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Alt 04.11.2011, 10:35   #1
Walther
Gelegenheitsdichter
 
Registriert seit: 09.11.2009
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Standard Internette Gesprächsgestaltung

Internette Gesprächsgestaltung


Es fehlte nicht am starken Spruch,
Am Inhalt herrschte manchmal Mangel.
Ein Schrei, ein Schlag, ein lauter Fluch;
Danach ein zünftiges Gerangel.

Das Auge blau, die Nase rot:
Er hatte wieder recht behalten.
Der andre war so gut wie tot.
Das nannte man Gespräch Gestalten.

So war das früher. Heute geht
Das virtuell und indirekter.
Doch wo der liebe Feind grad steht,
Er operiert ja viel versteckter,

Weiß keiner mehr so ganz genau.
Man wird gemobbt statt hart vermöbelt,
Beschimpft als Vollidiot und Sau,
Es wird gedisst und angepöbelt.

Gedeckt durch Nick und Avatar
Wird man durch den Kakao gezogen:
Oft sind nicht mal Motive klar.
Die Wahrheit wird zurecht gebogen,

Am Ende siegt, wer besser lügt.
Die Starken sind die Intriganten.
Gewinnen wird, wer gut betrügt.
Wir werden schleichend zu Mutanten,

Sobald sich Maus und Tastatur
Mit uns verbinden und vereinen.
Der Zombie wird zur Zweitnatur:
Man ist mit sich total im Reinen,

Man fühlt sich geil, man fühlt sich gut
Und klickert einsam seine Runden,
Obwohl man tut, was man nicht tut.
Man tut es in den grauen Stunden,

Wo’s keiner sieht und keiner weiß,
Was wir da sagen, wen wir töten.
Und die Moral juckt uns `nen Scheiß.
Benimm und Ehre gehen flöten.
__________________
Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt
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Alt 04.11.2011, 16:39   #2
BABSvomKUTSCHI
Eiland-Dichter
 
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Beiträge: 63
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Da gebe ich Dir vollkommen Recht. Wenn ich manchmal in diese Blogs schaue, zum Kotzen. Leute, denen Rechtschreibung und Interpunktion Fremdwörter sind, schwafeln Blödsinn, holen die verbale Keule raus, beleidigen etc.
Da geht es doch in einem Dichterforum gesitteter zu. Da greift man wenigstens nicht zur Keule, sondern nimmt das Florett. Oder doch nicht?
Jetzt verwirrt
Babsi
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Alt 04.11.2011, 18:38   #3
Stimme der Zeit
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Hallo, Walther,

abgesehen vom "Körperkontakt" bin ich mir nicht sicher, ob sich die "Streitkultur" (übrigens: Ein echtes "Unwort", das sich selbst widerspricht ) denn tatsächlich geändert hat.

Es ist nur indirekter, wie du ja selbst auch schreibst. Wobei ich sagen möchte, dass sich

Zitat:
Man wird gemobbt statt hart vermöbelt,
Beschimpft als Vollidiot und Sau,
Es wird gedisst und angepöbelt.
diese "Vorgehensweise" leider nicht nur auf das Internet beschränkt. Wie bekannt, arbeite ich in einem Sozialunternehmen, glaub mir, was ich da von den Leuten alles für "Geschichten" höre ... Es gibt außer "Dissen" und "Mobben" auch noch das besonders schöne "Bossing". Bei manchen Erzählungen sträubten sich mir buchstäblich die Haare!

Zitat:
Gedeckt durch Nick und Avatar
Allerdings hast du recht, das Internet bietet dafür eine besonders geeignete Plattform, denn es ist die "Anonymität", die viele dazu verlockt, sich auf eine Art und Weise zu verhalten, die sie sich im "echten Leben" nie trauen würden.

Zitat:
Oft sind nicht mal Motive klar.
Die Wahrheit wird zurecht gebogen,

Am Ende siegt, wer besser lügt.
Die Starken sind die Intriganten.
Gewinnen wird, wer gut betrügt.
Was die Motive betrifft, ich denke, doch, sie sind schon größtenteils ersichtlich. Hier können sich Menschen ungehemmt "ausleben" und den "großen Maxe" darstellen, während sie in "Wirklichkeit" nichts zu sagen haben; sei es, dass sie in einer "niedrigen Position" arbeiten oder zu Hause "unter der Fuchtel" stehen. Und selbst wenn das Motiv nicht erkennbar sein sollte, der "Grund" auf jeden Fall: Mangelndes Selbstbewusstsein. Wer wirklich ein Selbstbewusstsein hat, denkt gar nicht daran, "groß" herum zu tönen. So geht nur jemand vor, der es nötig hat.

