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Alt 15.05.2011, 21:59   #31
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Moin Erich,

ich habe trotz ausdauernden Stöberns im Internet nichts über die Ichsimulation finden können.
Nicht mal bei Amazon konnte ich Literatur darüber entdecken, so daß ich mich größtenteils auf deine Aussagen beziehen muss.

Unter einer Simulation verstehe ich die Nachbildung oder Darstellung physikalischer, biologischer, chemischer, technischer oder ökonomischer Prozesse durch mathematische oder physikalische Modelle oder eben eine Vortäuschung "falscher Tatsachen".

Ich kann dies jetzt nicht mit dem sogenannten "Ich" in Verbindung bringen, weil dies m. E. wieder eine äußere Kraft voraussetzt, die simulierend tätig wird.

Zitat:
Nach neuesten Erkenntnissen der Gehirnforschung ist eine Selbstsicht, also ein sog. "Ich", bei höheren Lebensformen deshalb entstanden, damit sie besser, abgegrenzter und also tendentiell selbsterhaltender mit ihrer Umwelt (und also auch ihresgleichen) interagieren konnten.
Das ist also einfach so entstanden, quasi aus der Notwendigkeit zur Interaktion heraus?
Wer oder was aber hielt dies für notwendig?
Kam diese Veränderung nun durch äußere Einwirkung zustande oder aus den höheren Lebensformen selbst?

Zitat:
Dieses "Ich" ist aber - so die neuesten Erkenntnisse - kein wirkliches Bewußtsein im Sinne dessen, was Philosophie oder Religion darunter verstehen (Seele, Geist, usw..), sondern eigentlich eine Art Simulation von "Selbst", die auf unterster Ebene gesteuert wird, zu 99% unbewußt und ohne sog. "logisches" Denken. Wir sind also offenbar bei weitem nicht so autark, wie wir gern hätten. Wir sind nach dieser Theorie eigentlich nicht einmal "wir".
Für die Theologie ist die Dualität und damit die Trennung von Körper und Seele unverzichtbar, sonst verlöre sie ihren Sinn.
Nicht aber für die Philosophie, obwohl Platon darauf seine Weltanschauung gründete.
Ich muss jetzt auf Schopenhauer zurückgreifen, der durchaus die Meinung vertritt, daß der Intellekt in organischen Ursachen, nämlich dem Gehirn, zu finden ist und mit dem Tode aufhört zu existieren.
Daß das "Selbst" gesteuert wird, stellt er nicht in Abrede:

Der Wille bestimmt alle Vorgänge der organischen und anorganischen Natur. Er objektiviert sich in der Erscheinungswelt als Wille zum Leben und zur Fortpflanzung. Diese Lehre vom „Primat des Willens“ bildet die zentrale Idee seiner Philosophie. Sie hatte weitreichenden Einfluss und begründet die Aktualität von Schopenhauers Werk.

Seine berühmt gewordenen These lautet:

"Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.“

Ich glaube, dazu bedarf es keiner "Ichsimulation".

Zitat:
Was diese Theorie impliziert, auch im Hinblick auf unseren Diskurs hier, kannst du wohl ohne mich nachvollziehen, und was er für die Philosophie im allgemeinen bedeuten wird, ist noch gar nicht absehbar.
Ja, die Wissenschaft müsste sich nur mal die Zeit nehmen, sich ausführlicher mit Schopenhauers Thesen auseinander zu setzen.
Sie würde dort vieles erfahren, was sie jetzt erst zu entdecken glaubt.

Zitat:
Unsere "Zellhaufen" leisten sich sozusagen den Luxus von übergeordneten Pseudochefs, die sie auch noch glauben lassen, sie allein hätten das Sagen.
Das kann ich nicht nachvollziehen, denn einer muss ja das Sagen haben und das bin eindeutig ich oder mein Wille, zumindest was meine Handlungen und Entscheidungen betrifft.
Selbst wenn diese mir selbst manchmal zweifelhaft erscheinen, so bleiben sie trotzdem meine Entscheidungen.
Ich kann mir kaum vorstellen, was mein "Zellhaufen" für ein Interese daran haben sollte, mit deinem "Zellhaufen" in dieser Form zu kommunizieren.
Es muss also der Intellekt sein, denn wir haben verschiedene Vorstellungen, Überzeugungen, Meinungen etc. Unsere bloßen "Zellhaufen" hingegen würden wohl in ihren Meinungen übereinstimmen, könnten sie denn eine haben.

Zitat:
Aber mal ehrlich - wieviele Entscheidungen treffen wir aus rein logischen oder sinnvollen Überlegungen heraus?
Also wenn ich an mich denke, und ich kann nur von mir ausgehen, dann sind dies eine ganze Menge.

Zitat:
Sind nicht die meisten solcher Argumente eigentlich nur dazu da, unsere "Bauchentscheidungen" vor uns selbst (bzw. vor unserem Egosimulacrum) zu rechtfertigen, damit die Illusion des übergeordneten Willens aufrecht erhalten werden kann?
Nein. Die meisten meiner täglichen Entscheidungen treffe ich bewusst und stets aufs Neue.
Ich will ein kleines Beispiel zur Verdeutlichung abgeben:
Wenn morgens früh um 5:00 Uhr mein Wecker geht, dann reißt es mich manchmal aus dem tiefsten Schlaf und ich verspüre den Wunsch, liegen zu bleiben und weiter zu schlafen.
Nun muss ich eine Entscheidung treffen und ich sage mir also, steh auf, das geht nicht, du musst deinen Job machen, es gibt Ärger, wenn du nicht (pünktlich) erscheinst.
Das nenne ich ein logisches Abwägen der aus meinem Verhalten resultierenden künftigen Konsequenzen.
Also stehe ich auf und handle gegen meinen Wunsch oder Willen, denn "glückseliger" wäre mein momentaner Zustand, könnte ich noch ein paar Stunden schlafen.
Manche Entscheidungen fallen auch unbewusst, weil sie sozusagen Routine sind und damit automatisch ablaufen.
Manchmal aber gebe ich auch meinem Willen einfach nach und tue das, was ihm für den Moment am besten erscheint.

Dann möche ich in diesem Zusammenhang noch die Frage stellen, was mit den Entscheidungen ist, die plötzlich getroffen werden müssen?
Wie kann es sein, daß wir auf bestimmte und veränderte Situationen sofort reagieren und uns entsprechend darauf einstellen und verhalten?

Ich will dafür wieder ein Beispiel anführen:

Als guter und sehr erfahrener Autofahrer fahre ich sowieso meistens mit der nötigen Voraussicht, d. h. ich versuche mich den äußeren Umständen und Bedingungen anzupassen, indem ich mir z. B. vorstelle, daß nasses Laub auf der Fahrbahn unweigerlich zu einem längeren Bremsweg für mein Fahrzeug führen wird, wenn ich gezwungen bin, die Geschwindigkeit plötzlich drastisch zu reduzieren. Mein Fahrzeug kann dabei sogar ins Schleudern geraten und die Gefahr eines Unfalls erhöht sich.
Ich denke also vorausschauend in die Zukunft und an die hypothetischen Möglichkeiten, die aus meinem Verhalten resultieren können.
Jetzt könnte man sagen, das sei ein erlerntes Verhalten, weil ich die Erfahrung vielleicht schon früher gemacht habe.
Das ist richtig, aber trotzdem muss ich erst einmal die Situation erkennen, sie richtig einschätzen, auf die Erfahrung in der Vergangenheit zurückgreifen, diese auf eine mögliche Zukunft übertragen und die richtige Entscheidung für die Gegenwart, also den Moment treffen.

Ich bezweifele, daß dies unser "Zellhaufen" alleine schafft.
Das vegetative Nervensystem hat alle Hände voll damit zu tun, unseren Lebenskreislauf aufrecht zu erhalten und wäre also somit vollkommen überfordert, müsste es noch abstrakte Entscheidungen treffen.
Das kann mir keiner erzählen...

Zitat:
Auf kurze Distanz und bei bloßem Gerede können "wir" was bewegen - bei wesentlichen Entscheidungen aber regieren die Primärbedürfnisse der Zellhaufen, die uns spazierenführen!
Dem muss ich entschieden widersprechen.
Ich habe sehr wohl und schon sehr oft wesentliche Entscheidungen getroffen.

Natürlich sind bestimmte Primärbedürfnisse ständig zu erfüllen, als da wären Luft-, Nahrungs- und Wasseraufnahme, die Entsorgung der Stoffwechselprodukte, Schlaf und meinetwegen auch die Befriedigung des Geschlechtstriebes etc.
Bis auf das Letztgenannte sind dies aber alles Bedürfnisse, die der Organismus, also der "Zellhaufen", unbedingt zum Überleben benötigt.

Das Wie, Wann und Wo aber bestimmt nicht er, das entscheide ich (meistens) ganz alleine und gebe es ihm dann, wenn es (mir) passt.
In der Psychologie spricht man nämlich bei sofortiger Bedürfnisbefriedigung von einem Zustand der Verwahrlosung.
Und da spielen auch äußere Faktoren eine ganz gewichtige Rolle.
Der Mensch hat gelernt, mit diesen Dingen umzugehen und das ist genau einer der wesentlichen Punkte, die ihn vom Tier unterscheidet (und selbst das Tier würde ich nicht auf einen bloßen Zellhaufen reduzieren wollen).

Wir Menschen besitzen die Fähigkeit der abstrakten Gedanken, wir können uns über Zeit, Raum, Sinn, Unsinn, Gott und die Welt unterhalten und wir verspüren das Verlangen dazu.

Welchen Sinn sollte dies aber für den "Zellhaufen" haben, dem es reichen würde, seine Bedürfnisse zu befriedigen, um zu existieren?
Wofür gibt es also die Neugier, wozu den Forscherdrang und warum überhaupt den Intellekt?

Den Menschen also auf einen elektrochemischen Selbsterhaltungsprozess auf der Basis von Aminosäuren und denkenden Zellhaufen zu reduzieren, der mit einer Ichsimulation ausgestattet ist, reicht mir nicht und bisher hat keine Wissenschaft auch nur annähernd erklären können, was das eigentliche Wesen der Dinge ausmacht (außer der bloßen Funktionsweise des Organismus').

