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Ausflug in die Natur Natur- und Tiergedichte

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Alt 31.03.2017, 09:25   #1
Kokochanel
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Standard Ein Fleck

Ein Fleck

Ich schaue auf das weite, brache Land,
das wellenförmig aufgerissen, wund,
als wäre jedes Loch ihm wie ein Schlund,
den Morgen frisst und niemals Nahrung fand.

Ein Rittersporn erblüht so seltsam karg,
er hatte sich den kühnen Platz erkämpft
an diesem Fleck. In Farben wie gedämpft
umschlingt das Unkraut ihn fast wie ein Sarg.

Der größte Golfplatz hier seit allen Zeiten,
Vergessenes, verwildert patiniert.
Ein grüner Fleck, der weiße Westen ziert

als ein Relikt der Menschen Eitelkeiten.
Verlassenes, das doch nicht resigniert,
und über ihm sieht man Milane gleiten.
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Alt 31.03.2017, 10:20   #2
Chavali
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Hui liebe Koko

das ist ja ein feines Teil! Gefällt mir außerordentlich!
Der Inhalt deines Sonettes spricht für sich.

Du hast in lyrisch-poetischer Weise die Versnobtheit und den Egoismus der Reichen und Golfer
aufs Korn genommen.
Wie es drumherum aussieht und ob die Natur blutet, ist ihnen egal.
Hauptsache,
sie können ihrer Sucht frönen und sich zeigen mit womöglich dicken Klunkern an den Fingern.


Lieben Gruß,
Chavali

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Alt 31.03.2017, 17:11   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi koko!

Schönes Sonett - der verwilderte Golfplatz, wir sprachen darüber.

Schön gelöst, bloß S1 erscheint mir ein wenig verworren - oder zumindest überkomplex formuliert:

"Ich schaue auf das weite, brache Land,
das wellenförmig aufgerissen, wund,
als wäre jedes Loch ihm wie ein Schlund,
den Morgen frisst und niemals Nahrung fand."

Ich würde das verschluckte HZW in Z2 einfügen und Z4 klarer formulieren: Frisst hier der Morgen die Löcher - oder fressen die Löcher den Morgen, aber mit einem falscherweise verschluckten bestimmten Artikel vor dem unbstimmten? Nämlich: "... wie ein Schlund, der den Morgen frisst und ...".
Die Mitvergangenheit am Ende von Z4 passt so auch nicht so recht dazu ...

Was hältst du davon:

Ich schaue auf das weite, brache Land,
das wellig aufgerissen scheint und wund,
als wäre jedes Loch darin ein Schlund,
der jeden Morgen frisst, wo er ihn fand. (oder: "der jeden Morgen tötet, der ihn fand.")


Sehr gern gelesen!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 31.03.2017, 17:45   #4
Chavali
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Liebe Koko,
mir scheint, ich habe den Golfplatz falsch interpretiert - wenn ich mir Erichs Kommentar ansehe.
Da war ich wohl auf der falschen Fährte
Naja, kann passieren, denke ich.

Jedenfalls gefällt mir das Gedicht immer noch, auch nach mehrmaligem Lesen.
Erichs Idee für Strophe 1 scheint mir tatsächlich eine klarere Aussage zu bringen.

Lieben Gruß nochmal,
Chavali
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Alt 31.03.2017, 19:36   #5
Stachel
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Die erste Strophe erscheint mir grammatisch recht klar und eindeutig:

"Ich schaue auf das weite, brache Land,"

Dieses Land frisst den Morgen. Es frisst nicht nur diesen, sondern vermutlich auch jeden anderen Morgen, fand jedoch niemals Nahrung.

"Ich schaue auf das weite, brache Land, das den Morgen frisst und niemals Nahrung fand."

Das Land frisst auf wellenförmig aufgerissene Weise und in einem wundem Zustand.

"Ich schaue auf das [...] Land, das wellenförmig aufgerissen, wund, den Morgen frisst [...]".

Vielleicht ist "wellenförmig aufgerissen" ebenfalls nur eine Zustandsbeschreibung des Landes. Das ändert jedoch nichts an den anderen grammatischen Bezügen und ist ähnlich sinnhaft.

Der Golfplatz enthält Löcher und jedes dieser Löcher erscheint einem Schlunde gleich.

"[...] das Land, das wellenförmig aufgerissen, [...], als wäre jedes Loch ihm wie ein Schlund, den Morgen frisst [...]".

Das Bild des Morgen fressenden Platzes mag kurios erscheinen, aber ich finde es originell und von den Bezügen der Satzteile her stimmig.

Ein verwilderter Golfplatz erwacht zu neuem Leben, lässt vergangene Eitelkeiten hinter sich. Die neue Erhabenheit entsteht nicht durch hinüberschreitende weiße Westen, sondern durch hinübergleitende Greifvögel, ebenfalls die Spitzen ihrer Nahrungskette.

Ich bin allerdings noch nicht hinter V11 gekommen. Warum ziert der grüne Fleck weiße Westen? Auch oder gerade im Zusammenspiel mit V12, als Relikt der Eitelkeiten, sehe ich den Zierrat nicht mehr als solchen. Sollte es eigentlich "zierte" (Vergangenheit) heißen? In dem Fall würde ich ein Apostroph zur Tempusunterscheidung ans Ende setzen.

