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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 10.04.2017, 19:12   #1
Dana
Slawische Seele
 
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Beiträge: 5.637
Standard Grundlos traurig?

.
.

Eine Traurigkeit, die keine
ist im eigentlichen Sinne;
muss ich, wenn ich sie beweine
in der Stube ganz alleine,

ab und an zum Spiegel gehen,
der mir zeigt, was er nicht sollte.
Niemand darf die Tränen sehen,
weil ich ja nicht weinen wollte.

Doch die dick geschwoll'nen Lider
meiner Augen sind mir peinlich.
Weinen muss ich immer wieder,
bin mir selber fast unheimlich.
.
.
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 10.04.2017, 20:23   #2
Thomas
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Standard

Liebe Dana,

das Fragezeichen in der Überschrift spricht Bände, sehr gut!

ich würdes statt "Der zeigt mir" sagen "Der mir zeigt", weil mir das Verb auf dem Ton angemessener erscheint.

Liebe Grüße
Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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Alt 10.04.2017, 20:39   #3
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber Thomas,
danke für "Bände" und für den Tipp zur Umstellung.
Das Leben spricht Bände, Gedichte deuten an und...

Liebe Grüße,
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 10.04.2017, 22:41   #4
Eisenvorhang
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Hallo Dana

Dein Gedicht lese ich immer wieder durch, weil es etwas in mir auslöst, dass ich nicht zu benennen weiß.
Mit Kritik bin ich vorsichtig, weil mir die handwerkliche Theorie noch fehlt.
Aber emotional bewegt es viel und ich weiß nicht in welche Richtung.

Für mich drückt es viel Leere aus aber auch ein Suchen; ein Suchen nach Erklärungen, damit der innere seelische Raum mit Gedanken gefüllt werden kann.
Leere im Sinne von Verlorenheit, Aufgeschmissenheit und einem Hinterfragen.
Als wäre es eine panische Situation, die der Zufall gebiert, das situative Unüberwindbare.

Bilder ohne Worte.

vlg

EV
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Alt 11.04.2017, 11:13   #5
fee_reloaded
heimkehrerin
 
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Ein sehr mutiges Gedicht, liebe Dana,

denn es berührt viele Ebenen und Ursachen des Traurig-Seins zugleich.
Es wird ja kein Grund angeführt im Gedicht - LyrIch und Leser stehen dem plötzlichen Anfall von Traurigkeit also gleichermaßen hilflos gegenüber.

Und genau so fühlt es sich ja auch an - es bricht über einen herein; sei es nun, weil etwas zu lange verdrängt wurde und unterbewusst in einem schon länger gärte, sei es schlicht ein Tag, an dem der Hormonhaushalt (aufgrund von Stress oder Pubertät, Wechseljahren oder anderen biologischen Gründen) schlicht in Richtung Traurigkeit gekippt ist. Das Resultat ist dasselbe: man heult und sieht sich irgendwie selbst dabei zu. Ratlos und irritiert.

Klar löst das Scham (und auch ein wenig Besogrnis) aus - man hat ja sichtlich die Kontrolle verloren und "schwächelt" heulend vor sich hin. Tatsächlich kennt aber fast jeder solche Phasen, behaupte ich. Man spricht nur nicht davon. Man will ja schließlich nicht zu den Grufties und Emos in eine Ecke geschoben werden. Die Traurigkeit zu umarmen und anzunehmen ist nun einmal etwas, das von der Gesellschaft noch immer nicht als "gut und richtig" angesehen wird. "Augen zu, Rücken grade und durch", sich "nicht gehen lassen", "kein Trauerkloß sein",...das sind nur einige der Mottos an die sich meistens geklammert wird, damit man sich dem Beunruhigenden der Trauer und Traurigkeit nicht stellen muss.

Tatsächlich aber halte ich Trauer und Traurigkeit für ebenso notwendig und "lebendig" wie all unsere anderen Gefühlsregungen. Sie gehören zu uns wie das Lachen und die Freude. Sie machen uns "ganz". Schade eigentlich, dass man sich dafür aber immer noch schämen "muss". Auch ich gehe zum Heulen ins stille Kämmerchen. Man will ja keine Schwäche zeigen vor anderen (oder sie peinlich berühren). Oder?

