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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 10.07.2017, 10:23   #1
Chavali
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Standard Schuld



Wer hat schuld in diesen Tagen,
dass sich Gewitterwolken jagen,
dass Bäume sich im Sturme neigen
und zarte Vogelstimmen schweigen?

Wer hat schuld in jenen Nächten,
als sich die Schicksalsnornen rächten,
als Schnee und Eis lag auf den Zweigen
und schwiegen alle Himmelsgeigen?

Wer hat schuld an all dem Regen?
Als Strom fließt er den Berg hinab.
Es bleibt Geröll auf allen Wegen,
der Liebe selbstgegrabnes Grab.



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Alt 10.07.2017, 10:55   #2
Erich Kykal
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Hi Chavi!

Textlich schön, aber rhythmisch komme ich ständig ins Stolpern, weil du nach jeder ersten (betont auftaktenden) Zeile zu unbetontem Auftakt umschwenkst. Hier - nur zum Vergleich - eine klar taktende Version mit betontem Auftakt und vierhebigen Zeilen:

Wer hat schuld an diesen Tagen,
dass Gewitterwolken jagen,
dass die Stürme Bäume neigen
und die Vogelstimmen schweigen?

Wer hat schuld an jenen Nächten,
wo sich Schicksalsnornen rächten,
Schnee und Eis lag auf den Zweigen
und auf allen Himmelsgeigen?

Wer hat schuld an all dem Regen?
Wer bricht über uns den Stab?
Steingeröll auf allen Wegen
zu der Liebe stillem Grab.


S3Z2 habe ich völlig abgeändert, da "herab/Grab" wegen einmal kurzem und einmal langem Vokal "a" kein reiner Reim ist.

Zudem würde ich durchaus nicht davor zurückscheuen, in jeder Str. in Z1 "an" zu verwenden. Das verbindet die Bilder und den Inhalt zusätzlich.

Erwähnenswert noch der Wechsel des Reimschemas in S3 (ABAB statt wie sonst AABB), der hier aber die Conclusio angenehm hervorhebt und bekräftigt.


Zum Inhalt:

Klimawandel und Naturkatastrophen, heftige Elemente und Ausnahmewetter, meteorologische "Jahrhundert-" und mittlerweile "Jahrtausend-"Ereignisse ... wenn wir so weitermachen, gehen uns bald die Superlative für unsere Wetterphänomene aus!

Traurig, dass wir immer noch nicht mit absoluter Sicherheit wissen, ob wir allein schuld sind oder nur einen bereits laufenden Prozess beschleunigen. Traurig auch, dass mächtige Lobbyisten immer noch genug Einfluss haben, um Politiker wie Trump oder Erdogan zu kaufen - oder dass, was noch niederschmetternder wäre, diese Leute tatsächlich dumm und bildungsfern genug sind, unsere Verantwortlichkeit in Abrede zu stellen und blindlings so weitzerzumachen wie bisher.
Noch trauriger, dass ihre Blödheit im großen Ganzen kaum etwas ändert: Auch die Betulichen hängen sich Rechtfertigungslametta in den Baum der Erkenntnis, es wird viel geredet, aber kaum etwas getan. Die Regenwälder und die Ressourcen verschwinden kaum langsamer, und anderswo wird noch schädlicher gefördert als je zuvor: Fracking, großflächiger Ölschlamm- und Ölschieferabbau in der Arktis, Manganknollenernter, die den Tiefseeboden verwüsten und Unmengen Sediment aufwirbeln.
Überfischung der Meere, Walfang, Artensterben durch immer größere Monokulturen für Kokosöl und andere Wellnessprodukte, Mikroplastik in den Meeren, Quallenblüte, Ausbreitung der Wüsten, und - und - und ...

Manchmal bin ich froh, dass ich keine Kinder habe ...


Sehr gern gelesen!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 10.07.2017, 12:43   #3
Chavali
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Hi Erich,
Zitat:
rhythmisch komme ich ständig ins Stolpern, weil du nach jeder ersten (betont auftaktenden) Zeile zu unbetontem Auftakt umschwenkst.
ja, das war hier in diesem Falle Absicht.
Schau, dieses Schema ist ganz gleichmäßig insgesamt:


Wer hat schuld in diesen Tagen,
dass sich Gewitterwolken jagen,
dass Bäume sich im Sturme neigen
und zarte Vogelstimmen schweigen?

XxXxXxXx
xXxXxXxXx
xXxXxXxXx
xXxXxXxXx

Wer hat schuld in jenen Nächten,
als sich die Schicksalsnornen rächten,
als Schnee und Eis lag auf den Zweigen
und schwiegen alle Himmelsgeigen?

XxXxXxXx
xXxXxXxXx
xXxXxXxXx
xXxXxXxXx

Wer hat schuld an all dem Regen?
Als Strom fließt er den Berg hinab.
Es bleibt Geröll auf allen Wegen,
der Liebe selbstgegrabnes Grab.

XxXxXxXx
xXxXxXxX
xXxXxXxXx
xXxXxXxX ok, hier ist in Z3 eine Silbe zuviel. ich meine aber das vernachlässigen zu können.
Zitat:
Erwähnenswert noch der Wechsel des Reimschemas in S3 (ABAB statt wie sonst AABB),
der hier aber die Conclusio angenehm hervorhebt und bekräftigt.
Danke, das freut mich und für deine Beschäftigung mit dem Text danke ich dir auch
Deine Version ist perfekt - worauf es hier nicht ankommt.
Im Gegenteil, ich habe absichtlich immer das erste Wort einer jeden Str. jambisch geführt.
Die Betonung liegt dabei auf wer.
Der Nachhaltigkeit wegen. Lies mal laut. Es liest sich perfekt

Inhaltlich hatte ich es mehr metaphorisch auf eine Beziehung angelegt.
Vielleicht hätte ich den Text in Finstere Nacht posten sollen?