Zitat:
Wir werden schleichend zu Mutanten,

Sobald sich Maus und Tastatur
Mit uns verbinden und vereinen.
Der Zombie wird zur Zweitnatur:
Man ist mit sich total im Reinen,

Man fühlt sich geil, man fühlt sich gut
Und klickert einsam seine Runden,
Obwohl man tut, was man nicht tut.
Der schwerste "Charakterfehler" der Menschheit besteht im Wunsch nach Macht. Macht "befriedigt", wie du sagst: "Man fühlt sich geil, man fühlt sich gut". Dazu kommt der "Zusatz-Kick", gegen "Regeln" verstoßen zu können, da so jemand sich "sicher fühlt" und glaubt, man könne ihn nicht "erwischen" - da niemand weiß, wer er ist. Ich glaube, diese Menschen werden "süchtig" danach, ich möchte das fast so ähnlich wie Kleptomanie oder Kaufsucht betrachten, denn auch dort ist die Rede von "Hochgefühlen". Wenn es nicht so wäre, würde es "keinen Spaß machen". Mir tun sie im Grunde genommen sogar leid, es sind doch eigentlich arme Würstchen, die sonst nichts haben, an dem sie sich "aufrichten" könnten ... Und einsam, ja, das sind sie mit Sicherheit.

Zitat:
Man tut es in den grauen Stunden,

Wo’s keiner sieht und keiner weiß,
Was wir da sagen, wen wir töten.
Und die Moral juckt uns `nen Scheiß.
Benimm und Ehre gehen flöten.
Richtig. Meist finden diese "Kämpfe" in den Abend- und Nachtstunden statt. Wenn ich "Wo's keiner sieht und keiner weiß, was wir da sagen, wen wir töten" lese, dann ist es psychologisch klar. Das ist wie in einem Krieg, in dem der Soldat auf so große Distanz "tötet", dass er weder den "Tötungsakt" noch den "Feind" als tatsächlich "tot" oder als "anderen Menschen" wahrnimmt. Das senkt die Hemmschwelle enorm! Es ist ein großer Unterschied, ob man sich direkt gegenübersteht oder nur aus kilometerweiter Entfernung auf ein Knöpfchen drückt - wie in einem "Online-Spiel". Es fehlt, so auch im Internet, der reale Bezug zu der Tatsache, dass "auf der anderen Seite" wirkliche Menschen sitzen - hinter jedem Avatar ist ein Mensch. Aber, wenn man das nicht sehen will, fällt es leicht, das zu "vergessen".

Zitat:
Und die Moral juckt uns `nen Scheiß.
Benimm und Ehre gehen flöten.
Das ist generell so, leider. Höflichkeit, gutes Benehmen und Rücksichtnahme sind in der "globalen Ellbogengesellschaft" ohnehin am "Dahinschwinden". Und Ehre? Wer kennt überhaupt noch den Bedeutungsinhalt dieses Begriffs? Kaum jemand. Dabei wird an das Mittelalter und die Ritterschaft gedacht, ach, wie "antiquiert" ... Wobei gerade die "Ritterehre" das schlechteste Beispiel für Ehre ist - mal Schopenhauer lesen, der hat dazu auch eine Meinung, der ich übrigens zustimme.

Er drückt das folgendermaßen aus:

Zitat:
Zitat von Schopenhauer, aus den "Aphorismen der Lebensweisheit":
"Daß nun dieser seltsame, barbarische und lächerliche Kodex der Ehre nicht aus dem Wesen der menschlichen Natur, oder einer gesunden Ansicht menschlicher Verhältnisse hervorgegangen sei, erkennt der Unbefangene auf den ersten Blick."
Und das ist es, was heutzutage als "Ehre" angesehen wird, herrjemineh. Total fehlinterpretiert, unverstanden und daher als überholt angesehen.

Dennoch, ich bin so stur wie niemand anders, den ich kenne: Nicht alle sind so und nicht jeder Internetbenutzer verhält sich auf diese Weise. Ich kenne (auch und gerade hier im Forum) eine ganze Anzahl von Menschen, die die Begriffe "Anstand" und "Ehre" sehr wohl kennen!

In diesem Sinne: Ein wichtiges Thema, sehr gerne und sehr ungern gelesen. (Du weißt sicher, wie ich das meine.)

Liebe Grüße

Stimme
__________________
.

Im Forum findet sich in unserer "Eiland-Bibliothek" jetzt ein "Virtueller Schiller-Salon" mit einer Einladung zur "Offenen Tafel".

Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.