Ich glaube; gäbe es die Tabuisierung der Traurigkeit nicht, wäre sie für alle auch leichter zu ertragen und rascher zu verwinden. Würde die Gesellschaft lernen, hinzusehen, zu ertragen und Empathie zu pflegen, gäbe es viel weniger Traurigkeit (da sie rascher - weil nicht alleine - zu überwinden wäre). Nur mal so als mutige These in den Raum gestellt.

Ein toller Text, der - wie du siehst, liebe Dana, viel in mir angestoßen hat.

Sehr gerne gelesen!

Lieber Gruß,
fee


PS: in S3Z2 ist ein "sind" zuviel
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"Du musst, wenn du unser Glück beschreiben willst,
ganz viele kleine Punkte machen wie Seurat.
Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.”

― Peter Stamm, Agnes
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Alt 12.04.2017, 17:10   #6
Dana
Slawische Seele
 
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Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
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Hallo Eisenvorhang,

Zitat:
Zitat von Eisenvorhang
Mit Kritik bin ich vorsichtig, weil mir die handwerkliche Theorie noch fehlt.
Erst eine Weile nach dem Posten habe ich selbst einige "Ungereimtheiten" bemerkt. Da der Text aber wie von selbst stand, habe ich ihn so gelassen.

Ich hatte für mich selbst eine bestimmte Situation im Kopf, die sich mal ausgebreitet und dann wieder "zusammengezogen" hat.
Insofern lässt sich auch die emotionale Wirkung auf Dich nicht einfach erklären. Vielleicht ist auch bei Dir etwas ganz Eigenes hochgekommen.
Vielen Dank für Deine Gedanken,
liebe Grüße
Dana


Liebe fee,

Dein Kommentar ist einfühlsam und tut schon fast "wohl" vom Verständnis her und vom Umgang mit Traurigkeiten.
Ganz besonders hier:

Zitat:
Zitat von fee
Tatsächlich aber halte ich Trauer und Traurigkeit für ebenso notwendig und "lebendig" wie all unsere anderen Gefühlsregungen. Sie gehören zu uns wie das Lachen und die Freude. Sie machen uns "ganz". Schade eigentlich, dass man sich dafür aber immer noch schämen "muss". Auch ich gehe zum Heulen ins stille Kämmerchen. Man will ja keine Schwäche zeigen vor anderen (oder sie peinlich berühren). Oder?

Ich glaube; gäbe es die Tabuisierung der Traurigkeit nicht, wäre sie für alle auch leichter zu ertragen und rascher zu verwinden. Würde die Gesellschaft lernen, hinzusehen, zu ertragen und Empathie zu pflegen, gäbe es viel weniger Traurigkeit (da sie rascher - weil nicht alleine - zu überwinden wäre). Nur mal so als mutige These in den Raum gestellt.
Mit guten Freunden und mit sehr nahen Menschen wendet man "diese These" manchmal schon an und staunt, wie wunderbar es klappen kann. Z.B. kann man sich ausweinen und schon nach kurzer Zeit schallend über andere Dinge lachen. Menschen, die nicht mitfühlen können, be- und verurteilen zu schnell die traurige Seite. Für sie ist sie einfach nicht echt oder nicht erklärbar.
Noch tragischer wird es, wenn man die Traurigkeit nicht benennen kann. Das Unverständnis wird noch drastischer und der/die Betroffene flüchtet automatisch in die "Unsichtbarkeit".....

Danke Dir.
Liebe Grüße
Dana
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Alt 13.04.2017, 14:30   #7
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heimkehrerin
 
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Ort: im schönen Österreich
Beiträge: 389
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Zitat:
Zitat von Dana Beitrag anzeigen

Liebe fee,

Dein Kommentar ist einfühlsam und tut schon fast "wohl" vom Verständnis her und vom Umgang mit Traurigkeiten...

...Menschen, die nicht mitfühlen können, be- und verurteilen zu schnell die traurige Seite. Für sie ist sie einfach nicht echt oder nicht erklärbar.
Noch tragischer wird es, wenn man die Traurigkeit nicht benennen kann. Das Unverständnis wird noch drastischer und der/die Betroffene flüchtet automatisch in die "Unsichtbarkeit".....

...
Danke Dir.
Gern geschehn, liebe Dana!