Und deshalb möchte ich noch einmal einen der größten Denker aller Zeiten bemühen.
Immanuel Kant schrieb in der "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten:

Zitat:
Zitat von Immanuel Kant
Es ist eine Bemerkung, welche anzustellen eben kein subtiles Nachdenken erfordern wird, sondern von der man annehmen kann, daß sie wohl der gemeinste Verstand, obzwar, nach seiner Art, durch eine dunkele Unterscheidung der Urteilskraft, die er Gefühl nennt, machen mag: daß alle Vorstellungen, die uns ohne unsere Willkür kommen (wie die der Sinne), uns die Gegenstände nicht anders zu erkennen geben, als sie uns affizieren, wobei, was sie an sich sein mögen, uns unbekannt bleibt, mithin daß, was diese Art Vorstellungen betrifft, wir dadurch, auch bei der angestrengtesten Aufmerksamkeit und Deutlichkeit, die der Verstand nur immer hinzufügen mag, doch bloß zur Erkenntnis der Erscheinungen, niemals der Dinge an sich selbst gelangen können. Sobald dieser Unterschied (allenfalls bloß durch die bemerkte Verschiedenheit zwischen den Vorstellungen, die uns anders woher gegeben werden, und dabei wir leidend sind, von denen, die wir lediglich aus uns selbst hervorbringen, und dabei wir unsere Tätigkeit beweisen) einmal gemacht ist, so folgt von selbst, daß man hinter den Erscheinungen doch noch etwas anderes, was nicht Erscheinung ist, nämlich die Dinge an sich, einräumen und annehmen müsse...
Tja, ich befürchte, da wird uns selbst eine Ichsimulation nicht wirklich weiter bringen...


Liebe Grüße

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.05.2011, 23:24   #32
a.c.larin
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hallo falderwald,

ich mische auch noch meinen senf dazu.

bewusste entscheidungen - treffen wir sie immer?
manches entscheiden wir vielleicht aus einer vorahnung, einem instinkt heraus.
oder aus einer art "wissen" , die über unser spatzenhirn-beusstsein hinausgeht.

ein beispiel gefällig?

ein bekannter von mir fuhr entlang einer schmalen, schluchtartigen straße im gebirge. plötzlich überkam ihn das dringende gefühl, stehen zu bleiben und die landschaft zu betrachten. er tat es, obwohl er sich über seine entscheidung wunderte.
er stand nur kurze zeit, da hörte er, wie wenig vor ihm ein hangsturz auf die fahrbahn donnerte. wäre er weiter gefahren, es hätte ihn erwischt.....

anderes beispiel?
ebenso wahr: jemand saß auf der terasse seines hauses. es war ein sonniger tag. plötzlich spürte er einen kühlen luftzug und ein seltsames gefühl des unbehagens. er beschloss, sich aus dem haus eine jacke zu holen. fünf sekunden, nachdem er aufgestanden war, stürzte genau auf die stelle, wo er gesessen hatte, die über ihm hängende halterung der balkonblumen.
wäre er sitzen geblieben, es hätte ihn erschlagen....

woher kamen diese entscheidungen? es gab keinerlei äußeren anlass (außer vielleicht der kühle luftzug), die betroffenen wunderten sich selber über ihren plötzlichen entschluss.

worauf beruht intuition?
wie kann ein bloßer zellhaufen mehr wissen als er weiß ?

drittes beispiel (mir selber passiert)
wir suchten nach einer lösung, das vorzimmer neu zu gestalten.
wir wollten eine zusätzliche sitzbank haben, um dort die schuhe auszuziehen.
wegen der vielen winkel, ecken und türen schien aber nirgends platz dafür zu sein. wir verwarfen also diese idee als undurchführbar. monate vergingen. wir dachten nicht mehr an unseren plan, sprachen nicht mehr darüber.
eines nachts träumte ich die lösung!
ich sah ganz klar vor mir, wo es doch möglich war, diese sitzbank unterzubringen. ich erwachte - es war drei uhr früh - und wunderte mich über mein erwachen, erkannte aber sofort, dass irgendetwas ( in ?) mir wohl den traum zeigen wollte. ich zeichnete rasch eine skizze, um das gesehene nicht zu vergessen, drehte mich um und schlief unbekümmert weiter.
wohlgemerkt: ich hatte monatlang nicht mehr daran gedacht - diese lösung kann also kein "tagesrest" gewesen sein.
man kann auch nicht sagen , dass mein bewusstsein daran beteiligt gewesen wäre. welcher teil von mir war es aber dann?
mein bewusstsein konte sich lediglich dazu entschließen, den traum in die realität umzusetzen und die dafür notwendigen leute zu kontaktieren.

im volksmund gibt es ja den spruch: "dem seinen gibts der herr im schlaf"

sind wir im zustand der unbewusstheit näher an den "ewigen wahrheiten" -
und daher auch freier für "lösungen"?

oder sind wir dann manipulierbarer?

das bewusstsein lässt sich auch täuschen.
werbepsychologen wissen das.
kurze einblendungen einer bestimmten getränkemarke während eines kinofilms ( kurz heißt: unter der wahrnehmungsschwelle ) erhöhten den konsum des produktes danach signifikant.
niemand der solchermaßen getäuschten probanden hätte aber das gefühl gehabt, unbewusst gehandelt zu haben.......

hypnose funktioniert ja auch.
man kann sich sogar selbst hypnotisieren ( wenn mans gelernt hat)

was unsere "bewussten" entscheidungen auch noch mitbeeinflusst, sind sogenannte "aufträge aus dem famileinsystem" (gemeint ist damit die herkunftsfamilie). die können bewusst ( du musst auch arzt werden!) oder unbewusst sein. (wer mit fingern ist, ist ein ferkel, so etwas tut ein anständiger mensch auf gar keinen fall!)
geheimnisvollerweise überspringen solche ge-und verbote manchmal sogar eine generation, um bei er übernächsten wieder ihre wirksamkeit zu entfalten.

ist der mensch herr im eigenen haus?

manchmal denke ich, wir können froh sein, wenn wir dieses haus einigermaßen klaglos benützen dürfen....

so.
ich gehe jetzt (bewusst oder auch nicht) in die heia. es macht irgendwie sinn.

gute nacht!
larin
a.c.larin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.05.2011, 23:23   #33
Falderwald
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Servus larin,

deinen Senf lese ich immer gerne, also nur zu...

Ich denke, wir treffen die meisten Entscheidungen durchaus bewusst und möchte das an deinen Beispielen kurz erläutern:

1. Dein Bekannter fuhr mit dem auto. Während des Fahrens überkam ihn das Gefühl stehen zu bleiben. Musste er in diesem Moment nicht eine Entscheidung treffen und zwar ganz bewusst? Denn das Anhalten eines fahrenden Fahrzeugs setzt bestimmte Handlungen voraus.
Er wunderte sich anschließend selbst, jedoch hat er sich aus freien Stücken dazu entschlossen, seinem Gefühl nachzugeben und nicht weiter zu fahren.
Das nenne ich eine bewusste Entscheidung treffen. Ob diese Entscheidung zu diesem Zeitpunkt sinnvoll war oder nicht, konnte er nicht wissen und dennoch tat er es, niemand hat ihn dazu gezwungen.

2. Im zweiten Beispiel verhält es sich ähnlich. Du schreibst nämlich, er beschloss, sich eine Jacke zu holen, weil ihm kühl wurde und er ein Gefühl des Unbehagens verspürte. Er traf also bewusst die Entscheidung seinen Platz zu verlassen, um etwas zu tun.

In beiden Beispielen wird eine bewusste Entscheidung getroffen und zwar nicht um Unfälle zu verhindern, sondern weil ein bestimmtes Gefühl dazu riet.
Aber immer war dies mit bewussten Handlungen verbunden, die freiwillig geschahen.

3. Auch im dritten Beispiel verhält sich das so. Du hast zwar nicht entschieden, eine Lösung für ein längst vergessenes Problem zu träumen, aber auf jeden Fall das Geträumte aufzuzeichnen, damit es nicht wieder verloren geht.
Das ist die einzige aktive Handlung, die du ausführtest, weil du dies beschlossen hast. Niemand hat dich dazu gezwungen, oder?

Solche Beispiele gibt es haufenweise. Wo die Gefühle oder die Träume herkommen, das bleibt unklar, aber die darauf folgenden Handlungen waren real und damit bewusst.

Anders verhält es sich nur, wenn ich vorher von etwas weiß.
Wenn sich mir z.B. irgendeine Bedrohung in den Weg stellt, von der ich Kenntnis besitze, dann werde ich zu einer Entscheidung gezwungen.
Für was ich mich letzendlich entscheide, bleibt wiederum bewusst, ob Angriff oder Flucht, jedoch wird es mir nicht möglich sein, meinen Weg einfach friedlich fortzusetzen, so daß meine Entscheidungsfreiheit hier einer erheblichen Beschränkung unterliegt.

Oder nicht?


