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Alt 27.08.2009, 09:57   #1
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 14.03.2009
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Standard Untreu

Im Großen und Ganzen hätte ich mich wohl für einen zuverlässigen Menschen gehalten - sowohl in meinem eigenen Bedürfnis nach Sicherheiten, als auch in dem, sie anderen zu gewähren. Das war schon immer so gewesen und hatte sich als mir eigene Gewohnheit sehr bald herausgestellt.
Aber das Leben steckt voller Überraschungen und deshalb überrrumpelte es mich auch in diesem Punkt, uns alle, eigentlich. Vielleicht war ja auch der allzu schöne Sommertag ein klein wenig daran schuld gewesen.
Jetzt könnte man meinen: Ja, ja - Verführung aus Lebenslust und Leidenschaft, Übermut eben, das kennt man doch , aber nein, es war ganz anders gekommen mit IHM, denn ursprünglich war ich an diesem Sommertag ziemlich bedrückter Stimmung gewesen.
Unklar, warum: Es ging mir ja gut in meiner Ehe, auch mit den Kindern und beruflich war alles in bester Ordnung, aber diese lange, gleichförmige Stille der Sommertage rief mitunter Erinnerungen auf den Plan, die mir nicht angenehm waren. Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen.....
Unerledigte Geschäfte von früher, die an die Oberfläche und ins Bewusststein drängten, begannen mich zu quälen....Damit wollte ich mich auf gar keinen Fall beschäftigen! Ich steckte meine Nase also in ein gutes Buch und hoffte inständig, damit meiner schlimmen Stimmung nicht auf den Grund gehen zu müssen. Die Ursachen dafür kannte ich ja längst, sie waren nicht zu ändern......

In diesem Augenblick tauchte plötzlich ER auf der Bildfläche auf, wie gesagt, völig überraschend. Mit geschmeidigen Schritten ging er den Gartenzaun entlang, hocherhobenen Hauptes, Zoll für Zoll selbstbewusste Männlichkeit und sein rabenschwarzes Haar glänzte verführerisch in der Sonne.
Und dann kreuzten sich unsere Blicke.....

Ich schwöre es - noch hatte ich gar nichts im Sinne, denn eigentlich war ich ja mit meinem bisherigen Leben zufrieden, wenn also nicht die Melancholie dieses Sommertages gewesen wäre.....Ich legte mein Buch zur Seite, lächelte zu IHM hinüber und sagte, ein wenig keck: "Hallo, mein Schöner, hast du nicht ein bisschen Zeit für mich?"
Und das wars auch schon, ich schwörs, mehr brauchte es nicht zu sein - schon flog der Funke über..... Irgendwie schien er ja auch bereits darauf gewartet zu haben, denn er blieb sofort stehen, ja, jetzt entsinne ich mich genau: Er war an diesem Tage bereits mehrmals an unserem Gartenzaun entlang geschlichen und hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet, nun aber öffnete er kurz die Lippen, sagte jedoch nichts, sondern kam einfach, Schicksal, das ER für mich war, auf mich zu.....
Schönheit ist eine Droge, der man sich nicht entziehen kann...

Ich mochte meinen Alten ja, schon aus langer Gewohnheit und weil er immer so überaus geduldig, zärtlich und aufmerksam mit mir gewesen war. Die Jahre an seiner Seite hatten mich ausgeglichen gemacht, ich hielt mich für wunschlos, so dachte ich zumindest, aber was da jetzt in mir hoch brandete, erzählte von Gefühlsregungen, die ich zu fürchten gelernt hatte....

Etwas völlig Unberechbares war in mein Leben getreten und mir bebte das Herz, wackelten die Kniee und meine Haut schien plötzlich dünner zu sein als das dünnste Seidenpapier, so wie damals, so wie damals, ganz genau so...
Ich musste IHN bei mir haben, musste IHN an mich drücken, musste IHM mit beiden Händen durch sein tiefschwarzes Haar streichen. Eine Woge von Empfindungen raste über mich hinweg, durch mich hindurch - Sinn und Sinnlichkeit verliefen sich in Eines und wischten fort die Nebel trauriger Erinnerungen .....
Wo war ich denn plötzlich? Noch hier auf Erden oder schon draußen im Weltenraum, wie von machtvoller Zauberhand hineingeschleudert in das Zentrum meiner Existenz.....?
Und ER? Er ließ es einfach geschehen, gelassen und mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte er bereits alles von mir, über mich gewusst, und das seit jeher...

Ich genoss das Beisammensein mit ihm, genoss es in vollen Zügen, wollte ihn kaum gehen lassen, als die Zeit um war, beglückt und verwirrt zugleich, dankbar und erfüllt und auch schon wiederum nach mehr verlangend, mehr und mehr, und immer noch mehr.....

Und gleichzeitig hatte ich ein ziemlich schlechtes Gewissen.
Wie konnte ich das meinem Alten antun? Dass ich einem Fremden den Vorzug gab, einem, den ich kaum kannte, einem, von dem ich nichts wusste, einem, der sichs nicht erst verdienen musste, der mich kampflos gewinnen durfte, weil alles, alles, alles für IHN schon bereitlag, wie seit Urzeiten vorherbestimmt, einfach so.......

Warum ausgerechnet öffnete sich hier mein Herz mit aller Begehrlichkeit und ermöglichte der alten Wunde, zu heilen?
Es war nicht fair!
Aber ist Liebe jemals fair gewesen?
Und ist Gott Liebe?
Dann spielte er jetzt mit mir! Spielte mit mir, spielte mit IHM, spielte mit allen!
Und wir mit ihm.
Es war einfach nicht fair, keine Frage.

Wieso musste das ausgerechnet mir passieren?
Schönheit ist eine Droge, die allen vernünftigen Argumenten widerspricht.

ER kam schließlich öfter.
Immer wieder. Zuerst heimlich, in Abwesenheit des Anderen. Dann wurde er immer dreister. Er kam vor dem Frühstück, dann, wenn ich nachmittags meinen Kaffee trank, während der Gartenarbeit, nach dem Einkaufen, abends, zur Fernsehzeit, unlängst blieb er über Nacht.
Natürlich hat er mein Bett erobert, was denn sonst?

Ich kann mich nicht mehr von IHM trennen.
Und habe ein schlechtes Gewissen dabei, wegen dem Anderen.
Meine Kinder sagen, ich sei eine Verräterin. Das ist hart.
Dabei sind sie doch schon fast erwachsen!
Aber ich werde mit ihrem Urteil leben müssen.

Vielleicht kann ich die beiden ja auch an einander gewöhnen.
Mein Mann knirscht zwar gehörig mit den Zähnen, aber irgndwie werd ichs ihm schon noch beibringen.
Kann doch auch ganz nett sei, so eine Ehe zu viert:
Mein Mann und ich - und die beiden zuckersüßen Kater....
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
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