Deine Interpretation ist natürlich sehr interessant ausgeführt, wie alle deine Postings zu dem Thema

Lieben Gruß
Chavali
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Alt 10.07.2017, 21:09   #4
ginTon
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Hi chavilein...

ich wollte erst sagen schönes Naturgedicht, da es hier im Südwesten schon
seit zwei Tagen gewittert. Hier scheint die Natur aber eher bildhaft und hintergründig für Gefühle etc. zu stehen

Zitat:
Wer hat schuld in diesen Tagen,
dass sich Gewitterwolken jagen,
dass Bäume sich im Sturme neigen
und zarte Vogelstimmen schweigen?
Die erste Strophe finde ich gut. Eine weitere Mögl. wäre

Wer hat schuld an diesen Tagen,
wenn sich Gewitterwolken jagen,
dass Bäume sich im Sturme neigen
und zarte Vogelstimmen schweigen?


Zitat:
Wer hat schuld in jenen Nächten,
als sich die Schicksalsnornen rächten,
als Schnee und Eis lag auf den Zweigen
und schwiegen alle Himmelsgeigen?
die dritte Zeile hätte ich etwas anders geschrieben. zB "als Eis und Schnee
schwer auf den Zweigen // geschwiegen hat wie Himmelsgeigen" o.ä ich denke damit sind höhere Mächte oder so gemeint..

Zitat:
Wer hat schuld an all dem Regen?
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der Liebe selbstgegrabnes Grab.
ist auch gut...die Dopplung von Grab hat was. wirkt sehr düster und fern der
Liebe und des Lichtes...

gerne mit beschäftigt... liebe Grüße ginnie
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Alles, was einmal war, ist immer noch, nur in einer anderen Form. (Hopi)


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Alt 11.07.2017, 10:13   #5
Chavali
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Hi ginnie,
Zitat:
wenn sich Gewitterwolken jagen,
nein, in S1 ist es nicht so, dass einer schuldig ist bei Gewitter
sondern dass Gewitter überhaupt erst entstehen können (metaphorisch für Beziehungskrise).
Deswegen muss das so bleiben.
Zitat:
...anders geschrieben. zB "als Eis und Schnee
schwer auf den Zweigen // geschwiegen hat wie Himmelsgeigen"
Und in S 2 hat auch nicht Eis und Schnee geschwiegen (analog), sondern dass Frost in die Beziehung eingetreten ist
und alle Liebe (Himmelsgeigen) schweigt.
Zitat:
ist auch gut...die Dopplung von Grab hat was. wirkt sehr düster und fern der
Liebe und des Lichtes...
Das freut mich und ich bedanke mich
Liebe Grüße,
chavi

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Alt 11.07.2017, 11:57   #6
juli
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Liebe Chavali,

Zur Form wurde hier ja schon etwas gesagt, ich finde es so gut wie es nun ist.

Dein Gedicht ruft ein altes Thema in Erinnerung. Solange es Menschen gibt, gibt es auch die Frage: Wer hat Schuld?

Du verwendest hier ausschließlich Naturbilder. Da bleibt dem Leser viele Möglichkeiten dein Gedicht zu interpretieren. Meine Ideen gingen in 2 Richtungen, einmal ging es ums Klima, das sich verändert. Und zum 2. ging es um Beziehungen zwischen den Menschen. Der Mensch möchte es meist „Einfach“ haben, und sucht die Schuld beim Anderen. Bei der Suche verliert der Mensch die Nähe zu dem Anderen und er erntet Steine und Geröll, nicht mal schöne Steine.

„Der Mensch ist das was er denkt.

Liebe Grüße, und ich habe mich sehr gerne mit deinem Gedicht beschäftigt.

sy

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Alt 13.07.2017, 17:52   #7
Chavali
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Liebe sy,

die Schuldfrage ist rethorisch gestellt - natürlich hat keiner allein schuld am Scheitern einer Beziehung oder
überhaupt an Krisen im Miteinander.

Die Klimafrage ist metaphorisch angelegt
Ist vielleicht die Rubrik nicht die richtige?
Besser in Finstere Nacht?
Zitat:
Zur Form wurde hier ja schon etwas gesagt, ich finde es so gut wie es nun ist.
Ok, ich habe aber gar nix geändert
Zitat:
[...]und ich habe mich sehr gerne mit deinem Gedicht beschäftigt.
Danke dir, das freut mich

Liebe Grüße,
Chavali


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Alt 16.07.2017, 17:21   #8
Erich Kykal
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Hi Chavi!

Zu deinem Antwortkommi auf mienen Beitrag:

Du schreibst in S3, dass du in Z3 eine Silbe zuviel hättest. Sehe ich mir die beiden anderen Str. an, erscheint mir aber eher, dass du in Z2 und Z4 eine Silbe zu wenig hättest. Z1 und Z3 sind dagegen genau wie in den anderen Strophen.
Z2 und 4 hingegen nicht, da sie männlich kadenzieren.

LG, eKy
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Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.07.2017, 16:15   #9
Chavali
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Hi Erich,

stimmt - man kann es so oder so sehen.
Von daher haben wir beide recht

Aber ich lass das mal so jetzt, irgendwie liest es sich doch ganz rund und gefällig, oder nicht?
Auch ohne die fehlenden oder zuviel seienden Silben....

Danke fürs nochmalige Reinschauen und dein genaues Hinsehen.

Liebe Grüße!
Chavali
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