Liebe Grüße

Falderwald
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Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.05.2011, 04:07   #34
JimPfeffer
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Hallo ihr alle,

was für eine interessante Auseinandersetzung über das Leben. Ich glaube nicht wirklich an Götter, jedoch frage ich mich warum die Menschen an sie glauben. In der Disskusion wurde viel darüber gesprochen was den Menschen so ausmacht und wie sie funktionieren, doch nicht, warum sie seit Jahrtausenden an Götter glauben. Vielleicht aus Angst oder stammt ihr Wissen aus einer alten Weisheit? Woher wollt ihr denn wissen das der Mensch wirklich auf der Erde entstand, so wie er sich verhält hat er massive Probleme mit der Natur hier klar zu kommen. Er scheint an sich eher ein Gast zu sein, als ein Produkt dieser Erde. Er passt hier nicht rein und findet sich auch nicht zurecht! Mit Intelligenz, wie wir sie sie verstehen scheitern wir, warum????, weil wir nicht in der Lage sind mit der Natur im Einklang zu leben. Warum können wir das nicht? Wären wir wirklich Intelligent hätten wir das schon längst im Griff, aber nein die Menschen wollen lieber kopieren als sich auf das Echte und Wahre einzulassen. Damit schaffen sie es vielleicht noch ein paar hundert Jahre und dann ist die Erde so verdreckt, dass die Menschen aussterben und die Natur zu ihrem Rhytmus (auf ihre Art und die ist wesentlich Intelligenter ist als wir es jemals waren, zurückfindet) Wir werden es nicht mehr erleben und wir haben es auch nicht wirklich verdient , die ewige Neugeburt erleben zu dürfen! Das werden die Menschen nie verstehen! LG Jim
__________________
„Ich interessiere mich für alles was mit Revolte, Durcheinander und Chaos zu tun hat und insbesondere für jegliche Aktivitäten die scheinbar sinnlos sind“.
Jim Morrison
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Alt 17.05.2011, 14:40   #35
Justin
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Hallo Erich,

ellenlangen philosophischen Betrachtungen möchte ich mich nicht hingeben, sondern in erster Linie Dein Gedicht belobigen. Trotz der vielen Strophen hat es eine gute Merkfähigkeit, die mir sehr wichtig erscheint. Bei "Kerzen im Wind" ist es nicht viel anders. Auch oder gerade wegen einiger Unkenrufe habe ich diesem Gedicht eine gute Resonanz vorausgesagt, und sollte recht behalten. Doch das nur am Rande.

Es muß Dich nicht groß anfechten, wenn persönliche Empfindungen möglicherweise der Logik widersprechen könnten. Das aber hängt stark von der Sichtweise des Betrachters ab. Darüber hinaus sollten wir trotzdem nicht die Aussagen übergehen, deren Wahrheitsgehalt immerhin zutreffend ist. Die logische Ausgangsbasis bleibt somit größer als der kritische Einwand. Was übrigens die Logik betrifft, müßte sich der Klerus in Grund und Boden schämen, denn nichts ist ihm suspekter, als sich überhaupt mit solchen Ansichten zu beschäftigen. Wo doch allein nur der Glaube zählen soll. Die Verkündigungen der Geistlichen erscheinen immer so, als hätte man persönlich am Tische des Herrn gesessen, was ironisch nicht zu überbieten ist. Der Philosoph Bertrand Russel sagte mal: " I would never die for my beliefs, because I might be wrong" - "Ich würde nie für meinen Glauben sterben, weil ich falsch liegen könnte". Diese Aussage halte ich für sehr viel angemessener, weil sie schon die Fragwürdigkeit des Glaubens mit einschließt.

Die kritiklose Bibelauslegung ist mit gesunder Logik nur schwer vereinbar. Es heißt da z. B., daß Judas Schicksal schon längst vor dessen Geburt vorausbestimmt war. Davon ausgehend müssen wir uns doch die Frage stellen, worin nun überhaupt seine Schuld bestanden hat. Können wir so noch die Anklage ihm gegenüber aufrecht erhalten? Ich glaube, in keiner Weise, sonst würden wir nämlich unser Gewissen belügen. Das nur als Beispiel.

Du hast dich in Deinem Gedicht mit vernünftigen Gedanken auseinandergesetzt, zu denen Du ehrlichen Gewissens stehen kannst.

Liebe Grüße

Justin
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Alt 18.05.2011, 08:41   #36
Erich Kykal
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Hi, larin, Jim und Justin!

Vielen Dank für eure Ansichten zu diesem Thema - es ist offenbar recht vielschichtig.

Hi, Faldi!

"I beg to differ!" - Ich wage zu widersprechen.

Es ist eine erwiesene Tatsache, dass wir weit über 90% unserer Entscheidungen eben nicht aufgrund logischer - also geistiger - Überlegungen treffen! Das Beispiel mit dem Autofahrer und dem Felssturz ist diesbezüglich schlüssig:

Das Anhalten selbst war ein bewußter Akt, aber die Entscheidung dazu fiel davor, und zwar aus un- oder unterbewußten Erwägungen heraus. Gerade deshalb konnte sich der Mann seine Entscheidung ja nicht erklären und musste geradezu mumaßen, es könnte eine "höhere Eingebung" gewesen sein, weil die Entscheidung auf einer ihm nicht direkt zugänglichen Ebene seines Wesens fiel - eben nicht "logisch oder bewußt" erklärbar WAR!!!
Seine "Ichsimulation", wenn ich das immer noch so formulieren darf, folgte nur diesem starken Impuls, anzuhalten, konnte ihn sich - gerade weil er im Zusammenhang mit dem Felssturz solches Gewicht erhielt - hinterher aber nicht erklären und griff somit auf bewährte Interpretationmuster zurück, die Menschen seit der Steinzeit für Unerklärbares pflegen: Göttliche Fügung, Schicksal, höhere Ordnung usw...
Betrachten wir die Tatsachen: Das Zusammentreffen der Entscheidung, anzuhalten, und dem Steinschlag kann - und war letztlich auch - rein zufällig. Nur unser Geist will bei Ereignissen, die solch großen Einfluss auf uns haben, einfach nicht daran glauben. Er verbindet diese Ereignisse zu einer - für ihn logischen und folgerichtig erscheinenden - Kette, die einander in seinen Augen bedingen MUSS, weil er sonst ja tot wäre usw...
Wir projizieren die EIGENE Sicht von Wichtigkeit auf die Ereignisse (weil sie dank ihres direkten Aufeinanderfolgens für unser eigenes Dasein so bedeutend wurden) und verleihen ihnen damit ein Gewicht, das sie - jedes für sich - so nie gehabt hätten. Man sagt dann gern: Das KANN kein Zufall geswesen sein!
Denkfehler! Es KANN sehr wohl!!!
Zurück zur Hirnforschung: Wie gesagt, seine Entscheidung war bauchgesteuert. Sein bewußtes Ich reagierte und setze sein Wollen in die Tat um. Die Ursachen können vielfältig sein: Er wollte - unbewußt - eine schöne Landschaft genießen, musste vielleicht pinkeln. Oder das Ereignis überwältigte ihn so sehr, dass er sich hinterher nicht mehr an den ursprünglichen Grund seines Anhaltens erinnern konnte (oder wollte!), weil es nicht in die so wunderbar sich fügende "Legende" gepasst hätte. Eine gute Geschichte ist eben immer besser als eine nüchterne Wahrheit. Da biegt man sich oft was zurecht und glaubt nach einiger Zeit vielleicht sogar selbst daran.

Man muss sich nur mal vor Augen halten, wie sehr sich schon einfachste Beobachtungen in Zeugenaussagen unterscheiden oder gar widersprechen. Wir funktionieren eben extrem subjektiv, bilden uns aber gern ein, wir würden alle die Umwelt relativ objektiv wahrnehmen. Pustekuchen!
BEWUSST funktionieren wir eben nur bei solchen Gelegenheiten wie dieser hier: Wenn es um "geistige" Inhalte geht. Aber schon der "Gusto" auf was anderes (Tasse Kaffee, Hunger, Durst, ungeklärte Probleme, soziale Mechanismen, ...) lenkt uns ab, und schon wieder folgen wir einem unbewußten Impuls, der uns - ohne dass wir an Manipulation auch denken würden, da wir nicht bewusst zwischen geistigen und unterbewussten Befehlen unterscheiden - woanders hindrängt, obwohl wir diesbezüglich nie eine fundierte geistige Entscheidung getroffen hatten.
Das Bewusstsein baut diese Entscheidungen wie selbstverständlich hinterher in sein Selbstbild ein, sodass der Eindruck entsteht, wir hätten uns - also als Ganzes, MIT Hirn eben - dafür entschieden, aber dem ist eben nicht so!
Deshalb auch sprechen die Hirnforscher von Ichsimulation - nicht zuletzt, weil wir tatsächlich nur sehr wenige Entscheidungen MIT Hirn treffen. Wir denken bloss, es wären mehr, weil sich unser "Geist" eben meist nur an ebendiese Entscheidungen auch "bewusst" erinnert! (So wie in verblassender Erinnerung die "guten alten Zeiten" immer "schöner", immer verklärter werden - man erinnert sich eben nur an das Gute.)

Nach reiflicher Erprobung dieser Erkenntnisse am eigenen Dasein konnte ich diesen Aussagen nur beipflichten. Du - als vom Wert und der Bedeutung des Geistigen Überzeugter - möchtest es natürlich gern anders sehen, weil eine solche Sicht der Dinge den "Wert" des eigenen Selbst zu schmälern scheint.
Da kommt dann wieder die anthroprozentrische Selbstüberschätzung ins Spiel,
die den Menschen gern als "Krone der Schöpfung", als "Herrn der Erde" - oder, wenn schon das nicht, so doch wenigstens als "Herr seiner selbst" sehen möchte. Nun, nicht einmal DAS sind wir offenbar. Schade. Soviel Philosophie für nix und wieder nix! Ein Pech aber auch....

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.05.2011, 00:15   #37
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
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Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.907
Standard

Moin Erich,

ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, aber du kannst dir sicher sein, daß ich teilweise entschieden anderer Meinung bin...

Zitat:
Es ist eine erwiesene Tatsache, dass wir weit über 90% unserer Entscheidungen eben nicht aufgrund logischer - also geistiger - Überlegungen treffen!
Zunächst einmal müssen wir klären, was unter dem Begriff "Entscheidung" überhaupt zu verstehen ist:

Es gibt Alternativen und es gibt Varianten, zwischen denen eine Wahl zu treffen ist.
Diese Wahl zu treffen, nenne ich Entscheidung.

Alles andere sind Handlungen, die hier auf gar keinen Fall mit der Entscheidung verwechselt werden dürfen.

Die meisten meiner Handlungen, wahrscheinlich mehr als 90 %, und da stimme ich vorbehaltlos zu, geschehen unbewusst und sind gesteuert durch das Zentrale- und das periphere Nervensystem (Reize) oder durch erlerntes Verhalten (Reiz - Reflex), welches keiner Überlegung mehr bedarf oder aber werden durch ein Gefühl ausgelöst.

