Mein Stammbaum

[Methusalem]

Mein Stammbaum
(taufrisch!)

Mein Stammbaum ist zum Herzerweichen:
Er zeigt nur kurz beweinte Leichen,
kein Pharao, kein Prinz dabei.
Nur still bedrückte Bauernbuben
mit Schweinekoben in den Stuben
und täglich düsterm Einerlei.

Das Mittelalter tat sie zwingen,
den Zehnten jährlich einzubringen,
es ging kein Weg daran vorbei.
Der eine wollte sich nicht fügen,
begann recht frech herum zu lügen,
der Herr befahl drum „Feuer frei“

Das Weib verschwand im Kriegsgetümmel.
Gefreit vom tölpelhaften Lümmel
blieb ihre Tochter vogelfrei.
Sie wandte sich beherzt gen Westen.
Trotz aller Mühsal und Gebresten
blieb fern sie jeder Neckerei

Am Ende wurde sie gefangen
und musste lang am Galgen hangen.
denn sie verfiel der Ketzerei.
Der hoch gestellte Herr der Äcker
entpuppte sich als Rechtsvollstrecker,
ihr Schicksal war ihm einerlei

Und so geht’s weiter ohne Ende,
die Kirchenbücher sprechen Bände
von Fron und böser Tyrannei.
Sie alle mussten sich verzehren
und konnten keinen Gulden mehren,
erlitten Not und Gängelei

Für mich gabs leider nichts zum Erben,
was übrig blieb, es waren Scherben,
kein Schweinebatzen und kein Ei.
Ich werde mich fortan begnügen,
mit frischem Witz und frommen Lügen,
wie heißts so schön? Mit Dichterei .

[Falderwald]

Hallo Methusalem,

na also, geht doch.

Und das in unglaublicher Geschwindigkeit.

Zitat von Methusalem

Aktuelles habe ich nicht. Ich werde mich hier inspirieren lassen.

Also wer sich einen solchen Text so schnell aus dem Ärmel leiern kann, der hat es doch nun wirklich nicht nötig, solch olle Kamellen wie "Einsichten" hervor zu kramen und zu veröffentlichen.

Der vorliegende Text ist geistreich und witzig und nimmt sich selbst, bzw. den Dichter gekonnt auf die Schippe.

Dann scheint es ja mit der Inspiration hervorragend funktioniert zu haben.

Der Text gefällt mir richtig gut, weiter so...


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

[Methusalem]

@Faldi:
Besten Dank für das Lob. Ich war selbst erstaunt, dass mir das Gedicht in kurzer Zeit gelang und Gefallen findet, das freut mich.
Gruß
Levi

[Dana]

Hallo Methusalem,

ein herzerweichender Stammbaum.
(Ich müsste ob der Ähnlichkeit überprüfen lassen, ob wir evtl. verwandt sind.)
Auch wenn wir uns hier für die "brotlose Kunst" entschieden haben - sie hat etwas, auf jeden Fall guten Humor.

Gefällt mir sehr,
liebe Grüße
Dana

[Methusalem]

@Dana: Meine neuen Versuche werden gelesen, das freut mich. Danke für dein Lob.
Gruß,
Levi

[Friedhelm Götz]

Hallo Methusalem,

Stammbaum gelungen, nur diese Zeile finde ich arg:

Das Mittelalter tat sie zwingen,

LG Fridolin

[Methusalem]

@Fridolin: Hast du eine Idee?
Levi

[Lailany]

Hallo Methusalem,
Dein Werk hat mir sehr gut gefallen. Trotz der Länge kein bisschen langweilig,
die 'altertümelnde' Sprache passt hier trefflich, besonders weil viel Optimismus eingeflochten und mit Humor gewürzt ist.
Ich stimme allerdings Fridolins Kritik zu, bei 'das Mittelalter tat sie zwingen' scheint auch mir ein wenig zu dick aufgetragen.
Eine Spontanidee:

und täglich düsterm Einerlei,

in pflichtbewusstem zähen Ringen (oder: durch harte Arbeit, zähes Ringen...
oder: durch harte Fron in zähem Ringen....)
den Zehnten jährlich einzubringen.

Ob Dir irgendwas davon ins Konzept passt, musst natürlich Du entscheiden.
Wie auch immer - ich war gerne hier zu Besuch.

HG und ein angenehmes OsterWE von
Lailany

[Methusalem]

@Lailany: Das Mittelalter muss vorkommen. Darum kann ich deine Vorschläge nicht einbauen, danke
Levi

[Friedhelm Götz]

Hallo Levi,

das Mittelalter kann bleiben, es hat mich auch nicht gestört, sondern "tat mich zwingen", vielleicht so:

Im Mittelalter war's beschwerlich,
den Zehnten aufzubringen jährlich.

LG Fridolin