Nachdem ich inzwischen - durch meine Hormonerkrankung bedingt - auch Erfahrung habe mit Traurigkeit (bis hin zu Panik und Angst), die dich einfach anspringt, so ganz ohne Grund (und einfach nur, weil dein Körper jetzt mal beschließt, er will dich heute heulend und zähneklappernd haben), weiß ich natürlich um das Stigma, das dem offen Trauernden von der Gesellschaft angeheftet wird und um die eigene Ratlosigkeit, da man auch noch das Gefühl hat, man bliebe der Außenwelt eine Erklärung für ein Verhalten schuldig, das die anderen ängstigt.

Ich bin überzeugt, dass Außenstehende das meistens nicht in erster Linie durch mangelndes Mitgefühl als unecht empfinden, sondern dass es deren große Berührungsängste mit der Traurigkeit oder dem Leid im Allgemeinen sind, die sie dazu treiben, es als "unecht" oder "aufgesetzt" oder auch nur "übermäßig zart besaitet" abzutun und damit sozusagen klein zu machen.

Die Furcht vor "Leid" ist ja eine unserer Haupt-Urängste, die uns unbewusst in unserem Handeln und Entscheiden antreiben. Leid zu vermeiden, wo immer es geht, beeinflusst unser Denken öfter als wir es bewusst wahrnehmen.

Dann gibt's dann doch da glatt jemanden, der es wagt, andere mit dieser (ihrer eigenen) Furcht zu konfrontieren, indem er mutig seiner Trauer Raum gibt und diese zeigt. Empörend, verstörend und schlichtweg eine Zumutung! *Ironie*

Empathie erfordert Mut. Den Mut hinzusehen und sich damit der eigenen Furcht vor der Trauer zu stellen. Mut ist leider in unserer Gesellschaft nicht allzu verbreitet als Tugend.

Da ist es schon einfacher und vor allem angenehmer, Trauernde oder traurige Personen so zu behandeln als wären sie unsichtbar. Noch schlimmer eigentlich, dass man sich schon bereitwillig selbst unsichtbar macht für die Außenwelt um nicht zu befremden...

So. Jetzt hab ich mich aber genügend ausgelassen zu dem Thema.

Ich finde dein Gedicht - wohl genau deshalb, weil ich spüren kann, wie es entstanden ist und es in keinster Weise konstruiert wirkt, sondern authentisch bis ins letzte Wörtchen - einfach großartig, mutig und heilsam!

Ich bin es, die zu danken hat!

Lieber Gruß,

fee
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"Du musst, wenn du unser Glück beschreiben willst,
ganz viele kleine Punkte machen wie Seurat.
Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.”

― Peter Stamm, Agnes
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Alt 15.04.2017, 11:29   #8
juli
Gast
 
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Liebe Dana,

Deine 3 S. lassen eine besondere Stimmung entstehen. Sie transportieren die Traurigkeit, aber sie lassen auch Platz zum Drübernachdenken. Das macht das " Fragezeichen" im Titel. Thomas hat es schon gesagt.

Ich war sehr gerne hier, bei den Tränen, denn Tränen die man runterschluckt, machen sich sonst woanders bemerkbar. Weinen heilt

Bis bald.

Liebe Grüße sy


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Alt 15.04.2017, 20:10   #9
Dana
Slawische Seele
 
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Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
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Sehr schön, liebe Syranie,
Tränen brauchen freien Lauf, bevor es zu "Staus und Dammbrüchen" kommt.
Eine "kleine Bedingung" ist dabei. Die Menschen, die es sehen dürfen, sollte man sich aussuchen.
Bis bald,
liebe Grüße
Dana
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(Frederike Frei)
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Alt 18.04.2017, 17:12   #10
Chavali
ADäquat
 
Benutzerbild von Chavali
 
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Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.001
Standard

Grundlos traurig, meine liebe Dana, ist man niemals.

Auch wenn man es sich nicht eingestehen will - einen Grund gibt es immer.
Oft ist er aber so verborgen in uns, dass wir meinen, eigentlich keinen Grund zum Weinen
oder zur Traurigkeit zu haben.

Viel wurde hier schon geschrieben und philosophiert.
Wahrscheinlich auch insgeheim schon viel geweint.
Aber auch Tränen gehören zum Leben dazu, wer immer nur lacht, dessen Gefühlswelt
spielt sich nur an der Oberfläche ab.
Weinen befreit - ob allein oder in vertrauter Nähe.


Mitgeweint und mitgefühlt

Chavali
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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