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, der Berliner Charité sowie des Berliner Bernstein Zentrums für Computational Neuroscience (um John-Dylan Haynes) untersuchten mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie die Gehirne von Probanden.
Das Ergebnis dieser Untersuchung verleitete sie zu der Aussage, sie hätten den neuronalen Prozess der Entscheidungsfindung entschlüsselt: "Unser Gehirn weiß schon sieben Sekunden vor einer bewusst getroffenen Entscheidung, wie sie ausfallen wird."

Die Probanden hatten die Aufgabe, die rechte oder die linke Hand zu bewegen.
Sie hatten also die Wahl zwischen zwei Alternativen.
Bei diesem Versuch konnte also festgestellt werden, daß frühestens sieben Sekunden vor Ausführung der zu erwartenden Handlung in verschiedenen Hirnregionen eine Aktivität zu erkennen war, die eine mehr als "zufällige" Voraussage erlaubte, welche Hand er bewegen würde.

Und was sagt das jetzt aus?
Im Grunde genommen gar nichts.
Denn der Proband hatte nichts anderes zu tun, als sich zu überlegen, welche Hand er denn jetzt als nächstes bewegen wolle und zudem mindestens sieben Sekunden Zeit für seine Entscheidung.
Womit hat er sich also in dieser Zeit wohl vornehmlich beschäftigt?
Und er wusste um seine einzigen Alternativen.

So mussten sie auch letztlich zugeben, daß dies kein endgültiger Beweis gegen die Existenz eines freien Willens sei: "Nach unseren Erkenntnissen werden Entscheidungen im Gehirn zwar unbewusst vorbereitet. Wir wissen aber noch nicht, wo sie endgültig getroffen werden. Vor allem wissen wir noch nicht, ob man sich entgegen einer vorgebahnten Entscheidung des Gehirns auch anders entscheiden kann."

Und ich behaupte, daß ich über 90 % aller meiner willensrelevanten Entscheidungen sehr wohl durch logische und geistige Überlegungen treffe.
Den Rest der Entscheidungen und Handlungen überlasse ich gerne meinem sehr komfortablen Körper, der sicherlich besser weiß, was für ihn gut ist. Somit brauche ich mich damit nicht mehr zu belasten.

Zitat:
Das Beispiel mit dem Autofahrer und dem Felssturz ist diesbezüglich schlüssig.
Dieser Meinung bin ich nicht.

Zitat:
Das Anhalten selbst war ein bewusster Akt, aber die Entscheidung dazu fiel davor, und zwar aus un- oder unterbewussten Erwägungen heraus. Gerade deshalb konnte sich der Mann seine Entscheidung ja nicht erklären und musste geradezu mutmaßen, es könnte eine "höhere Eingebung" gewesen sein, weil die Entscheidung auf einer ihm nicht direkt zugänglichen Ebene seines Wesens fiel - eben nicht "logisch oder bewusst" erklärbar WAR!!!
Das Anhalten war ein bewusster Akt, wann aber die Entscheidung dazu gefallen war, können wir nur mutmaßen.
Auf jeden Fall muss es einen Grund dafür gegeben haben. Hier ist das also das plötzliche Gefühl stehen zu bleiben und die Landschaft zu betrachten.
Der Mann aber war mit seinem Fahrzeug von A nach B unterwegs und hatte ein Motiv für seine Fahrt.
Wenn er unter Zeitdruck gestanden hätte, das Wetter schlecht gewesen wäre oder sich auf der engen schluchtartigen Straße keine geeignete Haltemöglichkeit geboten hätte und oder andere behindernde Faktoren gegen einen Halt gesprochen hätten, wäre seine Entscheidung vielleicht anders ausgefallen. Und solche rationellen Dinge sind somit in seine Überlegungen eingeflossen und haben seine Entscheidung bewusst beeinflusst.
Nach diesem Ereignis wird er sich sicherlich gesagt haben, da habe ich aber unverschämtes Glück gehabt, gut daß ich auf meinen Bauch gehört habe und ist sich in Wirklichkeit gar nicht darüber bewusst, daß dieses Gefühl, das ihm zum Anhalten riet, erst einmal zur Realisierung überprüft werden musste und ob dies in jener Situation überhaupt möglich war.
Auf der Autobahn halte ich schließlich auch nicht an, weil ich das dringende Bedürfnis verspüre, mir die Landschaft anzuschauen, mag sie noch so schön sein.

Zitat:
Seine "Ichsimulation", wenn ich das immer noch so formulieren darf, folgte nur diesem starken Impuls, anzuhalten, konnte ihn sich - gerade weil er im Zusammenhang mit dem Felssturz solches Gewicht erhielt - hinterher aber nicht erklären und griff somit auf bewährte Interpretationsmuster zurück, die Menschen seit der Steinzeit für Unerklärbares pflegen: Göttliche Fügung, Schicksal, höhere Ordnung usw...
Der starke Impuls war, wie ich gerade erläuterte, nur der Auslöser, der nach einer Entscheidung verlangte, die nach den vorgegebenen Bedingungen getroffen wurde und werden musste.
Wie lange der Prozess der Entscheidungsfindung benötigte, ist hierbei überhaupt nicht relevant, das kann in Sekundenbruchteilen ablaufen.
Das Unerklärliche überlassen wir an dieser Stelle zunächst der Spekulation des Betroffenen.

Zitat:
Betrachten wir die Tatsachen: Das Zusammentreffen der Entscheidung, anzuhalten, und dem Steinschlag kann - und war letztlich auch - rein zufällig. Nur unser Geist will bei Ereignissen, die solch großen Einfluss auf uns haben, einfach nicht daran glauben. Er verbindet diese Ereignisse zu einer - für ihn logischen und folgerichtig erscheinenden - Kette, die einander in seinen Augen bedingen MUSS, weil er sonst ja tot wäre usw...
Wir projizieren die EIGENE Sicht von Wichtigkeit auf die Ereignisse (weil sie dank ihres direkten Aufeinanderfolgens für unser eigenes Dasein so bedeutend wurden) und verleihen ihnen damit ein Gewicht, das sie - jedes für sich - so nie gehabt hätten. Man sagt dann gern: Das KANN kein Zufall gewesen sein!
Denkfehler! Es KANN sehr wohl!!!
Lösen wir uns einmal vom Zusammenhang der beiden Ereignisse und betrachten diese aus der Perspektive eines außenstehenden Beobachters, der außerhalb von Zeit und Raum steht und die Einsicht in alle Ereignisse hat.
Zum einen haben wir also das Anhalten des Mannes auf seiner Fahrt, zum anderen den Hangsturz.
Beiden Ereignissen aber wohnt, zunächst unabhängig voneinander, die Verkettung einer Vielzahl von Gründen inne, ohne die sie gar nicht hätten stattfinden können.

Der Hang ist seit unendlichen Zeiten Wetter und tektonischen Einflüssen ausgesetzt. Zudem hat der Mensch dort eine Straße gebaut und somit auch noch seinen Einfluss darauf genommen.
Schließlich wurde seine ganze Existenzlage so instabil, daß es nur noch eines letzten auslösenden Grundes bedurfte, um ihn genau zu dem Zeitpunkt zum Einsturz zu bringen, als unser Protagonist in der Nähe war.
Da die Bedingungen so und nicht anders waren, musste der Hang also zu diesem Zeitpunkt unweigerlich einbrechen, er konnte gar nicht anders.

Der Mann aber hatte ein Motiv für seine Fahrt, welches wiederum durch andere Dinge begründet war. Er traf dadurch bedingt eine Entscheidung, die ihn zwangsläufig im fraglichen Zeitraum auf eine Strecke von A nach B führte, auf der dieser Hangsturz geschehen würde, von dem er freilich nichts wissen konnte.

Als außenstehender Beobachter, der Einblick in die Dinge hat, sehe ich nun, wie der Mann losfährt, seine Strecke wählt und sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit fortbewegt.
Und ich sehe die Entwicklung des Hangs und die Dinge, die auf diesen zukommen werden, so daß es einer simplen mathematischen Rechnung bedarf, um zu sagen, wann dieser einbricht und wo jener sich zu diesem Zeitpunkt befinden wird, wenn die Bedingungen stabil bleiben.

Wäre er also weiter gefahren, wäre er jetzt vielleicht tot und unter den Steinmassen begraben. Das ist jedoch nicht geschehen, weil er nach rationellen Überlegungen einem plötzlichen Impuls nachgab und die Bedingungen sich dementsprechend änderten.
Dies findet aber auch seinen Grund in dem Mann selbst, denn wäre nur seine momentane Gemütslage anders gewesen, hätte er den Wunsch nach der Landschaftsbetrachtung gar nicht erst verspürt und der Impuls wäre ausgeblieben. So war es also unvermeidlich, daß er anhält und nicht von den Ereignissen "überrollt" wurde.

Zufälle gibt es also gar nicht, sondern lediglich eine Menge unbestimmter Faktoren die wir weder beeinflussen können noch wollen.
An Zufälle zu glauben, hieße an Wunder zu glauben.

Ganz spekulativ könnten sogar die Schallwellen des Motors als letzter auslösender Grund in der engen Schlucht den Hang zum Einsturz gebracht haben.

