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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 30.12.2015, 12:29   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Ein Schicksal im IS

Ihr scheuchtet uns zusammen wie die Schafe
und sagtet uns, wir wären ohne Wert,
denn nur, wer Gott nach eurer Art verehrt,
sei lebenswürdig. Unser aller Strafe

jedoch sei Tod aus euren Richterhänden,
die schöne Schwester noch als Sklavin gut,
an welcher sich der Gotteskrieger Lenden
erleichtern könnten von der Lebenswut.

Die Eltern habt ihr knieend dort enthauptet
und filmtet ihre Schlächter noch dabei
und jauchztet laut, wie gnädig Allah sei,
noch während ihr das tote Fleisch beraubtet.

Das Kleine wurde an die Wand geschlagen,
es lebte lang genug für einen Schrei,
und ich, ein Knabe, stand entsetzt dabei
und musste alles sehen und ertragen.

Ihr trugt mich fort, euch anders noch zu dienen:
Als Teilelager im Organverkauf!
Die letzte Stunde zieht mir bald herauf
und wird Erlösung sein von euren Mienen.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (20.05.2016 um 19:53 Uhr)
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Alt 30.12.2015, 18:03   #2
Agneta
Gast
 
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ich musste mich wirklich zwingen, lieber Erich, diese Ballade zu Ende zu lesen, denn sie wirkt durch das LI so authentisch und so nah.
Wahrlich kein "schönes" Gedicht und doch ist es das Leben, das wir alle teilen. Es ist der Finger, der auf das unmenschlich Böse im Menschen zeigt.
Und das haben alle ausgelebt, die sich zu Mächtigen, Allwissenden aufschwangen.
Ich musste sofort an meine Studienzeit denken, denn da wohnten wir mit palästinensischen Stundenten zusammen ( Kommune ), die viel von der Vertreibung von den Golanhöhen berichteten. Der eine war genau der kleine Junge, der in deinem Gedicht spricht. Er hatte all das erlebt und die Feinde waren keine Araber, sondern Israelis.
Darum geht mir dein Gedicht besonders nahe, weil ich den Mohamed immer vor mir sehe. Oft bin ich mit ihm ins Krankenhaus gefahren, weil er nur noch eine Niere hatte und kein Auto. ( Organlager...?).
Was mich besonders bewegt ist, dass solche Unmenschlichkeit ( die wir ja auch von den deutschen Soldaten im Griechenland und Italien kannten, den Rusen in den ostdeutschen, heute wieder polnischen Gebieten - aber ich bleibe jetzt einmal bei diesem Beispiel) immer Unmenschlichkeit zurückbringt.
Dieser Mohamed war ein sanfter Mann, man würde heute sagen ein "Softie", aber er war zum Einzelkämpfer ausgebildet, so groß war sein Hass. Seine gesamte männliche Familie war vor seinen Augen abgeschlachtet worden.
Ich fragte ihn einmal, ob erdenn auch getötet habe und er antwortete verschämt ja.
Das ist das, was ich sagen wollte. Selbst einen Softie kann das Böse so verformen.
er ging nach dem Studium zurück nach Damaskus. ich habe nie wieder von ihm gehört.
Und darum habe ich dein Werk zu Ende gelesen, weil es ein wichtiges ist.
Eine Mahnung, die alle angeht, nicht nur den IS, denn jeder kann zum Täter werden.Man muss ihm nur eine "Rechtfertigung" dafür geben.
Erschütternde Zeilen, Erich.
Wir wollen hoffen, dass die koalierte Armee den IS besiegen kann...

LG von Agneta

Geändert von Agneta (30.12.2015 um 18:23 Uhr)
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Alt 30.12.2015, 18:43   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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HI, Agneta!

Man fragt sich immer, wie man solches Grauen in Reime zwingen kann! Und doch, es muss sein, so deutlich wie nur möglich.

Die Nachrichten sind zu oberflächlich, mit den gezeigten Bildern kann man sich kaum identifizieren. Man sieht nur ewig Geschieße, flüchtende Menschenmassen, Explosionen in Stadtvierteln oder flaggenschwingende Vermummte, die auf schwerbewaffneten Toyotas durch das Bild rasen. Daran guckt man sich irgendwann müde, man reagiert überhaupt nicht mehr auf emotionaler Ebene.

Damit man die Einstellung und das Handeln dieser Glaubensmonster wirklich verdeutlichen kann, muss man den Leser dort erreichen, wo es noch weh tut! Man braucht Identifikationsfiguren, um das unsägliche Leiden ihrer Opfer nachvollziehbar zu machen. Das versuche ich mit meinen Mitteln.

Vielen Dank für deine verständigen Zeilen - du bringst es auf den Punkt!

LG, eKy
__________________
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Alt 31.12.2015, 17:25   #4
Dana
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Beiträge: 5.637
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Lieber eKy,

Dein Gedicht bewirkt, dass man erschüttert liest und zugleich um die Wirklichkeiten weiß.
Die Nachrichten der Medien sind ermüdend, weil sie zielgesteuert sind. Was auch immer an Grausamkeiten geschieht, sie werden transportiert und manipulieren zugleich. Es wird geschossen, bombardiert, zerstört und geschlachtet. Das allein ist nicht grausam genug. Es wird unterschieden:
gute Mörder - schlechte Mörder.

Ich muss aufpassen, dass ich hier nicht mit einer Tirade lande, weil ich gerade ein entsprechendes Buch lese, (Psychologie der Massen).

Du hast den "Irrsinn" gut in Reime gebracht.

Für keinen Krieg gibt es eine Rechtfertigung und doch wird es immer und immer eine Begründung geben, wofür die Glaubenden bereit sein werden, ihr Leben zu geben. Das gilt auch für politische Kriege.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 31.12.2015, 17:40   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Dana!

Ich stimme dir zu. Aber nur, indem wir solche Einzelschicksale schildern und begreifbar machen, erreichen wir die Menschen.
Die Masse der Kriegsopfer und Flüchtlinge bleibt anonym, kann mit allen möglichen Vorurteilen belegt und aus "Vernunftsgründen" abgelehnt oder gar gehasst werden.
Mit Identifikationsfiguren ist das nicht so leicht! Deshalb lamentiere ich nicht über Allgemeinzustände oder Unrecht, begangen an ganzen Völkern, sondern beschreibe das Grauen aus der Sicht eines einzelnen unschuldigen Opfers.
Ich denke, damit erreicht man mehr als mit politischen Diskussionen und moralischen Aufrufen.

Vielen Dank für deine wertvollen Gedanken, denen ich voll und ganz beipflichte!

LG, eKy
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