe, das sind die beiden "sich" in einem Satz - das hat mir schon bein Schreiben nicht gefallen, aber die Alternativen, die mir einfielen, erschienen mir noch unschöner.
"in was geduldige Gewissheit war" - das erschien mir beim Dichten sogar gelungen, weil ohne Komma und daher flüssiger zu lesen! In punkto Grammatik habe ich - denke ich - da nichts falsch gemacht, es ist eher wieder die moderne Gewöhnung an die allgemeine Banalität, die dafür sorgt, dass sich derlei "seltsam anhört". Ich steh eben auf dieses verstaubte Deutsch, weil es soviel "barocker", reichhaltiger, kurz, schöner ist als das moderne "Kommunikationsmedium", zu dem unsere Sprache zu verkommen droht (diese Bezeichnung spricht, denke ich, für sich!)!
Es kommt eben auf die Sichtweise an. Jeder deiner Einwände ist aus Sicht des modernen Deutsch gerechtfertigt und lauter. Ein Goethe, Schiller oder Rilke würde dir sehr wahrscheinlich etwas ganz anderes erzählen. Ich rechne mich eben lieber zu jenen, die mir näher stehen als das "flurbereinigte" Moderne - auch, wenn ich mich nie mit ihnen zu vergleichen wagen würde (ich hoffe nach wie vor, dass dies andere für mich tun werden...hüstel, räusper...)!
Dennoch vielen Dank für deine Hinweise! Ich will versuchen, mich hinkünftig - wenigstens etwas - verständlicher auszudrücken!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
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Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.01.2011, 14:45   #4
horstgrosse2
Gedankenspringer
 
Registriert seit: 24.04.2009
Ort: Schönbrunn
Beiträge: 192
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@Erich


Hallo Erich ich darf? Manche Stellen lassen sich schwer lesen, verstehen. Nun das ist kein Manko.
Doch mit deiner ersten Strophe, die letzten zwei, da passe ich. Was ist: „seiner Tiefe“ Tage, Glocken, Gesang? Ich tippe auf Glocken, seiner Tiefe?


Zitat:
Ich war ein Kind! Die Tage waren Glocken,
an die ich schlug, und ihr Gesang war klar.
Vor seiner Tiefe wich ich nie erschrocken
zurück in was geduldige Gewissheit war.

oder:

Ich war ein Kind! Die Tage waren Glocken,
an die ich schlug, und ihr Gesang war klar.
Vor ihrer Tiefe wich ich nie erschrocken
denn ihre Reinheit sie war wunderbar.

Zitat:
Die angeführte Stelle:

Ich war ein Kind, das sich am neuen Leben
versuchte wie ein Nestling sich am Wind,“

Das doppelte „sich“ ist nicht aufgefallen.

Mögliche Änderung:

Ich war ein Kind, das sich am neuen Leben
versuchte, wie ein Nestling übt am Wind,

So, dass wars auch schon. Tschüss.
horstgrosse2 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.01.2011, 10:50   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Beiträge: 8.570
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Hi, horstgrosse2!

Das "seiner" in S1Z3 bezieht sich auf den Gesang in der Zeile davor!
Die Tiefe des Gesanges ist gemeint, vor der ich nie usw...
Ja, das ist schwierig in punkto Leseverständnis - aber machbar.

Die beiden "sich" sind mir sehr wohl aufgefallen, aber bisher habe ich noch keine alternative gefunden, die "klingt". Dein Vorschlag passt gut ins Metrum, aber das "übt" erschlägt mir die klangliche Wirkung der Strophe! Auch liest es sich deutlich "abgehackter", hat weniger "Fluss".
Ich bin am Drübergrübeln....

Vielen Dank für deine Tipps. Sie haben durchaus ihre Berechtigung.

LG, eKy
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