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Satire Zipfel Für Zyniker und andere Fieslinge

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Alt 01.01.2017, 11:35   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
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Standard Stilfrage - oder: warum ich lieber "verschwurbelt" schreibe

Man riet mir ernstlich, nüchterner zu schreiben,
zu schwülstig überladen sei mein Dichten,
zu negativ, beladen von Gewichten
der Inhalt, den die Zeilen übertreiben.

Ich solle bei moderner Sprache bleiben,
um offen klare Worte aufzuschlichten,
geradeaus wie Stämme hoher Fichten,
durch die man wandelt, ohne sich zu reiben.

Wie wäre Lyrik mir gefühlsbereinigt
und seelenloser, wenn ich dem willführe!
Wer wahre Schönheit mit Gemeinem steinigt,

erhebt den Leser nicht, verschließt die Türe
zu Klang und Tiefe, und sein Stammeln peinigt
des Lauschers Ohr mit humpelnder Allüre!
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 01.01.2017, 12:48   #2
Kokochanel
Gast
 
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So lass uns humpelnd durch die Neuzeit eilen,
sonst müsste man gedanklich noch verweilen.
So lass uns stammeln, wenn's am Geist gebricht.
Sonst mag man uns am Ende nicht


Kleiner Gedanke dazu meinerseits , Erich.
GG von Koko
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Alt 01.01.2017, 13:40   #3
Erich Kykal
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Hi, Koko!

Ach soll doch jeder schreiben wie er möchte,
wie's ihm genehm ist und dem Geiste heilig,
der ihn betreibt. Der Erde Vielfalt flöchte
sich nicht so vielgestaltig fort in Worten,
mal nüchtern schlicht, mal bunt und tausendteilig,
die wir zu lyrischem Behufe horten.


Vielen Dank für die gereimte Replik!

Entspannte Grüße, eKy
__________________
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Geändert von Erich Kykal (01.01.2017 um 15:55 Uhr)
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Alt 01.01.2017, 17:35   #4
Angelika
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Erich, was soll ich denn dazu sagen? Du bist mir ein Schlitzohr. Aber gut, jeder Anfang ist schwer, du nimmst dich hier schon etwas zurück und bist für mich sogar verständlich. Schuft!

Angelika
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Alt 01.01.2017, 20:25   #5
Erich Kykal
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Hi Angelika!

Ich weiß! Ich genieße diese Momente!

LG, eKy
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Alt 12.01.2017, 20:06   #6
Dana
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Lieber eKy,
hättest Du heute Geburtstag, würde ich so gratulieren:
"Alles Liebe und Gute für Dich und sei wie Du bist, ganz besonders im "verschwurbelten" lyrischen Erguss."

Wir sind von Nüchternheiten fast umzingelt, einst und heute. Man nehme Politik, Lebensstandart, Wissen usw. Darin kann sich jeder nüchtern, sachlich und möglichst unverschwurbelt austoben.
Poesie aber ist eine Reise, ein Ausflug in etwas Besonderes, Anderes, Schönes.
Sie darf nicht gefühlsbereinigt und schon gar nicht der Mode unterworfen sein. Mode vergeht und kehrt wieder.

Sehr schönes Sonett gegen die Nüchternheit und erfrischend der Ausgang der Diskussion darüber.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 12.01.2017, 21:24   #7
Erich Kykal
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Hi Dana!

Ich könnte gar nicht anders als Rilke nacheifern! Diese Art von Lyrik, dieser Zauber der Sprache sind es, die mich bewegen, überhaupt zu schreiben!

Wie du sagst - nüchtern abhandeln kann ich alles in Prosa, von der Bedienungaanleitung bis zur Doktorarbeit.
Ich verhehle nicht, dass nüchterne Lyrik bei passender Thematik durchaus besser geeignet ist als ein sprachverliebter Stil - aber die Magie der "edlen" Sprache liegt mir nun mal im Dichterblut!

Vielen Dank für die moralische Unterstützung!

LG, eKy
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Alt 06.02.2017, 19:19   #8
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

bleib mal schön bei deinem verschwurbelten Stil, dann kann man uns beide auch gut voneinander unterscheiden...

Es würde mich kaum tangieren, wenn mir jemand schriebe, meine Texte seien verschwurbelt.
Die Hauptsache ist doch, man ist selbst vom Ergebnis überzeugt.

Da gibt es ganz andere Wahnsinnige, die glauben, die einzig wahren Dichter zu sein und bekommen tatsächlich keinen einzigen Satz korrekt hin.
Die reimen sich irgendwas Pathetisches zusammen und glauben, das sei ganz große Lyrik.

Dagegen ist auch der verschwurbelste Kykal ein Hochgenuss, denn meist sind seine Texte absolut stimmig.
Man muss nicht immer mit den Aussagen übereinstimmen, aber so ist das nun mal.

Das ist ein passendes und schönes Sonett...


In diesem Sinne gern gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald


__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.02.2017, 10:50   #9
Erich Kykal
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Hi Faldi!

Wir kennen "die Wahnsinnigen"!