Geändert von Stimme der Zeit (07.11.2011 um 19:51 Uhr)
Stimme der Zeit ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.11.2011, 07:34   #4
a.c.larin
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Beiträge: 4.893
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hallo walther,

in deinem gedicht sprichst du ein wahres wort: so ist es, so kann es sein im internet - genau diese gefahren hat es.

die anonymität verleitet so manchen zu besonderer gemeinheit und hinterhältigkeit. (so wie es früher auch schon hieß: gelegenheit macht diebe!)

rufschädigung ist da leider nur ein (trüber) teil der sache- auch wirtschaftlicher schaden kann dadurch entstehen. ( wenn z.b. ein betrieb, ein unternehmen angeprangert wird)
durch gezielte falschinformation oder gefakte fotos kann beträchtlicher schaden angerichtet werden. im sekundenbruchteil verbreitet sich weltweit -was sich irgendeiner (seis aus neid, aus eifersucht oder nur aus bosheit) in irgendeinem "stillen kämmerlein" ausgedacht hat.
das macht das internet zu einer gefährlichen waffe.

ich gehe aber nicht so weit zu glauben, dieses verhalten als generelles : "so ist das jetzt bei allen, so wird das jetzt sein" anzusehen.
gewiss werden manche (viele? ) der versuchung erliegen - aber es wird auch welche geben , die dem widerstand leisten.
warum? weil es immer welche gegeben hat, die dem wahnsinn keinen platz einräumten!

das biblische : "Ihr seid das salz der erde"! gilt heute wie vor zweitausend jahren.

mir tun internet - mobber ( im unterschied zu dir, liebe stimme) kein bisschen leid!
ich denke, dass die gesellschaft hier ganz eindeutig stellung beziehen muss und nur ein klares NEIN! vergeben sollte- mit den entsprechenden unangenehmen konsequenzen für die täter, denn: den mobbern tun ihre opfer auch nicht leid!
sonst wird es noch dazu kommen, dass sich dieser personenkreis rechtfertigt mit den worte breijviks: das hab ich ja nur getan, weil nicht genügend wächter da waren, die auf mich aufgepasst haben.....

keine mildernden umstände für gewalt.
keiner mildernden umstände für stalker, mobber und heckenschützen.
keine mildernden umstände für das anwenden verbaler gewalt.

wer über diese grenzen steigt, muss wissen:
er hat sich außerhalb der gemeinschaft gestellt und erwirbt sich dadurch weder sympathie noch verständnis,
und beachtung nur in dem maß, als dass ihm die von ihm missachtete gesellschaft die gewissenlose schrankenlosigkeit seines handelns in deutlicher klarheit vor augen führt, mit allen für ihn unangenehmen konsequenzen.
es ist nicht "cool", bösartig zu sein!
(das wird extrem wahnsinnige zwar auch nicht davon abhalten - aber möglicherweise einen guten teil der trittbrettfahrer dran hindern, sich am wahnsinn ein beispiel zu nehmen)

wir sollten das auf keinen fall verabsäumen.
nirgendwo.

lg, larin
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!

Geändert von a.c.larin (05.11.2011 um 07:40 Uhr)
a.c.larin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.11.2011, 19:18   #5
Walther
Gelegenheitsdichter
 
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
Standard

Lb. Babsi,

niemand ist davor gefeit, sich so zu verhalten wie beschrieben, auch der Autor dieser Verse nicht. Aber man kann sich (und anderen) ja mal den Spiegel vorhalten und einmal wieder Wattebäuschchen nehmen.

LG W.

Lb. Stimme der Zeit, lb. larin,

sich gelegentlich einmal mit unangenehmen Themen auf unterhaltsame Weise auseinander zu setzen, kann nicht schaden. Es kann dazu einladen, das Thema anzusprechen und zu vertiefen. Es ist generell zu beobachten, daß wir einerseits, was uns selbst angeht, wehleidiger geworden sind, aber andererseits, was das Austeilen angeht, an Aggressivität zugelegt haben.

Diese Schieflage zieht sich tatsächlich durch unser Verhalten, und das mag auch am Internet liegen und dem rauheren Ton, der dort Einzug gehalten hat. Man kann schon sagen, daß das Motto
Zitat:
Höflichkeit ist eine Zier,
Doch weiter kommt man ohne ihr
ein Slogan der Istzeit geworden ist, wobei mit Höflichkeit durchaus nicht nur gutes Benehmen und gewählte Sprache gemeint sind.

Nun hilft das Beklagen eines Zustands nur begrenzt, und am Ende muß man sich immer selbst an die Nase fassen, was ich hiermit tue.

Danke für die Gedanken und lieber Gruß

W.
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Alle Beiträge (c) Walther
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