Zitat:
Zurück zur Hirnforschung: Wie gesagt, seine Entscheidung war bauchgesteuert. Sein bewusstes Ich reagierte und setze sein Wollen in die Tat um. Die Ursachen können vielfältig sein: Er wollte - unbewusst - eine schöne Landschaft genießen, musste vielleicht pinkeln. Oder das Ereignis überwältigte ihn so sehr, dass er sich hinterher nicht mehr an den ursprünglichen Grund seines Anhaltens erinnern konnte (oder wollte!), weil es nicht in die so wunderbar sich fügende "Legende" gepasst hätte. Eine gute Geschichte ist eben immer besser als eine nüchterne Wahrheit. Da biegt man sich oft was zurecht und glaubt nach einiger Zeit vielleicht sogar selbst daran.
Nein, lediglich der Impuls, also der auslösende Reiz war bauchgesteuert, nicht aber die Entscheidung als solche, die in einer solchen Situation, nämlich als der Führer einer Maschine, abgewogen werden musste.
Egal ob er schauen wollte oder pinkeln musste, das sind beides keine stichhaltigen Gründe um einem solchen Impuls sofort und ohne Überlegung nachzugeben. Wie schon gesagt, das mache ich auch nicht auf der Autobahn.
Wenn ich merke, daß ich starken Harndrang habe, ist es mir klar, daß ich anhalten muss, damit mir nicht die Blase platzt, dafür ist dieser Reiz ja da, jedoch bestimme ich die Gelegenheit selbst nach vernünftigen und rationellen Überlegungen.
Letztendlich ist wohl ein Fakt, daß wenn ich eine weitere Strecke fahre, irgendwann einmal anhalten muss, um mich zu erleichtern, das ist jedoch keine relevante Entscheidung, weil der Zeitpunkt sowieso schon feststeht, wann dieses spätestens passieren muss, denn es ist davon abhängig, wie viel und welche Flüssigkeit ich zu mir genommen habe und wie gut momentan meine Nieren funktionieren, wobei wir wieder beim Satz vom zureichenden Grunde wären, der sämtliche Zufälle ausschließt.

Zitat:
Man muss sich nur mal vor Augen halten, wie sehr sich schon einfachste Beobachtungen in Zeugenaussagen unterscheiden oder gar widersprechen. Wir funktionieren eben extrem subjektiv, bilden uns aber gern ein, wir würden alle die Umwelt relativ objektiv wahrnehmen. Pustekuchen!
Das mag vielleicht für einfache Gemüter und damit den großen Teil der Menschheit gelten, jedoch nicht für diejenigen, die sich dieser Tatsache durchaus bewusst sind.
Die Welt ist meine Vorstellung, wie Schopenhauer schon sagte.
Alle Sinneseindrücke sind bloße Reize und jene kann ich nur nach den mir gegebenen Fähigkeiten verarbeiten und verstehen.
Hier stimme ich uneingeschränkt zu.

Zitat:
BEWUSST funktionieren wir eben nur bei solchen Gelegenheiten wie dieser hier: Wenn es um "geistige" Inhalte geht. Aber schon der "Gusto" auf was anderes (Tasse Kaffee, Hunger, Durst, ungeklärte Probleme, soziale Mechanismen, ...) lenkt uns ab, und schon wieder folgen wir einem unbewussten Impuls, der uns - ohne dass wir an Manipulation auch denken würden, da wir nicht bewusst zwischen geistigen und unterbewussten Befehlen unterscheiden - woanders hindrängt, obwohl wir diesbezüglich nie eine fundierte geistige Entscheidung getroffen hatten.
Das wäre nur dann richtig, wenn jeder von uns nur ein bestimmtes Ziel verfolgen würde.
Es ist durchaus möglich, daß ich eine Tätigkeit unterbreche, um zu Essen, weil ich Hunger oder Durst habe, um auszutreten, wenn ich Harndrang verspüre oder sonstige körperliche Bedürfnisse erfüllen will/muss, jedoch nicht zwangsläufig notwendig und gegeben, weil mir die Entscheidung immer noch selbst obliegt, ob ich damit warten kann oder will. Daß ich es irgendwann tun muss, ist hingegen keine Frage. Aber auch dieses kann ich bewusst tun.
Die Tasse Kaffe ist dafür ein gutes Beispiel.
Immer wenn ich Kaffe rieche, läuft mir das Wasser im Munde zusammen und ich könnte vor Sehnsucht fast vergehen, weil ich ihn wirklich gerne mag.
Jedoch werde ich mich jedes Mal bewusst dagegen entscheiden, weil ich weiß, daß er mir nicht bekommt und bei mir Gallenkoliken auslösen kann.
Das ist also wiederum eine bewusste Entscheidung zwischen zwei Alternativen, die ich gegeneinander abwägen muss.
Entweder dem Wunsch nachgeben und in Kauf zu nehmen dabei krank zu werden, oder verzichten, weil mir mein Wohlbefinden mehr bedeutet.
So geht es mir übrigens auch mit dem Alkohol, auf den ich bewusst seit vielen Jahren verzichte. Und zwar nicht, weil er mich krank macht, sondern aus rationellen Entscheidungsgründen heraus, die ich für mich getroffen habe.
Ungelöste Probleme und soziale Mechanismen hingegen setzen schon wieder ein bewusstes Denken an Konsequenzen oder Folgen voraus.
Ob solche Entscheidungen immer vernünftig sind, mag dahingestellt sein, aber sie werden dementsprechend trotzdem bewusst gefällt.

Zitat:
Das Bewusstsein baut diese Entscheidungen wie selbstverständlich hinterher in sein Selbstbild ein, sodass der Eindruck entsteht, wir hätten uns - also als Ganzes, MIT Hirn eben - dafür entschieden, aber dem ist eben nicht so!
Entschuldige bitte, wenn ich an dieser Stelle die vielleicht naive Frage stelle, wer dann für uns entscheidet?
Unser Bauch, bestimmte Reize oder irgendeine abstruse äußere Kraft?
Wer bitte entscheidet für mich, wenn nicht ich als Ganzes und zwar mit und durch mein Hirn?
Von wem werde ich also fremdgesteuert?
Selbst wenn es nur Gefühle, Instinkte, Triebe, Mechanismen sein sollten, so sind diese aber immer noch meine eigenen, die in mir sind, die mich ausmachen und damit meine Persönlichkeit.
Niemand kann mich zwingen etwas zu tun oder zu entscheiden, wenn ich es als Ganzes nicht will. Das Schlimmste, was man mir androhen könnte, wären körperliche und seelische Schmerzen oder meine Vernichtung.
Wenn ich es aber schaffe, die Ängste davor zu überwinden, dann kannst du tun und lassen, was du willst, dann wirst du keinen Einfluss auf meine Entscheidungen nehmen können.

Zitat:
Deshalb auch sprechen die Hirnforscher von Ichsimulation - nicht zuletzt, weil wir tatsächlich nur sehr wenige Entscheidungen MIT Hirn treffen. Wir denken bloß, es wären mehr, weil sich unser "Geist" eben meist nur an ebendiese Entscheidungen auch "bewusst" erinnert! (So wie in verblassender Erinnerung die "guten alten Zeiten" immer "schöner", immer verklärter werden - man erinnert sich eben nur an das Gute.)
Die Hirnforscher können das Ding meinetwegen nennen, wie sie wollen, wir treffen alle Entscheidungen mit Hirn, dafür ist dieses Organ nämlich da.
Daß dabei viele Prozesse unbewusst, ja automatisch ablaufen, will ich gar nicht in Abrede stellen, wahrscheinlich wären wir sonst auch überfordert, doch ich bleibe dabei, daß alle relevanten Entscheidungen nach den Fähigkeiten meines abstrakten Denkapparates getroffen werden.
Das nämlich unterscheidet uns von den anderen Lebewesen auf unserer Erde.

Zitat:
Nach reiflicher Erprobung dieser Erkenntnisse am eigenen Dasein konnte ich diesen Aussagen nur beipflichten. Du - als vom Wert und der Bedeutung des Geistigen Überzeugter - möchtest es natürlich gern anders sehen, weil eine solche Sicht der Dinge den "Wert" des eigenen Selbst zu schmälern scheint.
Das möchte ich nicht nur gerne anders sehen, das ist auch anders, was schon dein Satz beweist: "Nach reiflicher Erprobung dieser Erkenntnisse am eigenen Dasein konnte ich diesen Aussagen nur beipflichten."
Das ist nämlich nur auf rein geistiger Ebene möglich, wie so viele Dinge, die nur auf dieser Ebene ablaufen können.
Nehmen wir nur einmal die Mathematik, eine Wissenschaft die rein a priori existiert, weil sie nur analytische Urteile enthält und die Grundlage für alle uns bekannten Wissenschaften darstellt, ja ohne die wir wahrscheinlich gar keine Wissenschaften hätten.
Eine rein geistige Wissenschaft also, auf deren Basis erst alle Erkenntnisse möglich werden, sogar die der Hirnforscher.
Da geht es gar nicht mehr darum, den Wert des eigenen Selbst zu überschätzen oder zu schmälern, sondern nur noch um das Erkennen.

Zitat:
Da kommt dann wieder die anthroprozentrische Selbstüberschätzung ins Spiel,
die den Menschen gern als "Krone der Schöpfung", als "Herrn der Erde" - oder, wenn schon das nicht, so doch wenigstens als "Herr seiner selbst" sehen möchte. Nun, nicht einmal DAS sind wir offenbar. Schade. Soviel Philosophie für nix und wieder nix! Ein Pech aber auch....
Nun, ich ziehe den Anthropozentrismus auf jeden Fall dem Theozentrismus vor.
Hier, wo ich bin, ist der Mittelpunkt meines Universums, denn alles andere existiert außerhalb von mir.
Ich gehe nicht so weit zu behaupten, daß es nur für mich existiert, denn ich sehe mich lediglich als einen Teil der Natur, auf die ich in meiner Existenz angewiesen bin, die es deshalb zu schützen gilt, da sie einzigartig und damit für den Menschen unverzichtbar ist, weil wir sie, von materiellen Belangen abgesehen, brauchen, um gut und glücklich leben zu können und die deshalb respektvoll zu behandeln ist, nicht zuletzt auch darum, um zu lernen auch friedvoller und besser untereinander und miteinander umzugehen.
Darin sehe ich nichts Verwerfliches.

Und jetzt mal ganz ehrlich: Was hat die Natur Perfekteres als den Menschen hervorgebracht, dieses hochkomplexe Lebewesen, das in der Lage ist, abstrakte Gedanken zu entwickeln und sich überhaupt um die eigene und die Existenz aller anderen Dinge, einschließlich der Natur selbst, bewusst zu werden?

Und daran wird auch alle Wissenschaft nichts ändern können, weil diese eben auch nur ein Menschwerk ist, also erst durch den Menschen ihre Daseinsberechtigung gefunden hat und seine eigene Schöpfung ist.

