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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 06.02.2018, 19:16   #1
Sufnus
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Standard Nachtraum

Ich bin vom Schlafen aufgewacht,
da schwang der Blutmond wild sein Beil.
Noch gestern war ich ganz - jetzt macht
kein Trost mich wieder heil.

Ich bin vom Schlafen aufgewacht,
Dein Name brennt am Firmament,
wir haben Tage durchgebracht,
dann bracht ich es zu End.

Ich bin vom Schlafen aufgewacht,
ganz bang im Herz: ein Traum, ein Ruf?
Der Morgen kannt' noch keine Nacht,
bis ich sie selber schuf.
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Alt 06.02.2018, 23:30   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Sufnus!

Ein düsteres Poem, hinter dessen Andeutungen sich mögliche Abgründe auftun.

Die mag jeder Leser deuten, wie er möchte, mir genügt die gekonnte sublime verbale Verführung zu derlei Gedankengängen.

In S3Z3 würde ich schreiben: "Dem Morgen ward noch keine Nacht," - das erspart die etwas geschraubt wirkende Verkürzung "kannt'", klingt besser und liest sich auch flüssiger.

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 07.02.2018, 09:20   #3
juli
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Hallo Sufnus,

Das ist ein sehr schönes Gedicht. Sprachtakt und Inhalt gefallen mir.

Den "Blutmond" gab es ja letztens erst. Beeindruckend. aber in diesen Zusammenhang eher beängstigend. Dazu noch das Wort "Beil" -

Ich denke mal, es handelt sich um einen Albtraum und die Nacht zeigt ein ganz anderes Gesicht. Kein erholsamer Schlaf.

Ich weiß nicht? Aber das ging mir gestern schon durch den Kopf:

"Der Morgen kannte keine Nacht,"

Ich weiß nicht, wie wichtig dir die Einsilber sind. Und es ist wie immer nur ein dahingeworfener Gedanke

Liebe Grüße sy

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Alt 07.02.2018, 11:11   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Sy!

Meines Erachtens träumte das LyrIch davon, jemand Nahestehenden oder Begehrten (möglicherweise mit einem Beil) ermordet zu haben. Erwacht erschrickt es darüber, sinniert aber auch, ob der Traum vielleicht seine wahre Sehnsucht offenbarte als eine Art Ruf. Es blickt in seine eigenen Abgründe, die selbst geschaffene Nacht und erschauert ...

So deute ich den Text.

LG, eKy
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Alt 07.02.2018, 11:45   #5
Sufnus
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Hi Ihr!

Vielen lieben Dank für Eure Vertiefungen ins und zum Gedicht! Es freut mich sehr, wenn ich Euch mit den Zeilen keine Lebenszeit geklaut habe...

Und mit Euren Vorschlägen zur vorletzten Zeile habt Ihr gleich eine der Baustellen der Verse identifiziert... dieses "kannt' " hat mir auch gar nicht gefallen - ich hatte nur noch nix Besseres, jetzt hab ich schon zwei Möglichkeiten zur Auswahl.

Um einen Blick hinter die Kulissen zu werfen: Der Gedichtausgangspunkt war die letzte Strophe und da wiederum die erste Zeile. Ursprünglich sollte aus der ersten Zeile eine Meditation darüber werden, was hienieden eigentlich Schlafen und Wachsein ist; ein bisschen auf der Linie von Toyotomi Hideyoshis Todes-Haiku. Vielleicht etwas in der Art wie: bedeutet "träumen" soviel wie "im Schlaf erwachen"?

Da mir dazu aber absolut nix Originelles eingefallen ist, hab ich mich mal versucht, in einen nächtlich erwachenden LyrIch hineinzufühlen und ab da nahm es immer alptraumhafte Züge an. Nach Strophe 3 ist dann Strophe 1 entstanden und dann Strophe 2, die ein paar Andeutungen liefert, was hier eigentlich gespielt wird.

Insgesamt empfinde ich aber das Gedicht noch nicht als richtig rund (vielleicht ist das Unrunde hier aber gar nicht schlecht - bin noch unsicher). Auch mit dem Beil bin ich nicht so ganz glücklich - das ist erst einmal nur dem Reim auf "heil" geschuldet gewesen... vorher hab ich anstelle des Beils mit einem eingeseiften Seil experimentiert - aber das war dann selbst mir zu gruselig.

