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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 22.04.2010, 09:27   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Altstadt

Die alte Stadt liegt mauerschwer
auf ihrer lang erstickten Erde.
Darüber heiligt hoch und hehr
der Kirchentürme Trotzgebärde

die Dunkelheit der engen Gassen,
die sie umfangen wie ein Hort,
aus dem der Wohner Weh und Hassen
zu flüstern scheint. Ihr wundes Wort

weht von den Dächern in die Nächte.
Die Sterne fliehn und werfen stumm
verlornen Glanz in klamme Schächte,
doch deren Schatten bringt ihn um.

Die Häuser stehn wie Gräbersteine
in Reih und Glied. Ein dürres Licht
nimmt ihnen nicht das Ungemeine,
wo es aus schmalen Fenstern bricht.

Die alte Stadt steht nicht mehr auf,
wenn sie ein Morgen übersteigt.
Verschlossen wehrt der Tage Lauf,
was auch in ihren Nächten schweigt.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 24.04.2010, 21:44   #2
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber eKy,

ich kenne solche Stadtbilder - und sie werden immer mehr.

Du hast der Altstadt ein Gesicht gegeben, das zutiefst traurig stimmt.

Ob der Lyrikkunst kann ich mich aber vor Freude und Genuss kaum einkriegen.

Ich zeige dir wo:

Zitat:
Zitat von eKy
Darüber heiligt hoch und hehr
der Kirchentürme Trotzgebärde

die Dunkelheit der engen Gassen,
die sie umfangen wie ein Hort,
aus dem der Wohner Weh und Hassen
zu flüstern scheint. Ihr wundes Wort
Ich wäre bestimmt nicht auf diese Worte gekommen, weil ...
Aber ich habe sie relativ oft und liebend gern in alten Büchern gelesen.

Jede Strophe "heiligt" eine gekonnte Umsetzung.
Beinahe hätte ich gesagt: "Wie gut, dass es die Altstadt gibt."

Ein zauberhaftes Gedicht, trotz aller Traurigkeit.
Und .... es gibt noch Altstädte die ein schlagendes Herz und eine Seele haben.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 26.04.2010, 09:42   #3
Erich Kykal
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Hi, Dana!

Vielen Dank für deine lieben Worte! Was ich nicht beschrieben habe, ist der "Muff" der Jahrhunderte, der diesen Altstädten mitunter entströmt! Dieser Geruch nach Feuchte, Schimmel, verrottendem Holz und Mauerwerk, dieser spezielle Hauch aus eingesunkenen Dachstühlen und erdigen Kellern, der nie ganz wegzukriegen ist, egal, wieviel man auch renoviert und restauriert!

Meine Altstadt ist natürlich ein Stimmungsbild, wahrscheinlich an einem düsteren Regentag im Spätherbst, oder Samstag Nacht, wenn die Besoffenen in die Ecken kotzen und an die Wände pinkeln.
An einem freundlichen Sommertag, zwischen zwei Busfuhren Japanern auf Pauschaltreibjagd, mag es ganz anders aussehen...

LG, eKy
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Alt 26.04.2010, 20:24   #4
Dana
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Lieber eKy,
ich muss leider noch einmal -

Wenn etwas alt ist oder wird, dann ist es, wie es ist. Abgesehen von den Kotzern und Pinklern (ist in der Neustadt nicht anders ) - verändert das Alter das Äußere und Innere. Es bekommt Risse oder Falten, es duftet nicht, sondern es müffelt ein wenig.
Ich denke, wir haben nur verlernt, das als Tatsache hinzunehmen. Eine Tatsache, die zum Sein und Vergehen gehört.
Weder gilt es Altbauten zu pflegen und zu hegen noch das Alter als ehrenwert zu betrachten.
Ach, ich mag mich gar nicht auslassen. Es wäre endlos und die Gefahr, die Altstadt zu vermenschlichen oder zu verphilosophieren ist groß.
Wir belügen uns, wenn wir Fassaden des Alten erhalten (weil es chick ist) und darin alles per "Fernbedienung" neubauartig umgestalten.
Oma fährt Motorrad und Opa lässt sich die Brustwarzen piercen.
Man erlaubt sich im Abgang den Ausklang nicht mehr. Würden sich beide Seiten gegenseitig achten und beachten, könnte ein Miteinander entstehen, das Einsamkeiten (Klagen, Traurigkeiten) vertreibt und Frische, Fröhlichkeit und Jugend im Ganzen leben lässt.

Verzeih, ich bin abgedriftet - oder doch nicht?

Nein, ich bin alt und jung genug, um mir diesen Spagat noch zu leisten.

Gut, dass wir heute darüber reden.

Liebe Grüße
Dana
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(Frederike Frei)
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Alt 28.04.2010, 06:35   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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HI, Dana!

Ich verstehe deinen Standpunkt, auch wenn ich das "Menschenspiel" meistenteils zu wenig mitgespielt habe in meinem sozial minimalinversiven Leben.

LG, eky
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Alt 28.04.2010, 15:37   #6
Chavali
ADäquat
 
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Hallo Eky,

auch mich begeistert dein Stimmungsbild, das durch die Wahrnehmung des nachts noch verstärkt wird.
Jede größere Stadt hat wohl diese Ecken und ich meine, du hast das wunderbar beschrieben.
Ich las jüngst in einem anderen Forum, wie man auf Einzelheiten in deinem Gedicht auf unsinnige Weise einging.
Die Stimmung macht es, die Verdichtung der Worte und das lyrisch-poetische Flair.
Besonders gut gefällt mir Strophe 4:
Zitat:
Die Häuser stehn wie Gräbersteine
in Reih und Glied. Ein dürres Licht
nimmt ihnen nicht das Ungemeine,
wo es aus schmalen Fenstern bricht.
Ein schönes Stück Lyrikkunst.

Mit Gruß,
Chavali

__________________
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© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

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Alt 29.04.2010, 07:45   #7
Erich Kykal
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Hi, Chavali!

Dein Zuspruch erleichtert mich ein Stück weit, denn ob jener Kritik dachte ich schon, ich hätte vielleicht meinen "Touch" verloren. Schön zu wissen, dass ich es den meisten doch noch recht machen kann!

Vielen Dank und...

LG, eKy
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