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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 08.08.2017, 16:40   #1
Chavali
ADäquat
 
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Standard Nachtzug



Mein Zug fährt durch die schwarze Nacht,
streift Städte, Felder, Seen, Wälder.
Ich hab schon Stunden hier verbracht,
im Innern wird mir immer kälter.

Noch gestern lebte ich im Lichte,
denn Sonne wärmte meine Haut.
Jetzt zerren schwere Stahlgewichte
und Kälte ist mir sehr vertraut.

Was ist geschehn in zwanzig Stunden?
Wo bringt mich dieser Zug wohl hin?
Die Strecke schlug mir tausend Wunden!
Was ist der eigentliche Sinn?

Ich schlaf und wache nie mehr auf.
In keinem Bahnhof hält der Zug.
Man hielt der Seele Ausverkauf.
Mir ist so kalt. Ich hab genug.



__________________
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© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

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Geändert von Chavali (08.08.2017 um 20:01 Uhr) Grund: S1 Z 2
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Alt 08.08.2017, 18:10   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Chavi!

Erst die Peanuts:

S1Z2 - Es muss "Wäldern" heißen in diesem Konstrukt.

Zudem ist "Wälder/kälter" kein reiner Reim.

Dass die letzte Str. durchgehend männlich kadenziert, fallt hier durchaus auf, und nicht eben angenehm im lyrischen Duktus.

Die Kadenzen der Str.: mwmw - wmwm - wmwm - mmmm

Am besten passend wäre entweder durchgehend wmwm - oder eine Spiegelung von S1 in S4: auch dort mwmw.


Inhalt:

Ein "Lebens"zug - der Zug als Sinnbild für einen Lebensweg. Gut vorstellbar, wie sich mit jeder Station mehr Wissen und Erfahrung in den Gepäckwägen ansammelt, wie neue Passagiere - Bekannte, Freunde und mehr - zusteigen und immer wieder mal alte austeigen, um andere Wege zu gehen.

Weniger angenehm an dem Bild ist der Aspekt der Ausweglosigkeit: Die Strecke ist vorgegeben und kann nicht verlassen werden, bestenfalls über das Tempo und die angefahrenen Haltepunkte kann der Lokführer entscheiden. Eine fahrplanmäßige Existenz, unfrei in metallenen Banden ...

Das Fahren in die Nacht als Synonym für Abkehr, Alterung, inneres Erkalten, Lebensmüdigkeit: Die Stationen, die Verbindungen zum Leben interessieren nicht mehr, es geht nur noch weiter Richtung Endstation. Der Fahrplan erscheint sinnentleert, die Landschaft dunkelt, entzieht sich - in der Nacht ist der zug ganz auf sich selbst, das erleuchtete Innere zurückgeworfen. Eine Blindfahrt.

Insgesamt ein düsteres Gemälde, das du in sehr lyrischen Worten und klaren Bildern hinter die Leserstirn zauberst.

Um besser im lyrischen Bild zu bleiben, würde ich in S3Z3 schreiben: "Die Strecke schlug mir tausend Wunden." Das passt sowohl zum Bild, dass das LyrIch der Zug selbst ist, wie zu dem, dass dieses LyrIch bloß als Passagier in diesem Zug sitzt. Diese mögliche Doppeldeutigkeit würde ich beibehalten, wenn möglich - es macht die Lektüre noch reizvoller.


Sehr gern gelesen!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
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Alt 08.08.2017, 19:51   #3
Chavali
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Hi Erich,
Zitat:
Es muss "Wäldern" heißen in diesem Konstrukt.
ja, natürlich, wie konnte ich das übersehen
Hm.. dann muss ich da wohl noch mal ran, denn der Reim stimmt ja dann nicht.
Mit den Kadenzen will ich mal schauen, ich fands jetzt nicht so dramatisch, aber sauberer ist es natürlich,
wenn alles gleich ist.

Zitat:
würde ich in S3Z3 schreiben: "Die Strecke schlug mir tausend Wunden."
Das ist eine sehr gute Idee! Danke
Deine Interpretation gefällt mir sehr sehr gut!
Zitat:
Insgesamt ein düsteres Gemälde, das du in sehr lyrischen Worten und klaren Bildern hinter die Leserstirn zauberst.
Danke dir, das freut mich

Lieben Gruß,
Chavi

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Alt 10.08.2017, 13:28   #4
juli
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Beiträge: n/a
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Liebe Chavali,

Das ist ein düsteres Szenario. Erichs Interpretation kann ich mich anschließen.

Das Bild vom Zug, der auf seinen Gleisen fahren muss in die Dunkelheit ist dir gelungen. Das Ende ist ausweglos, manchmal muss man so Etwas in dichterische Form bringen.

Eine verzweifelte Stimmungslage sehr poetisch in Worte gefasst.

Sehr gerne gelesen, weil das Thema viel Verzweiflung darstellt.

Liebe Grüße sy

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Alt 13.08.2017, 09:04   #5
Kokochanel
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Liebe CHavali,

auch ich schließe mich Erichs ausführlichem Kommentar an. Ein packendes Gedicht, dass uns zeigt, wie schnell das Leben uns in gegenteilige Situationen und Stimmungslagen bringen kann. Der Lebenszug hält nicht an. Da ist eine Ausweglosigkeit. Ja, manchmal kommt es einem so vor im Leben.
Doch dann wieder , ebenso plötzlich, kann es sich ändern.
Das wollen wir auch dem LI wünschen.
LG von Koko
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Alt 19.08.2017, 10:59   #6
Chavali
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Liebe syri, liebe Koko,

vielen Dank für eure Kommis!
Hab mich sehr gefreut, dass ihr meine Gedanken beim Schreiben mitgehen konntet.

Ich hatte diese Idee im Kopf und dann sind die Worte wie allein geflossen.
Das Leben mit einem Zug zu vergleichen, ist immer irgendwie reizvoll....


Liebe Grüße an auch beide,
Chavali
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