Also lieber kein Seil; dann eben ein Beil.

Das Beil wurde dann erst mal von der Nacht geschwungen, aber die wollt ich eigentlich nur für den Reim am Ende benutzen, so kam in einer ersten Version der Mond (noch ohne Blut) ins Spiel mit "es schwang der Mond sein scharfes Beil".

Dieses "scharfe Beil" fand ich dann auch wieder blöd, weil ein stumpfes Beil ja eigentlich auch ganz schön erschreckend sein könnte... also die Beilschärfe tut hier nicht viel zur Sache... und für das dann avisierte wilde Beilschwingen (bei dem ich mir nicht sicher bin, ob das nicht irgendwie auch zu viel des Guten ist) brauchte ich noch eine Extrasilbe, durch die der Mond dann zum Blutmond wurde.

Naja wieder mal viel Text... ein kleiner Blick in meine Werkstatt...

Und zur Deutung würd ich nichts Finales sagen wollen, aber sowohl syranies als auch Erichs Interpretationen finde ich sehr passend! Dankeschön auch dafür!

Geändert von Sufnus (07.02.2018 um 11:56 Uhr)
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Alt 07.02.2018, 18:48   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Sufnus!

Ein Blutmond, der ein Beil schwingt - ein eindeutiger Symbolverweis auf Bluttat, Aggression, Gewalt. Du solltest auf die Aussagen deiner Symbolismen achten.

Also, ich bin beim Lesen nicht drauf gekommen, dass das LyrIch "in einen Traum erwacht sein" könnte - vielmehr schien mir, es sei aus einem unerquicklichen, da vielleicht schudbeladenen Schlaf hochgeschreckt, und die Bilder seiner Taten stiegen ihm nun wieder plastisch vor Augen.
Die "selbst geschaffene Nacht" steht für diese unauslöschliche Schuld und die damit verbundenen Gewissensqualen.

Wolltest du über das Träumen philosophieren, so riete ich zu weniger "drastischen" Bildern wie auch zB.: "dann bracht ich es zu End." (das übrigens eine Wortwiederholung zu "durchgebracht" in der Vorzeile enthält).

LG, eKy
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Alt 07.02.2018, 18:55   #7
Thomas
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Beiträge: 3.375
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Lieber Sufnus,

meiner Meinung nach ist es problematisch, sich vom Klang oder Reim tragen zu lassen, und dein Gefühl des "Unrunden" ist wahrscheinlich diesem Umstand geschuldet. Tragen muss die Metapher des Gedichts, welche die Quelle eines Flusses poetischer Bildern ist und erstaunlicherweise fast immer den Klang mit sich bringt. Das ist nur ein Tipp.

Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.02.2018, 19:13   #8
Sufnus
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Zitat von Erich Kykal Beitrag anzeigen
Hi Sufnus!

Ein Blutmond, der ein Beil schwingt - ein eindeutiger Symbolverweis auf Bluttat, Aggression, Gewalt. Du solltest auf die Aussagen deiner Symbolismen achten.

[...]

Wolltest du über das Träumen philosophieren, so riete ich zu weniger "drastischen" Bildern wie auch zB.: "dann bracht ich es zu End." (das übrigens eine Wortwiederholung zu "durchgebracht" in der Vorzeile enthält).

LG, eKy
Hi!

Da hab ich mich bei meinem Kulissenblick wahrscheinlich unklar ausgedrückt... die philosophische Grundidee hab ich völlig über Bord geworfen, als mir dazu nix Brauchbares eingefallen ist... Ab der zweiten zu "Papier" (Bildschirm) gebrachten Zeile ging nur noch um Mord & Totschlag Also die gewalttätigen Bilder sind dann schon gewollt gewesen. Und auf die Wortwiederholung bin ich besonders stolz, die bringt da für mich erst den richtigen Sound rein... Nur beim Beil hab ich halt noch etwas Zweifel... aber warum eigentlich nicht... hm...

LG!

S.
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