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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 17.03.2014, 16:37   #1
Chavali
ADäquat
 
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Standard Warten




Warten auf den frühen Morgen,
wenn die Nacht so finster ist,
auf die allbereiten Sorgen,
Streit und Kummer, Hinterlist.

Warten auf die helle Sonne,
wenn der Himmel trübe ist,
auf die Stunden voller Wonne,
deines Lebens Komponist.

Warten auf den kühlen Regen,
der die Welt von Staub befreit,
da auf allen diesen Wegen
Bitterkeit nach Hilfe schreit.

Warten auf die Sommerrose,
die in aller Pracht erblüht,
auf die lila Herbstzeitlose,
die den Winter kommen sieht.


Warten auf ein liebes Wort,
das den Tag erträglich macht,
träumen hin zum Zufluchtsort,
warten auf den Schlaf bei Nacht.

Warten, dass die Tage gehen,
auf das tiefe Abendrot.
Scheint das Leben stillzustehen -
warten auf den nahen Tod...






__________________
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© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*

Geändert von Chavali (22.03.2014 um 12:59 Uhr) Grund: ***
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Alt 17.03.2014, 19:16   #2
Dana
Slawische Seele
 
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Standard

Liebe Chavali,

ich las dein Gedicht mehrmals, weil ich hoffte, die Erschütterung würde nachlassen.
Nun war ich mittendrin. Ich "liebe lyrische Schwermut" () und dort, wo ich kann, versuche ich sie für mich und andere zu lindern, gar zu verhindern.
Genau das drückt für mich dein "Warten" aus. Der Mensch erträgt, wartet ab und lässt das "Erwarten" dabei fast aus.
Die letzte Strophe, so wahr sie auch ist, wirkte wie ein kleiner Tritt.

Eine sehr schöne lyrische Schwermut, die aber zugleich besinnlich "tretend" wirkt: "Folgeerscheinungen in schönen Metaphern - aber bitte nicht zwingend."

Du siehst, ich versuche mich aus der Schwermut zu hangeln.

Sehr schön und gut gemacht.

Liebe Grüße
Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 18.03.2014, 12:59   #3
juli
Gast
 
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Standard Liebe Chavali

Ich finde das das Gedicht aufrüttelt!
Die letzte S.
Zitat:
Warten, dass die Tage gehen,
auf das tiefe Abendrot.
Scheint das Leben stillzustehen -
warten auf den nahen Tod...
hat es in sich. Damit finde ich mich nicht ab....nach den 5 S., die lyrische Schwermut bedichten. Aber das mag an der Rubrik liegen, das ich mich damit nicht so abfinden möchte, denn warten auf den Tod, bedeutet das Leben zu verlernen.

Sehr gerne gelesen
sy
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Alt 18.03.2014, 15:59   #4
Chavali
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Standard

Liebe Dana, liebe sy,

das ganze Leben ist doch ein WARTEN - oder etwa nicht?
Ausgefüllt mit mehr oder weniger sinnvollen oder sinnlosen Tätigkeiten.
Das war meine Intention dahinter.

Das ERwarten mittendrin ist doch das, was uns am Leben erhält und weswegen wir das Leben lieben.

Und am Ende steht der Tod. Ob nun erwartet oder nicht - irgendwann ist er da.
Man will sich nicht damit abfinden, aber es ist so.

Also machen wir in der Zwischenzeit das Beste, das Allerbeste aus diesem Leben
Und verlernen wir nicht, glücklich zu sein.



Euch beiden liebe Grüße und ein großes Dankeschön für eure Gedanken zu diesem Text.

Chavali
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Alt 19.03.2014, 18:05   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Chavi!

Ein angenehm lyrisches Gedicht mit gehobener Sprache, das ich gerne gelesen habe.

Auf ein paar Details möchte ich aufmerksam machen. Entscheide selbst, wie zutreffend meine Sicht der Dinge jeweils ist:

Warten auf den frühen Morgen,
wenn die Nacht so finster ist,
auf die all bereiten Sorgen,
Streit und Kummer, Partnerzwist.

In Z3 kommt mir die Position des "all" etwas seltsam vor. Dort sollte es bestenfalls mit dem Folgewort zusammengeschrieben stehen: "allbereiten". Oder will es die NR anders? Wenn ja, eine absolute Verschlimmbesserung!

Was mich in dieser Str. aber wirklich aus der so schön generierten lyrischen Stimmung geworfen hat, ist das letzte Wort: "Partnerzwist". Obwohl du statt "Streit" die gehobene Variante "Zwist" wähltest, erscheint mir der Begriff in etwa so lyrisch wie "Partnervermittlung" oder "Eheberatung". Er wirkt zu "modern" für diese Art elaborierter Sprache, sticht unangenehm heraus, zumindest für mein Ohr.

Warten auf die helle Sonne,
wenn der Himmel trübe ist,
auf die Stunden voller Wonne,
nennt man dich auch Utopist.


Dasselbe hier: Eine hochlyrisch formulierte Strophe, und am Ende ein fremdsprachlicher Fachterminus wie aus einer trockenen Vorlesung über Politikwissenschaft oder so! "Utopist" passt einfach nicht in diese Art Lyrik, das reißt den Leser aus dem Duktus.

Warten auf den kühlen Regen,
der die Welt von Staub befreit,
wenn auf allen diesen Wegen
Bitterkeit nach Hilfe schreit.


Hier erscheint die Verwendung des "wenn" eingangs von Z3 seltsam. Wäre da ein "da" oder "wo" nicht passender? Worauf bezieht sich das "diesen" vor "Wegen"? Wäre "ihren Wegen", also jenen der Welt aus Z2, nicht nachvollziehbarer?

Warten auf die Sommerrose
die in aller Pracht erblüht,
auf die lila Herbstzeitlose,
die den Winter nach sich zieht.


Komma am Ende von Z1.
Alternative für Z4: "die den Winter kommen sieht." Deine Version impliziert, dass der Winter nur wegen der Herbstzeitlose folgt, und soviel wollen wir dem armen Blümchen denn doch nicht zutrauen!

Warten auf ein liebes Wort,
das den Tag erträglich macht,
träumen hin zum Zufluchtsort,
warten auf den Schlaf bei Nacht.


Hier bricht der bisherige Rhythmus der Kadenzen. S1-4 waren wmwm, diese nun hat durchgehend männliche Kadenzen.

Warten, dass die Tage gehen,
auf das tiefe Abendrot.
Scheint das Leben stillzustehen -
warten auf den nahen Tod...


Die letzte Strophe folgt wieder dem alten Kadenzenwechsel.


Wie gesagt: Ein insgesamt sehr gelungenes, lyrisches Werk mit weich fließender, melodischer Sprache und wunderbaren Bildern - bis auf die angesprochenen kleinen aber gemeinen Details, die ich der Gesamtwirkung zuliebe an deiner Stelle unbedingt nochmal überdenken würde.

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (19.03.2014 um 18:08 Uhr)
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Alt 22.03.2014, 11:30   #6
poetix
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Hallo Chavali,
da sprichst du wahre Worte aus: das Warten als Thema des Lebens. Erinnert mich ein bisschen an Herrmann Hesses Siddartha, der das Warten als eine seiner wichtigsten Fähigkeiten ansah. Die Anaphern unterstreichen das Warten auch auf der formalen Ebene. Sehr schön.
Viele Grüße
poetix
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Alt 22.03.2014, 12:53   #7
Chavali
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Servus Erich,

beim Schreiben der ersten Strophe des Textes war ich im Zeifel, hatte erst allbereiten stehen...
dann habe ich das Wort doch getrennt.
Du meinst nun, besser zusammen und das kommt auch mir gelegen.
Neue RS hin oder her

Partnerzwist und Utopist - eigentlich (und das dürfte keine Überraschung sein) sind dem Reim geschuldet.
Wenn ich jetzt kein anderes Reimwort finde, müsste ich entweder umschreiben oder es doch so lassen...
Wenn du (k)eine Idee hast...?

Strophen 3 und 4:
wenn wird ersetzt durch da und Komma auch, klar, das muss mir entfallen sein.
Schließlich bin ich ein Kommafreak
Für Z4 gefällt mir dein Änderungsvorschlag sehr gut. Gebongt.

Die Kadenzen in S5 lass ich so. Der harte Rhythmus ist gewollt

Zitat:
Ein insgesamt sehr gelungenes, lyrisches Werk mit weich
fließender, melodischer Sprache und wunderbaren Bildern
Danke für Lob und Kritik - habe mich wie immer sehr gefreut.




Hallo poetix,
Zitat:
da sprichst du wahre Worte aus: das Warten als Thema des Lebens.
Erinnert mich ein bisschen an Herrmann Hesses Siddartha, der das Warten als eine seiner wichtigsten Fähigkeiten ansah.

Die Anaphern unterstreichen das Warten auch auf der formalen Ebene. Sehr schön.
Danke. Deine Sichtweise auf den Text freut mich sehr



Liebe Grüße an euch beide,
Chavali





edit:


Erich, juhuu, ich hab Alternativen gefunden für die unpassenden Termini

1. Hinterlist
2. Komponist


Was sagst du???





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Geändert von Chavali (22.03.2014 um 13:01 Uhr)
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Alt 22.03.2014, 18:50   #8
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Wunderbar - das klingt wesentlich besser so! Gut gemacht - was Besseres wäre mir da auch nicht eingefallen!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
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Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.03.2014, 19:00   #9
Chavali
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Zitat:
Zitat von Erich Kykal Beitrag anzeigen
Wunderbar - das klingt wesentlich besser so! Gut gemacht - was Besseres wäre mir da auch nicht eingefallen!

LG, eKy
Danke!
Das freut mich

LG Chavali
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Alt 29.04.2014, 19:26   #10
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hi Chavi,

nun bleibt mir ja gar nichts mehr zum Meckern, nachdem ihr alles schon "glatt gebügelt" habt.
Tja, so ist es nun mal, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Bleibt mir also nur noch auf die inhaltlichen Dinge einzugehen.
Also worauf warten wir noch?

Prinzipiell ist das Leben eigentlich nur das Warten auf den Tod, wie es ja auch in der letzten Strophe anklingt.
Das will man sich natürlich so angenehm wie möglich machen, deshalb hat man auch Erwartungen und zwischendurch gibt es gar Dinge, die man nicht abwarten kann.
Gut raus ist derjenige, der sein Leben zu warten weiß, damit die "Funktionsfähigkeit" erhalten bleibt.

Wenn man allerdings bestimmte Ziele verfolgt, dann ist das Warten nicht immer angebracht, denn von selbst erledigen sich längst nicht alle Dinge.

Es gibt aber auch viele Sachen, auf die man gar keinen Einfluss nehmen kann und was bleibt da? Richtig, das Warten.

Wie dem auch sei, wir sollten uns diese ganze Warterei so erträglich wie nur eben möglich gestalten, denn das, was uns alle erwartet, wartet nicht, wenn die Zeit gekommen ist.

Ich finde auch, dass das Gedicht in einer angenehmen Sprachmelodie fließt, es hat mir gut gefallen.


Gerne gelesen, darüber nachgedacht und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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