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Ausflug in die Natur Natur- und Tiergedichte

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Alt 10.02.2018, 23:10   #1
Felix
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Ort: Hilden, NRW
Beiträge: 531
Standard Ilse, meine große Liebe

Kraftvoll vorwärts drängend war ich immer -
Ovakara, Prinz von eignen Gnaden,
nanntest du mich, schöne Principessa,
und mein Bett war stets für dich bereitet.

Komm zu mir und lös dein enges Mieder,
lass dich ohne deine Hüllen sehen,
wälz die moosbegrünten, schweren Felsen
weg von deinem tiefgekühlten Herzen,

auch das löchrig schmutziggraue Linnen,
wirfs beiseite, ausgefranst bedeckt es
kaum noch deine frostbeeisten Glieder.
Elischeva, folge meinem Winke,

hör mein, ach, so sehnsuchtsvolles Rufen,
flüchte dich in meine offnen Arme,
lausche mit mir, Liebchen, auf das Flüstern
erster Frühlingsblumen, lausche, Ilse,

horch, und lass das Rauschen deines Blutes
nie das Wispern zarter Stimmen übertönen.
Freundlich künden leise Glockentöne
unsre Frühlingshochzeit in den Bergen,

weltentrückt lass sie uns fröhlich feiern;
Traualtar sei uns der Ilsenstein und
Zeugen sollen alle Brockenhexen
sein und gern geseh’ne Gäste auf der

Feier der Verbindung Ovakaras,
Prinzgemahl und steter Vorwärtsdränger,
und der muntren, heiß geliebten Ilse,
Principessa aus dem Harzgebirge.
Felix ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.02.2018, 16:39   #2
Sufnus
Gast
 
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Standard

Ein Gedicht, dessen Titel mich erst einmal stutzen ließ: Ilse, ein ehemals sehr beliebter, heute altmodischer, vielleicht auch etwas provinziell anmutender Name in Verbindung mit hochgetönten Liebesbekundungen. Das ließ mich Spaßlyrik vermuten. Ein zweites Stutzen dann, weil ich dieses Gedicht nicht, wie angesichts des Titels zunächst vermutet, in der Sparte der Liebes- oder der Scherzlyrik vorfinde sondern in der Kategorie der Naturbeschreibungen. Ein interessanter Fall also.

Beim Lesen verstärken sich die Irritationen (auf eine gute Weise, ein Aufbrechen von Erwartungshaltungen): Keine konventionellen Endreime, dafür Assonanzen und Klangannäherungen und dazu eine formstreng gebundene Sprache in Serbischen Trochäen, einem alten Balladen-Metrum. Ein hoher Ton erfüllt das Gedicht, man fühlt sich an klassische Übersetzungen lateinischer Lyrik erinnert, und deutlich bestimmen erotische Bilder das Geschehen... Naturlyrik!?

Da ich in der Geographie des Harzes nicht bewandert bin, musste ich mich des mächtigen Internets bedienen und da zeigte sich, dass wir es hier auf der primären Ebene durchaus mit Naturlyrik zu tun haben: Besungen wird die Vereinigung der Flüsse Oker und Ilse. Erstere wurde erstmals unter den Namen Ovacra oder Ovakara erwähnt ("Ovakara, Prinz von eignen Gnaden"), letztere in Märchen und Sagen als kleine Prinzessin ("schöne Principessa") besungen. Dabei lässt sich Ilse auf den Vornamen Elisabeth (hebr. Elisheva) beziehen, daher also die Zeilen "Elischeva, folge meinem Winke".

Mit diesem Wissen liest sich das Gedicht - wie eine Kippfigur - mal als reine Naturbeschreibung (Bett = Flussbett usw.), mal als erotischer Hymnus. Ein Naturgedicht im Gewand eines Hochzeitsgesangs und umgekehrt.

Geändert von Sufnus (13.02.2018 um 16:58 Uhr)
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Alt 13.02.2018, 18:12   #3
Felix
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Registriert seit: 20.11.2016
Ort: Hilden, NRW
Beiträge: 531
Standard Ilse...

Liebe(r) Sufnus,
da freut sich der Autor, wenn er so einen klugen Kommentar bekommt! Danke!
Elischeva - toll das Du den jüdischen Mädchennamen erkannt hast, der auf Deutsch mit Elisabeth, verkürzt Ilse, übersetzt werden kann. Weshalb ich den jüdischen Vornamen genommen habe, verrate ich Dir auch: Es gibt zwei berühmte Harzbesucher: Heinrich Heine, der als Jude in Düsseldorf geboren ist. und Goethe, der sich nicht nur im Harz (Harzreise im Winter), sondern auch in Italien herum trieb - deshalb statt "Prinzessin Ilse" (wie das Flüsschen genannt wird) die italienische Form "Principessa" und die Erwähnung des Brockens, auf dem Goethe im Faust I die Hexen tanzen ließ (später verschämt als Walpurgisnacht christianisierend überdeckt).
Meine Absicht, das "Naturgedicht" mit realem Hintergrund (es ist landschaftlich einfach phantastisch, und wenn Du schon bei Google rum stromerst, dann hol Dir mal paar Bilder von der Ilse auf den Monitor) als gleichnishaftes Liebesgedicht zu vermitteln, scheint gelungen.
Herzlichen Dank!
Felix

Geändert von Felix (13.02.2018 um 20:01 Uhr)
Felix ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.02.2018, 19:51   #4
Sufnus
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Beiträge: n/a
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Freut mich, Dich erfreut zu haben!
Dir ist da etwas wirklich Hochoriginelles und ungemein Anregendes Gelungen!
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Alt 15.02.2018, 15:25   #5
Felix
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Registriert seit: 20.11.2016
Ort: Hilden, NRW
Beiträge: 531
Standard

Hallo Sufnus,
ich freue mich sehr über Dein Lob! Danke!
Liebe Grüße,
Felix
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