Freundliche Grüße von
Stachel
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Alt 02.04.2017, 10:50   #6
Kokochanel
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Guten Morgen, Ihr Lieben,

ich danke euch für die nachhaltigen Kommentare

@Chavi
ich freue mich über dein Lob und du hast das Gedicht genau richtig erfasst. Es geht hier nicht nur um eine "Naturbeschreibung", sowas schreibe ich ich so gut wie nie. Sie steht auch hier als Symbol.

@ Erich und Stachel

Da Stachel es genau auf den Punkt gebracht hat, lieber Erich, nimm bitte, da ich seinem Kommentar vollkommen zustimme und mich gut eingeschätzt fühle, seinen als Antwort von mir. Ich danke dir für deine Gedanken und dein Lob.

@Stachel

Ich freue mich sehr, dass du die Bezüge genau so erkannt hast wie ich sie haben wollte. Die Bilder so zugeordnet, wie ich sie stellen wollte. ich kann also deinem Kommentar nur beipflichten.
Das "ziert" ist eigentlich ironisch gemeint. Ein Fleck auf der weißen Weste derer, die die Natur verunstaltet haben und da der Investor ausfiel, das Ganze einfach als Baustelle zurückgelassen haben. Er wird ihnen immer auf ihrer Weste bleiben.
Danke für deine genaue Analyse, die zutrifft.
LG an euch drei von Koko
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Alt 02.04.2017, 11:11   #7
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Ein beeindruckender Text, liebe Koko,

mit einem die Menschen in ihrer Selbstverliebtheit entlarvenden Thema, das zugleich aufzeigt, dass wir angesichts des herrlichen Eigensinns der Natur doch nur Schnappschüsse unserer eigenen Eitelkeiten zustande bringen. Das gefällt mir umso mehr als es ganz ohne erhobenen Zeigefinger geschieht!

Ich gehe mit meinem Hund manchmal an einem Golfplatz entlang...sozusagen in der "Gstättn" dahinter, wo man genau sieht, wie Golfrasen ausfranst und von Auwald wieder übernommen wird. So eine Art Grauzone zwischen zwei Arten von "Natur" - der menschgemachten, fragilen und der wildwuchernden voll widerborstiger Kraft.

Stachels hervorragender Interpretation mag ich mich nur zu gerne anschließen. Der Golfplatz mit den Löchern und Hügeln (Wellen), der ständig frisst und niemals satt wird...ein toll gewähltes Bild für die menschliche Anmaßung "Natur" selbst zu erschaffen.

Der Zeitensprung in S1Z4 stört ein klein wenig, ich verstehe aber, dass du ihn so gewählt hast. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass du beim Einstiegsbild des beobachtenden LyrIch bleibst, das ja einen momentanen Gedanken zu einer Beobachtung formuliert und dann könnte man es auch so formulieren:

Zitat:
Ich schaue auf das weite, brache Land,
das...

...den Morgen fraß und doch nicht Nahrung fand.
Es handelt sich ja um den Eindruck und die Gedanken LyrIchs an diesem einen Tag. Dass das Land auch weiterhin die Morgen fressen wird um dennoch nicht satt zu werden, ist ohnehin klar.

Was meinst du?

Ich habe dein Gedicht sehr sehr gerne gelesen! Das hallt nach und hinterlässt Spuren bei mir. Nicht nur, weil es mir aus der Seele schreibt, sondern auch, weil es richtig richtig gut gemacht ist. Und Milane mag ich sowieso sehr.

Lieber Sonntagsgruß,
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Alt 02.04.2017, 11:48   #8
Kokochanel
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ich danke dir, liebe Fee, für deine Gedanken und das dicke Lob.
Es freut mich, dass dich das Werk emotional so angesprochen hat. Im Moment habe ich viel im Garten zu tun, auch da holt sich die Natur gerne etwas zurück.
Aber nächste Woche werden wir sicherlich wieder eine Radtour machen, dann kommen wir an dem Platz wieder vorbei. Mal sehen. Vielleicht schreibe ich dann noch ein Folgegedicht, je nachdem wie es dort aussieht.

Dein Vorschlag ist einer meiner antithetischen "Lieblingsformulierungen", darum wollte ich ihn diesmal mal nicht benutzen da " und doch nicht..." findet sich in einigen meiner Werke. Na, mal sehen...

LG von Koko
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Alt 03.04.2017, 10:36   #9
juli
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Liebe Koko,

Ich bin ein wenig spät hier und habe die Kommentare nur spordisch überfogen. Dennoch will ich dir sagen, das mir der verwiderte Golfplatz gefällt.
Die Natur nimmt sich ein Stück Wildnis zurück ( das ist mein Thema, sowas finde ich immer super!) Ich weiß sowieso nicht, warum der Mensch auf einen Ball mit einem Schlager drischt, damit er in milimetergerechte Rasenfasern fallen kann, oder in einen künstlich erzeugten Sandbunker um dort zu versinken

Man kann auch einfach so auf einen Ball dreschen, mit dem Fuß, von mir aus auch mit einem Schläger und ich die Natur ballern. ( wenns denn hilft ) du merkst ich bin kein Golffan.

Freundliche Wiesengrüße von sy

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