Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Ausflug in die Natur

Ausflug in die Natur Natur- und Tiergedichte

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 18.02.2018, 20:11   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Waldandacht

Der Atem meines Waldes streicht vorüber,
ein kühler Hauch aus dunkelgrüner Tiefe,
als ob ein Gott die Zeit darin verschliefe,
und sich im Traume wunderte darüber.

Ein Tagverblassen malt die Farben trüber:
im Buch des Lichts die schließende Serife,
und eine schmale Träne tut, als liefe
sie mir davon: Mir geht das Auge über!

In diesem weihevollen Reich geborgen,
wie keines Architekten Kirche kann,
entsickern mit der Zähre meine Sorgen

ins Schattenreich der säulenhohen Bäume,
und was mither aus meiner Seele rann,
erleichtert meine Nacht im Reich der Träume.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (19.02.2018 um 10:28 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.02.2018, 21:43   #2
Laie
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Laie
 
Registriert seit: 17.11.2015
Ort: Oberpfalz
Beiträge: 539
Standard

Hi eKy,

wie gern bin ich dir in den Wald gefolgt und habe dieser Andacht beigewohnt. Wunderwunderschön! Chapeau! Bravo! Ich bin geplättet.

Eine kleine Kleinigkeit: Die Wiederholung von "rinnen" hat sich für mich beim Lesen etwas - wie soll ich sagen - unrund angehört. Hier würde ich möglicherweise nochmal überlegen. Vielleicht "verfließen" anstatt "verrinnen"?

Sehr gern gelesen und genossen!

Gruß,
Laie
Laie ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.02.2018, 23:53   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Laie!

Danke für die Blumen!

Das "verrinnen/rann" ist bewusst gesetzt, um den Bezug zu verdeutlichen, dann es immer noch um die "Zähre" geht, bzw. darum, was mit mit ihr entfloss.

Die Wiederholung ist zudem phonetisch unauffällig, da die Mitvergangenheitsform anders klingt. Aber ich werde darüber nachdenken.

LG, eKy

PS: Hab's noch mal umgebastelt, deinem Vorschlag Rechnung tragend. Vielen Dank nochmal!
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.02.2018, 08:17   #4
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Thomas
 
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
Standard

Lieber Erich,

warum hast du es geändert? Dein Argument war stichhaltig. Wiederholung ist ein gutes Stilelement, auch wenn es bei Forendichter verboten ist.

"verdunsten" ist schlechter. Ich habe die ursprüngliche Fassung nicht, vermute aber, dass du "verrinnen" dadurch ersetzt hast.

Das einzige Problem sehe ich in den Zeilen:
"als ob ein Gott die Zeit darin verschliefe,
und sich im Traume wunderte darüber."

Den "Gott: nehme ich dir nicht ab, "Geist" würde zu dir passen, oder wolltest du einen ironischen Ton? Auch das "im Traum wundern" klingt mir seltsam, weil ich kein wirklich Bild damit verbinden kann.

Ansonsten kann ich mich dem Lob anschließen.

Liebe Grüße
Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.02.2018, 09:04   #5
Chavali
ADäquat
 
Benutzerbild von Chavali
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 12.994
Standard

Servus Erich,

bin wie Thomas der Meinung, dass verdunsten schlechter ist.
Ein scheußliches Wort, dass hier überhaupt nicht rein passt. Blumenwasser verdunstet oder Schweiß
Zitat:
In diesem weihevollen Reich geborgen,
wie keines Architekten Kirche kann,
verdunsten mit der Zähre meine Sorgen
Der Vorschlag von Laie verfließen wäre schon gut, dein ehemaliges verrinnen auch.

Ansonsten sehr schön - wie immer.
Eines deiner Lieblingsthemen, was ich gut nachvollziehen kann.


LG Chavali
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.02.2018, 10:37   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Thomas, Chavi!

Ich teile zwar eure Meinung zu "verdunsten" nicht vollständig (ich urteile oft mehr nach Wortklang als nach den damit sich verbindenden Bildern), sehe aber ein, dass der Terminus für so ein romantisches Werk zu "technisch" wirken könnte.
Ich hoffe, mit "versickern" kann nun jeder leben.

Ursprünglich dachte ich, die Wiederholung würde die inhaltlichen Bezüge verdeutlichen, aber als ich es dank Laies Anregung mit anderen Worten versuchte, merkte ich, dass das gar nicht nötig war.
Da ich Wiederhloungen gern meide wie der Teufel das Weihwasser - es sei denn, aus triftigen lyrischen Gründen - habe ich beschlossen, die Dopplung zu beseitigen.

Lieber Thomas: Den "Gott" würde ich mir auch nicht abkaufen, aber als Mittel der Verdeutlichung einer transzendenten Stimmung kann er herhalten, vor allem wenn seine Existenz ohnehin in einem Konjunktiv formuliert ist. Mit einem "so, als ob" legt man sich nicht fest. Es ist nur ein griffiger Vergleich, mit dem sich auch ein Atheist abfinden kann, oder?

Vielen Dank für eure Ansichten!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.02.2018, 10:48   #7
Chavali
ADäquat
 
Benutzerbild von Chavali
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 12.994
Standard

Hi Erich,

Zitat:
Zitat von Erich
Ich hoffe, mit "versickern" kann nun jeder leben.
Das ist ja noch schlimmer
Erinnert mich an eine Sickergrube aufm Dorf, früher, wenn die ... abgeführt werden mussten

Och Erich, warum nicht verrinnen - Tränen verrinnen nun mal

LG Ch.
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.02.2018, 11:08   #8
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Chavi!

Also womit DU persönlich die Begriffe verbindest, dafür kann ich nun wirklich nichts!

"Entsickern" ist für mich ein friedvoller Vorgang, wie Tau, der im Moos versickert, oder Regen in der Erde ... - an solche Bilder denke ich da in wäldlicher Umgebung!

Genausogut könnte man meckern, dass "verrinnen" einen an verrostete Regenröhren, Abflüsse und Kanalisation erinnert, oder an die Pissrinne in einer öffentlichen Toilette!

Nö du, das bleibt jetzt mal so. Ich mag nicht mehr dran rumbessern ...

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.02.2018, 13:19   #9
juli
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Hey eKy,

Wie immer von dir, ein wunderschönes Waldgedicht. Der Melancholie kann ich gut folgen, weil ich bei mir zu Hause Bäume fällen musste.

Und die Kirchen als Wald sehen, das finde ich auch gelungen. Was für Architekten sind Bäume!

Zu deiner Wortwahl wurde ja schon einiges gesagt.

Vielleicht: "es fließen mit der Zähre meine Sorgen"

Es ist ein unnachahmliches Gedicht von dir.

Sehr gerne gelesen sy

  Mit Zitat antworten
Alt 19.02.2018, 15:15   #10
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Sy!

Danke für dein zärtliches Lob!

Bei "fließen" gefällt mir das "es" davor nicht, und "zerfließen" trifft es nicht mehr ganz.

Ich finde das "versickern" gut - der Wald saugt Sorgen und Trauer auf und wandelt sie in Wachstum und Gedeihen! Ein schönes Bild, finde ich.

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 
Themen-Optionen
Ansicht

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu

Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Waldandacht Erich Kykal Denkerklause 6 14.10.2017 00:53


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 10:56 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg