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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 07.02.2018, 10:36   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Die Geschichte des Menschen

Die Tage schmelzen mir wie Gletscherzungen
im Sommerlicht dahin, darin ich reise,
dem Fluch der Zeit, der meine Glut im Eise
zu Brand entfachte - und davon durchdrungen

entriss ich mich der Stille der Gedanken,
enthob mich meiner inneren Destille
und formte diese Welt, so wie mein Wille
sie immer haben wollte - doch mir sanken

die Bilder bald dahin, die ich mir malte,
entrannen mir - nun geht mein Weg zu Ende,
und alle Scherben, die ich weinend wende,
beweisen nur den Preis, den ich bezahlte.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (07.02.2018 um 17:52 Uhr)
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Alt 07.02.2018, 11:41   #2
Walther
Gelegenheitsdichter
 
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
Standard

Hi eKy,
das ist trübste alterspoesie, aber richtig gut in die form geschlungen. gerne gelesen und châpeau.
lg W.
__________________
Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt
Alle Beiträge (c) Walther
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Alt 07.02.2018, 17:58   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Walther!

Bin ja auch ne trübe alte Tasse, da passt das ja!

War wieder mal fällig, so ein schicksalsergebener Stoßseufzer über die alles gleich machende Unentrinnbarkeit der Entropie, die unsere kurz bemessene Spanne Lebens zugleich so sinnsuchend (aus unserer Sicht) und sinnlos (aus universeller Sicht) macht ...

Vielen Dank für die guten Formschlingungen!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
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Alt 08.02.2018, 11:37   #4
juli
Gast
 
Beiträge: n/a
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Hey eKy,

Was für ein lyrischer Seuffzer!

Ein weises Gedicht, das Gedanken wiederspiegelt, wenn man zurückblickt.

Alle Worte gefallen mir!

Das ist Poesie, auch wenn Wehmut anklingt, wer kann schon solche Seufzer so vollendet schreiben. Du

Liebe Grüße aus dem kalten, sonnigen Norden sy

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Alt 08.02.2018, 12:03   #5
Laie
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Registriert seit: 17.11.2015
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Beiträge: 539
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Hi eKy,

das ist sehr stark geschrieben. Da ist die Angst vor und die Frage nach dem, was am Ende übrig bleibt. Auch ich stelle sie mir manchmal, obwohl ich darüber eigentlich noch gar nicht viel nachdenken will.

Sehr gern gelesen!


Gruß,
Laie
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Alt 08.02.2018, 16:50   #6
Erich Kykal
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Beiträge: 8.570
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Hi Sy!

Es freut mich, dass ich dich begeistern konnte! Vielen Dank für das Lob.


Hi Laie!

Also ich denke, letztendlich bleibt nichts. Nicht für uns, denn wir enden mit dem Tode, und nichts für das Universum, denn selbst die größten Marksteine menschlicher Geschichte verkommen mit immer größerem Zeitabstand zu bloßen Klischeehülsen, denen man irgendwelche Bedeutungen für die Welthistorie umhängt. Die wirklichen Menschen sind lang vergessen. Und wir Normalsterblichen halten bestenfalls ein paar Generationen durch, und das auch nur in Familien mit ausgeprägter Ahnenpflege!

Letztlich mittelt sich jegliche Bedeutung heraus. Hat man dies aber erst einmal eingesehen und akzeptiert, kann es auch wunderbar befreiend sein. Man muss sich keinem großen Schicksal mehr verpflichtet fühlen, man kann das eigene Bedürfnis, die eigene Motivation, etwas zu schaffen oder zu hinterlassen, kritisch hinterfragen.


LG, eKy
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Alt 08.02.2018, 17:09   #7
Sufnus
Gast
 
Beiträge: n/a
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Starke Sprache, ganz starke Bilder!!!

... ich glaube aber, es ist erst bei gut 100% und könnte mit ein paar Nachfeilungen noch ein bissel was draufsetzen (wer mag, kann gerne nachrechnen! ).

Folgende Kleinbaustellchen sehe ich also noch:

"enthob mich meiner inneren Destille":
Einerseits hab ich noch nie Destille als Reimwort in einem Gedicht gelesen, gefällt mir richtig gut! Bloß andererseits kommt die Destille durch das Adjektiv "innere" für mich irgendwie etwas in Schieflage... ich glaube, das Bild wird dadurch für mich zu bildlich (äh... oder so... )...
Arbeits-Vorschlag (nicht zur 1:1-Umsetzung, da etwas arg hochgestochen): "enthoben der spagyrischen Destille" (als parenthetische Konstruktion).

"die ich weinend wende":
Der Doppel-W(eh)-Klang ist sehr schön, aber das weinend ist doch ein wenig weinerlich (heut bin ich schwierig... die Bilder zu bildlich, das Weinen zu weinerlich... ich hoffe, Du verstehst mich trotzdem so ungefähr... ); hier kein Arbeits-Vorschlag... ich habe kein Ersatz-w-Wort gefunden... shame on me...

"beweisen nur den Preis, den ich bezahlte":
Da häng ich mich am "nur" auf, weil es das vorangegangene Leben kleinredet (das ist als Ausdruck grimmiger Resignation ja ok), aber dadurch auch das Gedicht angreift (warum soll man ein so "nur"-würdiges Leben bedichten?). Arbeitsvorschlag: "beweisen welchen hohen Preis ich zahlte"

Sehr gernst gelesen!
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Alt 08.02.2018, 17:19   #8
Laie
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Beiträge: 539
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Du hast sehr recht, eKy.

Aber ist es nicht schon etwas wert, in ein paar Menschen etwas zu hinterlassen? Ich denke schon. Mir würde das reichen Zu Beginn meines Studiums hatte ich mal den Anflug des Wunsches, an etwas Nützlichem für die Mensch mitzuwirken. Aber erstens bin ich dafür schlichtweg zu dumm und zweitens hat mich die Motivation dafür auch ein wenig verlassen
Dass ich keine historische Bedeutung haben werde, kann ich sehr gut akzeptieren. Ich will's nämlich auch gar nicht (mehr)


Gruß,
Laie
Laie ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.02.2018, 17:50   #9
Erich Kykal
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Beiträge: 8.570
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Hi Sufnus!

Vielen Dank für das Lob!

Deine Vorschläge sind wohlbegründet, aber eben aus der subjektiven Sicht deines lyrischen Geschmacks. Ich weiß, auf welcher Basis sollte man auch sonst kommentieren, wenn es keine eindeutigen Fehler zu korrigieren gibt - aber hier in diesem Falle gibt es nun mal keine Überschneidungen mit meiner Sprachhabung - mich stören die monierten Stellen keineswegs, und ich finde sie auch nicht übertrieben oder verstörend.
Das "nur" in der letzten Zeile bleibt, denn mit dem Text WOLLTE ich das Leben, bzw. seine Bedeutung, ja durchaus kleinreden: Man sollte als philosophische Quintessenz zum Schluß gelangen, dass es letztlich die Mühe nicht wert ist, sich ins Leben zu werfen, um möglichst viel zu bewegen. Es geht immer nur viel zu Bruch ...


Hi Laie!

Was immer wir tun, ist vor allem für uns selbst von Bedeutung, und zwar jetzt, da wir leben. Wenn es das ist, dich für andere aufzuopfern, hilfreich zu sein und anderen etwas zu hinterlassen, so wirst du auch die verdiente Erfüllung darin finden, wenn du es nach bestem Gewissen tust.


LG euch beiden, eKy
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