Und die will mir nun einreden, ich sei nur eine Ichsimulation und ein funktionierender und denkender Zellhaufen?

Fragt sich also letztlich, wer sich da selbst überschätzt, der Schöpfer oder seine Schöpfung, nicht wahr?


Liebe Grüße

Falderwald


PS: Ich habe den ganzen Faden jetzt mal in das neue Forum kopiert.
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 23.05.2011, 10:46   #38
Erich Kykal
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Hi, Faldi!

Manchmal gleitest du in deinem Erkenntnisfolgeprozess so reibungslos an dem ab, was ich eigentlich aussagen wollte, dass ich schon fast glaube, du willst es ganz bewußt nicht verstehen...
Kannst du dir AUSSER Anthropo- und Theozentrismus nix vorstellen - zum Beispiel: Gar nichts!?
Und warum MUSS da bitteschön irgendwas sein?

Es gibt keine Götter, zumindest nicht, wie ein Großteil der denkunwilligen Menschheit es verstehen will. Was in möglicherweise entwicklungsgeschichtlich akzelerierteren Wesenheiten vorgeht, entzieht sich meiner Kenntnis, aber da ich ein mögliches Eingreifen ihrerseits auch nicht erkennen und somit beurteilen kann, spielt das auch keinerlei Rolle.

Aber auch der Mensch nimmt sich zu "wichtig". Du fragst, WER dann Entscheidungen für uns trifft? NIEMAND, hoffe ich doch sehr!!! Letztlich hat unsere impulsgesteuerte Existenz hoffentlich (!) keinen Sinn außer dem, den wir selbst ihm verleihen.
Manche versteigen sich dabei gern in sendungsbewußten Fanatismus. Ehrlich gesagt, da ist mir die Vorstellung lieber, niemandes Jünger und/oder Sendbote zu sein, egal, ob man irgendeinen ausgedachten Gott propagiert oder irgendein ausgedachtes Welt- oder Selbstbild, das dann bis auf's Blut verteidigt wird, um ein Selbstwertgefühl zu erhalten.

Wir treiben letztlich alle und fühlen ständig das Wasser an den Knöcheln. Ob wir rechtzeitig schwimmen lernen, wenn unser krude gezimmertes Floß zerfällt, hängt davon ab, wie anpassungsfähig wir im Kopf sind. Wer sich zu sehr fürchtet oder zu sehr irgendetwas "glaubt", wird - oder lässt sich lieber - ertrinken, als einzutauchen und das neue Medium willkommen zu heißen, was immer es auch sei.

Ich bleibe lieber offen, als allzusehr irgendetwas zu "glauben". Deshalb ist es mir eigentlich auch schnurz, wer von uns hier nun recht(er) hat. So sehe ich die Sache im Lichte der (Lebens-)Philosophie. Natürlich als unbelesener Laie - und vielleicht grade deshalb irgendwie unverbauter...)

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (23.05.2011 um 10:51 Uhr)
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Alt 23.05.2011, 21:22   #39
Stimme der Zeit
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Hallo, Faldi, und Hallo, Eky!

Erich, du warst schneller, deshalb entschuldige, aber ich hatte den Beitrag bezüglich Faldis Kommentar schon fertig.

Also an Falderwald:

Sehr interessant, wie du hier den Entscheidungsprozess schilderst. Sieben Sekunden, zur Kenntnis genommen. Auch die Tatsache, dass laut deinen Überlegungen 90 % der Entscheidungen bewusst unter logischen Aspekten getroffen werden. Nun, das ist zwar auch so, denn du triffst immer eine Wahl - aber nicht mittels deines Bewusstseins, denn das ist nur ein kleiner Teil von dir. Jeder bewussten Entscheidung geht eine Unbewusste voraus, deren Projektion in das Bewusstsein erweckt den Eindruck, sie wäre bewusst. Das ist sie aber erst, seit sie im bewussten Denken angekommen ist, also erst seit diesem Moment des Eintreffens, in dem die bewusste Wahrnehmung eines Gedankens als solcher stattfindet.

Ich möchte auf den Begriff "Entscheidung" gerne näher eingehen, gewissermaßen widme ich ihr diesen Beitrag. Der Proband wusste im Voraus, dass er eine Entscheidung treffen würde. Diese Untersuchung ist meines Erachtens daher ohne echte Beweiskraft, denn: Wie soll überprüft bzw. verglichen werden, welchen Zeitraum eine Entscheidung benötigt, wenn der Proband nichts vorab davon weiß? In diesem Experiment wurde er zu einer Entscheidung (in Form einer Aufgabe) aufgefordert. Die "Rechnung" geht also nicht auf ...

Hier wird, meiner Meinung, von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Denn: Wenn man die falschen Zahlen (eine dem Probanden vorher bekannte, ganz bestimmte Aufgabe) hat, dann mag die Rechenformel an sich stimmen (hier: es gibt den Prozess der Entscheidung), aber es kommt ein falsches Ergebnis dabei heraus. Für mich ist das nicht schlüssig, es sagt mir nicht beweiskräftig, wie lange das Treffen einer Entscheidung tatsächlich braucht - ohne das Vorwissen, wenn sie also als extern unbeeinflusster Prozess stattfinden würde. Dabei ist die Crux, dass man ohne das Informieren des Probanden eben ein solches Experiment überhaupt nicht durchführen kann.

Tatsache ist (für mich), dass wir außer dem Bewusstsein auch noch etwas Anderes haben, nämlich einen extrem leistungsfähigen und blitzschnellen organischen "Supercomputer" in unserem Kopf. Einen Teil davon bezeichnen wir als die Steuerung der biologischen Prozesse, einen Teil als Instinkt, einen Teil als Emotion und einen Teil als "Denken auf der Sub-Ebene" - das Unterbewusstsein. Der allergrößte Teil unseres Denken findet nicht auf bewusster Ebene statt, sondern auf einer der "Ebenen darunter".

Ein Beispiel: Wie steigen wir eine Treppe hoch? Wir setzen einen Fuß vor den anderen. Denken wir dabei bewusst an jeden Schritt, daran, dass wir den Fuß heben und das auch noch in eine ganz bestimmte Höhe? (Die Höhe der Stufen ist hierzulande genormt, aus der Erinnerung heraus wissen wir, welche Abläufe nötig sind, daher steigen wir Treppen ganz automatisch. Betreten wir jedoch eine defekte Rolltreppe, dann bemerken wir den Unterschied, aber schon nach ein, zwei Stufen brauchen wir nicht mehr daran zu denken). Denken wir an die Bewegung jedes einzelnen Muskels, der dafür nötig ist, an die Steigerung der Durchblutung, an die Erhöhung der Puls- und Atemfrequenz, an die biochemischen Vorgänge, die dafür nötig sind, etc. ? Natürlich nicht, denn das würde ja auch bedeuten, dass alle auf der Sub-Ebene ablaufenden Steuerungsprozesse des Körpers bewusst bedacht werden müssten - ein Ding der Unmöglichkeit. Wir würden es nicht einmal schaffen, uns auch nur um die Atmung zu kümmern, in diesem Fall wäre nicht nur das bewusste Denken unmöglich, sondern das Leben an sich ebenfalls. Nein, das alles muss ohne bewusste Denkvorgänge funktionieren. Also haben wir mindestens 2 Denkebenen - ich persönlich neige zu der Behauptung, dass wir sogar auf mehreren Ebenen buchstäblich gleichzeitig denken - aber diese Ebenen dürfen nur indirekten, bzw. keinen unmittelbaren Zugang zueinander haben, sonst würde es nicht funktionieren. Ich sah vor zwei oder drei Jahren eine sehr interessante Dokumentation im Fernsehen, einen Test, bei dem es um den Begriff "Instinkt" ging, also um das sogenannte "Bauchgefühl". Offenbar errechnet unser Supercomputer unabhängig vom Bewusstsein innerhalb von Nanosekunden (vermutlich aber noch weitaus schneller) eine Wahrscheinlichkeit; dabei wird von einer 1:7-Regelung ausgegangen. Logisch, dass wir den Eindruck haben, unser Bauchgefühl, der sogenannte 6. Sinn, habe häufig recht, denn die "Trefferquote" ist hoch. Da unser (bewusstes!) Gedächtnis dazu neigt, Nicht-Zutreffendes zu überspringen bzw. als nicht relevant zu werten, ist die gefühlt-erinnerte Quote natürlich beträchtlich höher - was dazu führt, dass wir den subjektiv korrekten und objektiv irrigen Eindruck haben, unser Instinkt sei etwas, auf das wir uns verlassen können. Genau dieser geistige Mechanismus wiederum ist notwendig, damit wir auf unseren Instinkt im Falle des Falles auch hören - was unser Überleben wahrscheinlicher macht, hier bedingt das Eine das Andere. Das ist eine extrem schnelle Hochleistungsberechnung, die mit Wahrscheinlichkeiten operiert, selbst wenn man alle Computer der Welt "zusammenschalten" würde, könnte diese Leistung und Geschwindigkeit nicht erreicht werden. Und hier handelt es sich nur um ein menschliches Gehirn - Hut ab vor der Natur als "PC-Entwicklerin" ...

Parallel dazu steuert eine weitere Ebene alle biologisch-chemisch-elektrischen Abläufe im menschlichen Organismus, ebenfalls ohne unser bewusstes Denken. Und: Bis jetzt hat die Forschung, abgesehen von der Tatsache, dass unser neurales Netzwerk mittels bioelektrischer Impulse "funktioniert", nicht viel heraus gefunden, und selbst das ist nicht sicher - denn wir denken auf unseren "Sub-Ebenen" schneller, als Elektrizität (der Elektronenstrom) fließen kann. Dazu kommt noch die Komplexität biochemischer Prozesse, ich habe auch, gelinge gesagt, nicht die leiseste Ahnung, was da alles ununterbrochen wirklich vor sich geht. Alle diese Ebenen kommunizieren miteinander, aber auf eine für uns bewusst nicht begreifbare Art und Weise.

