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Alt 04.04.2012, 15:47   #1
Walther
Gelegenheitsdichter
 
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Standard Ikarus, gebenedeiter

Ikarus, gebenedeiter
Sonettreplik auf Günter Grass "Was gesagt werden muss"

Der greise Sänger schaler schlechter Lieder
Kann das Moralaposteln halt nicht lassen.
Er musste wieder einen Text verfassen,
Der nach Vergessen riecht wie alter Flieder.

Er muss sich schrecklich lieben – oder hassen -:
Wer lässt sich schon in diese Tiefen nieder,
Zerbricht kurz der Geschichte Kettenglieder,
Um sie nach eignem Gusto anzupassen,

Damit sie in der rechten Richtung liegen,
Nach Credo des gebenedeiten Dichters?
Als Friedenstauberich kann er nur siegen.

Er fühlte sich im Mantel eines Richters
Seit jeher pudelwohl: Zu Kopf gestiegen
Ist der Nobelpreis, er glaubt, er kann fliegen.
__________________
Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt
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Geändert von Walther (04.04.2012 um 18:01 Uhr)
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Alt 04.04.2012, 16:11   #2
Walther
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Hier der Text von Grass: http://www.sueddeutsche.de/n5J388/55...rden-muss.html
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Alt 04.04.2012, 16:14   #3
Thomas
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Hallo Walther,

dein Sonett trifft meiner Meinung nach gut die Gestalt des greisen Sängers. Außerdem ist 'Was gesagt werden muss' meiner Meinung nach kein Gedicht, sondern ein seltsam umbrochener Leitartikel, der eigentlich jeden Verfechter des freien Verses nachdenklich stimmen sollte. Was mich jedoch stutzig macht, ist die extreme Reaktion auf das von dem greisen Sänger angesprochene Thema des nuklearen Erstschlags Israels, eine Idee, die angesichts der Unmöglichkeit den Iran mit konventionellen Mitteln ernsthaft zu beschädigen, gar nicht so abwegig ist. Vielleicht hat sich der greise Sänger an einer sehr realen Flamme die Flügel verbrannt.

Viele Grüße
Thomas
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Alt 05.04.2012, 20:56   #4
Falderwald
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Guten Abend Walther,

dank Thomas' Hinweis in diesem Faden habe ich jetzt auch dein formal einwandfreies Sonett entdeckt.

Die Thematik überschneidet sich jetzt ein wenig, was mir leid tut, ich hatte das vorher wirklich nicht gesehen und jetzt sind beide Fäden schon angelaufen.

Ich werde mich jetzt daher hier einer näher definierten Meinungsäußerung enthalten und mich auf deinen Text beschränken, möchte dich aber unbedingt zur Diskussion einladen.

Zitat:
Der greise Sänger schaler schlechter Lieder
Kann das Moralaposteln halt nicht lassen.
Er musste wieder einen Text verfassen,
Der nach Vergessen riecht wie alter Flieder.
Der alte Dichter Grass mit seinen schalen, schlechten Texten spielt sich in seinem Text wieder als Moralapostel auf und scheint die Deutsche und die eigene Vergangenheit dabei vergessen zu haben.

Zitat:
Er muss sich schrecklich lieben – oder hassen -:
Wer lässt sich schon in diese Tiefen nieder,
Zerbricht kurz der Geschichte Kettenglieder,
Um sie nach eignem Gusto anzupassen,

Damit sie in der rechten Richtung liegen,
Nach Credo des gebenedeiten Dichters?
Als Friedenstauberich kann er nur siegen.
Ob er sich nun selbst nicht leiden kann oder selbstverliebt ist, bleibt offen.
Jedenfalls lässt er sich auf ein Niveau herab, in dem geschichtliche Fakten verdreht oder außer Acht gelassen werden, um sie der eigenen Sicht unterzuordnen, damit sie in der rechten (hier rechten oder richtigen?) Richtung liegen und zwar ganz wie ein gepriesener, ruhmvoller Dichter.
Er spielt sich als Redner (hier Dichter) für den Frieden auf.

Zitat:
Er fühlte sich im Mantel eines Richters
Seit jeher pudelwohl: Zu Kopf gestiegen
Ist der Nobelpreis, er glaubt, er kann fliegen.
In der Rolle eines Richters fühlt er sich sehr wohl, denn seitdem ihm der Nobelpreis verliehen worden ist, hebt er ab und kann fliegen, wie der schon erwähnte Friedenstauberich aus der vorherigen Strophe.

Nun ja, formal ist diese Sonett einwandfrei, wie ich schon eingangs schrieb, inhaltlich kann ich das nur als Meinungsäußerung stehen lassen und akzeptieren.

Ich jedenfalls teile diese Meinung nicht.
Warum ds so ist, möchte ich allerdings im o. a. Faden begründen.


In diesem Sinne gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 17.04.2012, 11:15   #5
Walther
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Lb. Falderwald,

zum Inhalt der Fragestellung habe ich im Faden ausführlich Stellung bezogen. Hier geht es eher darum, ob das Sonett formal den Kritieren der Vorgaben entspricht und ob es von der Formulierung her noch verbessert werden könnte.

Dazu bitte ich gerne um Vorschläge.

Danke für Deinen Eintrag und die Einrichtung einer Diskussionsumgebung für das Inhaltliche.

LG W.
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