Du hast recht - wir können nun mal nicht aus unserer lyrischen Haut. Ich könnte sehr wohl kreuznüchtern und reimlos schreiben - nur wäre das dann bei aller möglichen Qualität nicht ICH! Ich kann mich nun mal nur so verwirklichen, wie es mir selbst nahe steht und gefällt. Ich habe es mir nicht ausgesucht - aber ich bin nun mal in der gediegenen Sprachwelt zuhause, wo alles fließen und klingen will, weil sich in meinen Zeilen die Sprache selbst feiert.
Die Inhalte sind mir stets zweitrangig - das ist vielleicht auch mein Versagen, denn wirklich große Lyrik entsteht nur, wenn Sprache und Aussage im Wesen des Dichters Hand in Hand gehen - wenn man im Lesen begreift, dass der Autor nicht nur Sprache feiern wollte, sondern dass ihm auch die Botschaft am Herzen lag.
Mein Herz allerdings ist ein zynisches, verschrumpeltes, verstaubtes Ding, dem kaum noch etwas wichtig sein mag, abgesehen vielleicht vom eigenen mühseligen Dahinschlagen ... es ist ein Ebenezer Scrooge geworden über die Jahre ...

LG, eKy
__________________
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Alt 04.03.2017, 12:21   #10
Jongleur
Hallig-Dichter
 
Registriert seit: 04.05.2016
Ort: Großstadt
Beiträge: 63
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Hallo Erich,

Kann man Worte tatsächlich "gefühlsbereinigen"? Verraten sie sich nicht über den Kontext? Geht es in diesem Konflikt überhaupt um einzelne Worte? Geht es nicht um komplexe Inhalte? Um die Filme im Kopf des Schreibers und seiner Leser?

Wer oder was löst diese Sequenzen aus? Nüchtern beschriebene Details oder Meinungen über etwas, das näher zu beschreiben der Erzählende für unnötig erachtet?

Welche dinglichen Details bietet MIR dein Gedicht? Vor allem fällt mir ein Vergleich mit Fichtenstämme ins Auge.

Zitat:
Ich solle bei moderner Sprache bleiben,
um offen klare Worte aufzuschlichten,
geradeaus wie Stämme hoher Fichten,
durch die man wandelt, ohne sich zu reiben.
Ich kann es nicht stoppen: Sofort sehe ich Fichtenstämme in die Höhe ragen. Leider nicht gerade aus. - Was will mir die Metapher nun erklären? Das ist zu hoch für mich. Gleich am Anfang kommt mir das Wort "aufschlichten" in die Quere. "Ordentlich auf einander stapeln" - erklärt mir das Netz. Da ist also die Rede von ordentlich aufzustapelnde Worte, gradeaus wie die Stämme hoher Fichten, durch die man wandelt, ohne sich zu reiben. Ähm... jaaaa..... : Ratlosigkeit!

Das verstehe ich nicht! Wie stapelt man geradeaus? Und falls das überhaupt geht: Was hat dieser Akt mit Baumstämmen zu tun, durch die man wandelt, ohne sich zu reiben?

Bin ich zu dumm - oder handelt es sich hier um eine Katachrese, einen Bildbruch, entstanden durch eine semantisch unstimmige Verbindung mehrerer sprachlicher Bilder in einer Texteinheit?

Oder bezieht sich "durchwandeln" etwa auf die VOR den Stämmen erwähnten "Worte"? Wäre nicht auch DAS verquast?

Oder verstehe ich nur schlicht aufschlichten nicht? Aber warum benutzt der Autor ein ungebräuliches Wort, um für Klarheit zu sorgen? Entsteht "Tiefe" nicht erst durch eine anschauliche Kamerafahrt in eine wortwörtliche Tiefe?

Nehmen wir ein zweites Beispiel:

Zitat:
Wer wahre Schönheit mit Gemeinem steinigt,

erhebt den Leser nicht, verschließt die Türe
zu Klang und Tiefe, und sein Stammeln peinigt
des Lauschers Ohr mit humpelnder Allüre!
.
Vergessen wir mal das Relative wahrer Schönheit. Da ist von einer geschlossenen Tür zur Tiefe die Rede und von einem Stammeln, gleich einem humpelnden Gang, der das Ohr des Lauschers peinigt.

Und DAS alles setzt Erich mit moderner Sprache gleich? Und ihr beklatscht das auch noch mit Eurer stammelnden, humpelnden, modernen Art zu kommentieren? ;-)

Denn Erich bezieht sich ja nicht etwa die Aufforderung, gemein zu sprechen. Er nimmt Bezug auf den Rat, bei der modernen Sprache zu bleiben.

Und jetzt im Klartext: ich verstehe unter "verquast" im engeren Sinne schiefe Bilder, die entstehen (können), wenn nicht der Inhalt, sondern vor allem der vom Schreiber als "schön" empfundene Klang der Mitteilung beeindrucken soll. Dazu bekennt sich Erich nicht nur in diesem Gedicht.

Ich wiederum bin ein Freund des Haikus: ich genieße lieber den Nachhall eines präzise beschriebenen Momentes in der Außenwelt. Sprachliche Präzision ist für mich kein Gegner eines tiefen Gefühls, sondern eher seine Voraussetzung.

Erich, ich las in einigen Threads, auf die du dich scheinbar beziehst. Ich fand "moderne Sprache" einen viel zu breit gewählten Begriff. "Nüchtern" trifft mein Bedürfnis nach präzisem Ausdruck besser.

Seltsam, da kämpfst du (wie beispielsweise auch ich) so engagiert um das treffende "Wie" und bagatellisierst gleichzeitig so engagiert das "Was".

Um im Bild zu bleiben: Irgendwie erinnert mich das an einen Lauscher in der Tiefe, der gierig dem Klang der vielen Schritten über ihm lauscht, ohne sich jedoch sonderlich für die Gehenden zu interessieren. Mir drängt sich der Begriff "Klangfetisch" auf.

Warum nicht? Kunst ist ein weites Feld...

Lg

Geändert von Jongleur (04.03.2017 um 17:59 Uhr)
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