Jeder Entscheidung liegt eine extrem komplizierte Wahrscheinlichkeitsberechnung zu Grunde, das Ergebnis wird ins Bewusstsein gesendet - die wirkliche Entscheidung wird nicht bewusst getroffen. Was also ist mit unserem freien Willen? Ganz einfach, wir wählen ja, und das mit einer unglaublichen Effektivität - nur eben nicht in dem kleinen, bewussten Teil unseres Selbst, den wir "Bewusstsein" nennen, und der nur einen Bruchteil der Gesamtkapazität ausmacht. Wir nutzen viel, viel mehr, gar nicht wirklich einzuschätzen, was da auf diesen Ebenen abläuft. Aber : Diese Ebenen, sie sind auch "Wir" - man kann ein Selbst nicht in Stücke teilen wie einen Apfel. Das "ganze bzw. wahre Ich" ist all das, und vielleicht noch mehr, das bislang nur unbekannt und unerforscht ist.

(Ein interessantes, wenn auch empirisch nicht beweisbar, daher rein hypothetisches Zwischenspiel: Es gab sogar eine Überlegung, ob wir vielleicht mit Tachyonen (superluminare Teilchen) denken - also Teilchen, die schneller als das Licht sind, möglicherweise sogar eine "unendliche" Geschwindigkeit erreichen können. Aber das ist nur spekulativ, denn die Existenz von Tachyonen ist bislang nicht bewiesen worden, ihre Existenz kann aber vom experimentiellen Standpunkt aus nicht ausgeschlossen werden - auch im Bezug auf die String-Theorien existieren Modelle, in denen sie eine Rolle spielen.)

Zurück zum Thema Entscheidung.

Was also ging im Gehirn des Autofahrers vor sich, als sein Instinkt, sein 6. Sinn, ihm sagte er solle anhalten?

Sonnenstand, Bewegung, Geschwindigkeit, das Fahren, die körperlichen Eigenschaften des Fahrers (das "Selbst" erfasst sich auch innerlich/äußerlich selbst), die Fahrtstrecke, die Dauer, der Berg, die Struktur des Berghanges, das Wetter, die Eigenschaften des Autos, die Windgeschwindigkeit und ihre Einwirkung auf das Fahrmoment, die Beschaffenheit der Straße ... (diese Liste könnte ellenlang weitergeführt werden, und wäre dennoch kaum vollständig zu erfassen). Alle externen Daten aus der Wahrnehmung unserer Sinne und Empfindungen und deren zeitgleiche Identifizierung und Einordnung in bekannte Muster werden auf der Sub-Ebene erfasst und gespeichert.

Dann kommt noch etwas sehr Wichtiges dazu: Unser Gehirn vergleicht all diesen "Input" in unglaublicher Geschwindigkeit mit sämtlichen bereits bekannten Daten aus der Erinnerung. Also mit jeder Autofahrt, die dieser Mensch jemals gemacht hat, aller Eindrücke, die jeweils dabei erfasst wurden. Alle anderen gespeicherten Informationen, also alles, was über Bergrutsche, das Wetter der letzten Zeit an diesem Ort, an dem die Fahrt stattfindet, alle Informationen, die je aus Fernsehberichten, Zeitungsartikeln, Gesprächen oder sonstigen "Informationsträgern" entnommen wurden; einschließlich des Wetters und dessen Auswirkungen auf das Material, aus dem der Hang besteht, etc. (auch diese Aufzählung kann beinahe endlos fortgesetzt werden). Aus diesem riesigen Datenspeicher (man nennt ihn Erinnerung - aber bitte nicht mit dem kleinen Teil davon, den man bewusste Erinnerung nennt, verwechseln, damit ist die Gesamtheit aller Erinnerungen gemeint). Daraus wird ein Abgleich mit den momentanen "Daten" getroffen und daraus wird eine Wahrscheinlichkeitsberechnung erstellt. Das Ergebnis: Das "Unterbewusstsein" hat aus all diesen Faktoren berechnet, dass eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass ein Bergrutsch stattfinden wird, und nicht nur das - sondern auch den wahrscheinlichsten Zeitpunkt und den wahrscheinlichsten Ort!

Resultat: Eine Warnung des Unterbewusstseins wird ins Bewusstsein gesendet, in diesem Fall mit höchster Dringlichkeitsstufe - Lebensgefahr! Eine unmittelbare, existenzielle Bedrohung, auf die eine unmittelbare Reaktion erfolgt: Der Autofahrer hält an. Das Ergebnis dieser Berechnung ist für die geringe Kapazität des Bewusstseins nicht fassbar, es wäre ihm zu hoch, also erfolgt eine Warnung auf der Gefühlsebene, die immer in engem Kontakt zur bewussten Denkebene steht, es wird eine emotionale Empfindung projiziiert - das Gefühl des "6. Sinns". Das Bewusstsein ist so konstruiert, dass es eine Begründung und eine Nachvollziehbarkeit für Entscheidungen benötigt - für eine solche Übertragung wäre in einem derart akuten Notfall keine Zeit, das bräuchte viel zu lange. Also wird ein dringender, heftiger Impuls übermittelt - dieser braucht keine Erklärung, wir reagieren darauf, ohne nachzudenken oder zu hinterfragen, so sind wir programmiert. Das führt zu einer schnellen, direkten Reaktion, die dem Autofahrer das Leben rettet. Gerettet hat er "sich selbst". Dieser "Programmablauf" ist ein echter, grundlegender Überlebensmechnismus (und sehr effektiv!), denn hierbei ist die Geschwindigkeit alles - und unser Bewusstsein ist (leider) ziemlich "lahm" ...

Um überleben zu können, müssen wir in der Lage sein, in bedrohlichen Situationen extrem schnelle Entscheidungen zu treffen. Keine Zeit, um nachzudenken, es muss gehandelt werden - sofort! Das Potential und die Geschwindigkeit des bewussten Anteils unseres Selbst ist dafür zu gering. In diesem Fall wären wir als Spezies niemals überlebensfähig gewesen, es gäbe uns nicht bzw. nicht mehr.

Ich habe mich hier mit dem Aspekt "Entscheidung" befasst, weil das bereits für sich alleine genommen ein sehr weites Feld ist. Und auch ein überaus faszinierendes und spannendes. Wir Menschen sind, so denke ich, weitaus mehr als gemeinhin angenommen wird - meiner Meinung nach macht das "Bewusste Ich" nur einen Bruchteil des "Ganzen" aus. Also ist unser "wahres Selbst" viel größer und komplexer - es liegt nur (notwendigerweise!) außerhalb unserer bewussten Wahrnehmung. Dennoch nehmen wir es wahr, aber eben auf ganz anderen Ebenen ...

Mein persönliches Fazit aus diesen meinen Überlegungen und Postulationen: Wir sind mehr als nur die Summe unserer "Teile". Das "Selbst" ist mehr als nur das bewusst wahrgenommene Stückchen mit dem Namen "Ich".

Natürlich sind das hier zu einem guten Teil meine eigenen Gedanken, ich behaupte daher nicht, ich hätte unbedingt recht! Ich beschäftige mich nur leidenschaftlich gerne mit einer so interessanten Thematik, denn ich glaube, das Gehirn ist zum Denken da.

In diesem Sinne: Man liest sich, jederzeit und gerne!

Liebe Grüße

Stimme der Zeit
__________________
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Im Forum findet sich in unserer "Eiland-Bibliothek" jetzt ein "Virtueller Schiller-Salon" mit einer Einladung zur "Offenen Tafel".

Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


Stimme der Zeit ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.05.2011, 00:28   #40
Falderwald
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Zu Anfang ein Vorschlag:

Ich möchte anregen, daß wir in dieser Rubrik die Doppelpost-Regel außer Kraft setzen.

Warum?

Ich las gerade während meiner Antwort an Erich den sehr komplexen und umfangreichen Beitrag von Stimme. Um beiden Beiträgen gerecht werden zu können, sie haben es nämlich verdient, der eine so , der andere so würde ich gerne getrennt antworten, denn dies in einem Beitrag zu machen, würde meinen heutigen Zeitrahmen sprengen.

Natürlich soll hier niemand einen längeren Monolog führen, aber die Beiträge fliegen ja auch hier nicht so hinein, erfordern sie doch einigen Aufwand.
Und diese Ausnahmeregelung käme ja nicht nur mir zugute.

-----------------------------------------------------------------------

Moin Erich,

ein Wort vorab bitte:
Ich stimme Arthur Schopenhauer zu, der sagte, das ist meine Philosophie, der nie behauptete, es ist so, sondern nur versuchte zu erklären, wie er die Beweislage sieht und was seiner Meinung nach der Wahrheit entspricht.
Er hat stets mit Tatsachen, die seinem damaligen Kenntnisstand zugrunde lagen, argumentiert und seine Beweise geführt.
Es war sein Ansinnen, Stoff zum Denken zu geben und überlässt es stets seinem Leser, eigene Schlüsse zu ziehen, und alles ohne jemals dabei in wilde Spekulationen abzurutschen.
Ich habe bisher viel von ihm lernen können, denn er ist auch heute noch in seinen Schriften ein guter, wissender und weiser Lehrer, dem ich als durchaus kritischer Schüler sehr willkommen gewesen wäre, denn wir "diskutieren" oft miteinander, weil wir nicht immer einer Meinung sind, obwohl er oft Recht behält.
Ich werde deshalb in einen Teil meiner Antwort (*-*) einige seiner Überlegungen mit einfließen lassen, und zwar aus seiner gekrönten Preisschrift "Über die Freiheit des Willens" von 1839.
Das möchte und muss ich erwähnen und das bin ihm schuldig, denn er hat mich mit seinen Worten auf meine Gedanken gebracht. Ich könnte aber einige Dinge nicht einfacher und verständlicher ausdrücken, ohne dabei weit ausholen zu müssen und das darf ich auch, denn ich benutze zwar seine unwiderlegbaren Fakten, die immer noch Gültigkeit besitzen, verfolge jedoch damit letztendlich ein anderes Ziel.

Soviel dazu, jetzt zurück zu deiner letzten Replik:

Also ehrlich gesagt, bin ich jetzt ein wenig enttäuscht von deiner Antwort.

An anderer Stelle erwähntest du unsere furztrockene Fachsimpelei humoristisch, doch jetzt habe ich den Eindruck, du hast keine rechte Lust mehr an dieser Art der Diskussion, deshalb lass uns jetzt mal, ich denke, wir zwei können uns das auf gleicher Augenhöhe erlauben, ein wenig Feuer und damit Schwung und Würze in diese Diskussion einbringen.
Nehmen wir das Ganze also mal nicht so verbissen ernst.

Du bist ein Scherzbold, echt.
Glaubst du wirklich, ich hätte die, sicherlich nicht böse gemeinten, versteckten Anspielungen nicht verstanden?
Es war doch nur ein kleiner Konter und selbstverständlich kann ich mir außer Anthropozentrismus und Theozentrismus noch eine ganze Menge vorstellen.

Es ist natürlich kein Wunder daß du glaubst, ich gleite mit meinem Erkenntnisfolgeprozess so reibungslos an dem ab, was du eigentlich aussagen wolltest, denn ich bin ja sehr explizit und ausführlich auf jede deiner Aussagen eingegangen und habe sie dabei weitestgehend widerlegen können.
Das konnte nur deshalb so gut gelingen, weil ich sehr wohl verstanden habe, was du mir mitteilen wolltest, ich glaube es nur nicht.

Im Grunde genommen sind wir uns doch einig, was die Religion angeht, deshalb kann ich auch nicht verstehen, warum du mir gegenüber immer wieder erwähnst, daß es keine Götter gibt.
Wieso beziehst du meine Aussage, da müsse noch etwas sein, auf irgendeinen spirituellen Hokuspokus, wo ich doch immer wieder darauf hingewiesen habe, daß ich dies der Metaphysik zuordne?

Diese ist nämlich absolut notwendig, da die gesamte Wissenschaft in bestimmten Dingen immer wieder in erhebliche Erklärungsnöte gerät und außer ihren eigenen Dogmen, auf denen sie ohne Wenn und Aber aufbaut, nichts vorzuweisen hat.

*Das zeigt sich in der gesamten Physik und Chemie, die bei ihren Erklärungen Naturkräfte vorausetzen, die sich in Phänomenen äußern und in der Zurückführung auf welche die ganze Erklärung besteht.
Diese Naturkräfte selbst aber sind weder Erklärungen unterworfen, sie sind nämlich das Prinzip aller Erklärungen selbst, noch sind sie irgendwelcher Kausalität unterworfen, sondern sind genau das, was jeglicher Ursache die Kausalität, also die Fähigkeit zu wirken, verleiht.

Nehmen wir als Beispiel das Phänomen des Magnetismus'.
Das wird zurückgeführt auf die urprüngliche Naturkraft der Elektrizität.
Und nun?
Nun schweigt die Wissenschaft, die zwar diese Kraft zu erzeugen und sie zu nutzen weiß, die auch ihre Wirkung zu erklären versteht, nicht aber was jene ursprüngliche Naturkraft eigentlich ist!
Nein, sie kann lediglich die Bedingungen angeben unter denen sie sich äußert, d. h. die Ursachen, welche ihre Wirksamkeit hervorrufen.
Das Gleiche gilt für die Gravitation, deren ursprüngliche Naturkraft die Voraussetzung für die Erklärung der himmlischen Mechanik ist.
Was sind das für geheime Kräfte, aus welcher die Chemie ihre Erklärungen für bestimmte stoffliche Reaktionen voraussetzt und auf denen alle Wirkungen zuletzt beruhen, welche, durch Ursachen, die man angibt, hervorgerufen, pünktlich eintreten?
Ebenso setzen alle Erklärungen der Physiologie die Lebenskraft voraus, als welche auf spezifische innere und äußere Reize bestimmt reagiert.
Selbst die Grundlagen der Mechanik, die sich mit Stoß und Druck beschäftigen, benötigen als Erklärung Undurchdringlichkeit, Kohäsion, Starrheit, Härte, Trägheit, Schwere, Elastizität die nichts weniger als die schon erwähnten ursprünglichen Naturkräfte sind.

So bleibt also nur ein Fazit:

Zitat:
Zitat von Schopi
Ursprüngliche Kraft setzt jede Kausalität und jede Erklärung aus ihr voraus: daher eben letztere nie alles erklärt, sondern stets ein Unerklärliches übriglässt.
So weit kommen wir also mit der Wissenschaft und das meinte ich mit "da muss es noch etwas anderes geben". *

---------------------------------------------

Mir ist es letztendlich egal, ob jemand an einen Gott (Religion) oder die Wissenschaft glaubt, denn im Grunde unterscheidet sich das kaum voneinander, denn beide, Religion wie Wissenschaft begründen sich durch ihre unerklärlichen Dogmen, mit dem einzigen Unterschied der moralischen und ethischen Aspekte, die der reinen Wissenschaft völlig abgehen und damit für den gebildeten und intelligenten Menschen noch leichtere Lebensanschauungen, da sie logisch nachvollziehbarer und bewertungsfreier sind, bieten.
Jedoch können auch letztere sich den moralischen und ethischen Instanzen nicht entziehen und das ist es ja auch, was den Menschen vom Tier unterscheidet und nicht nur seine Fähigkeit des abstrakten Denkens.
Und schon wären wir auf der geistigen Ebene angelangt.

Ich habe nun ein wenig recherchiert und bin zu dem Resultat gekommen, daß die These der "Ichsimulation" ein nettes theoretisches Modell ist, mehr aber auch nicht.
Kann man ja mal drüber reden, aber letztendlich sprechen zu viele Fakten dagegen.

Ich muss noch einmal wiederholen:
Ich bin im Besitz eines sehr komfortablen Körpers, der mit guten Sinnesorganen, feinen Werkzeugen und einem durchschnittlich funktionierenden Denkorgan ausgerüstet ist.
Diesen Körper kann ich mit meinem Willen steuern. Er geht wohin es mir beliebt (sofern mir die technischen Möglichkeiten dazu zur Verfügung stehen), er lässt mich Handlungen ausführen und er lässt mir Raum für wesentliche Willensentscheidungen.
Er ist bestens ausgestattet dafür, mich mit der Außenwelt in Kontakt zu bringen, die Steuerungsfunktionen für alle Handlungen und die lebenserhaltenden Systeme zu übernehmen und auszuführen, mich zu warnen und so gut es geht zu schützen, er lernt mit mir, was gut ist und sich bewährt hat und richtet sogar bestimmte Automatismen zur Durchführung diesbezüglicher regelmäßiger Handlungen ein und das überlasse ich auch gerne ihm, nebst den vielen dazugehörigen Entscheidungen, ja ich bin sogar dankbar dafür weil ich mich damit gar nicht befassen will (und es auch gar nicht könnte bei der Komplexität der Aufgaben).
Es gibt aber viele Dinge, die meine persönlichen und individuellen Lebensumstände betreffen und die nur ich bewusst entscheiden kann.
Dabei muss ich abwägen und es gibt immer wieder äußere und innere Faktoren, die diese Entscheidungen beeinflussen, jedoch liegt es an mir, die sich bietenden Möglichkeiten unter der Berücksichtigung der Grenzen meiner Fähigkeiten einzuschätzen, also ein Urteil zu fällen.
Das muss zwangsläufig nicht immer richtig sein, doch es obliegt letztendlich mir und meinem Willen. Ob letzterer nun frei ist oder nicht, doch das ist hier nicht das Thema, denn es geht nur um die mir wesentlichen Willensentscheidungen.

Mein Körper und ich gehören zusammen, denn wir sind untrennbar miteinander verbunden, einer Symbiose vergleichbar.
Erst als Einheit sind wir existenzfähig und wenn wir sterben, dann geht diese spezielle und einmalige Individualität verloren.
Was aber mit der oben erwähnten Lebenskraft geschieht, wenn sie diesen Körper verlässt, wissen wir nicht und es wird die letzte Erfahrung oder aber auch eben nicht sein.

Und da können die Gehrinforscher gerne mit allen möglichen technischen Geräten unter zu Hifenahme der o. a. ursprünglichen, aber unerklärbaren Naturkräfte in meinen Schädel reinschauen und bestimmte Funktionen und Reaktionen in verschiedenen Regionen meines Hirnes sichtbar machen, sie werden doch niemals den Gesamtzusammenhang erfassen, niemals mein Bewusstsein sondieren, meine Gedanken lesen und niemals die Lebenskraft sichtbar machen, geschweige denn das alles erklären können, weil sie an die eigentlichen Ursachen nicht heran kommen. Selbst die elektrochemischen Überlebensprozesse auf der Basis von Aminosäuren bleiben unerklärlich und können lediglich zur Erklärung bestimmter ablaufender Prozesse und Funktionen dienen. Aber warum das so ist, können sie nicht mal ansatzweise erklären.

Deine Aussage, daß der Mensch sich zu wichtig nimmt, ist der beste Beweis für die Existenz einer geistigen Ebene, denn darin ist eine moralische Wertung enthalten, derer nur der Mensch fähig ist und ihn deshalb von allen anderen uns bekannten Lebewesen unterscheidet, welches ihn in jedem Fall zu einem der interessantesten Forschungsobjekte erhebt.

Denn mit dem Menschen, auch wenn er diesem Ruf beileibe nicht immer gerecht wird, hat die Natur sich selbst gekrönt, indem sie ein Wesen erschaffen hat, das sich selbst und damit alles andere bewusst wahrnehmen kann.

Und an dieser Stelle möchte ich gerne Herrn Goethe zitieren, der wusste auch...

Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
bist alsobald und fort und fort gediehen
nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So musst du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
so sagten schon Sibyllen, so Propheten;
und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
geprägte Form, die lebend sich entwickelt.

(Urworte, Orphisch I)

Soviel erst einmal von einem belesenen Laien, der keineswegs eine verbaute Sichtweise besitzt, sondern dieselbe lediglich nach allen Seiten offenhält und damit keine einseitige und dogmatische vertritt.


Liebe Grüße

Falderwald


PS:

@Stimme

Du bist als nächstes dran.
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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