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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 04.01.2016, 17:02   #1
Chavali
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Standard Eine Erkenntnis



Den Kopf gesenkt, so wie von Trauer,
blick ich auf des Glases Grund,
erkenne meines Lebens Mauer,
beschwöre meine letzte Stund.

Ein Signal aus tausend Blitzen
bricht in die Gedanken ein,
erwägt sofort die Flammenspitzen,
verdammt zugleich den Feuerschein.

Erwacht aus allen Fantasien,
werf ich an die Wand das Glas,
befrei mich aus den Agonien,
entscheide mich für Zeitenmaß.


*********************************************


Version nach Erich


Kopf gesenkt, so wie von Trauer,
blick ich auf des Glases Grund,
sehe meines Lebens Mauer,
ahne meine letzte Stund.

Ein Signal aus tausend Blitzen
bricht in die Gedanken ein,
wägt sofort die Flammenspitzen,
flucht zugleich dem Feuerschein.

Frei von allen Fantasien
werf ich an die Wand das Glas.
Wie befreit aus Agonien
wachse ich ins Zeitenmaß.

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Geändert von Chavali (05.01.2016 um 09:20 Uhr)
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Alt 04.01.2016, 18:00   #2
ginTon
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Standard

Hi chavilein...

ich bin mir nicht sicher, um was es direkt im Text geht, aber die Überwindung
von Agonie ist denke ich der Kern des Werkes, also einen Todeskampf, wahr-
scheinlich einhergehend mit einer Krankheit o.ä.

Die Umsetzung, ja weiß nicht, ist überarbeitbar. Zum Beispiel:

Den Kopf gesenkt so wie von Trauer
blicke ich aufs Glas hinab
und erkenne eine Mauer,
die ich selbst errichtet hab.

so oder ähnlich würde ich es schreiben. Der Wechsel von Jambus auf
Trochäus stört mich da eher weniger. Dies nur als ein Bsp.

gerne mit beschäftigt ...LG ginnie
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Alt 04.01.2016, 18:26   #3
Chavali
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Hi ginnie,

die erste Strophe, so finde ich, ist die beste - wenn man das so sagen darf

Für überarbeitbar halte ich eher die letzte Strophe, insbesondere die letzte Zeile....

Um was es geht? Hm...kann sich jeder selbst ausdenken
Das ist einer von den Texten, deren Aussage nicht (klar) erkennbar ist.
So etwas schreibe ich ab und zu mal

Danke für dein Feedback!

Liebe Grüße,
chavi
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Alt 04.01.2016, 19:48   #4
Erich Kykal
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Hi, Chavi!

Erst die Kleinigkeiten: Leider einige Auftaktfehler! Ich füge meine Vorschläge gleich fett in den Text ein.

Den Kopf gesenkt, so wie von Trauer, Würde ich in Kommata setzen.
erblicke ich des Glases Grund, Betonter Auftakt!
erkenne meines Lebens Mauer,
beschwöre meine letzte Stund.

Ein Wirbel wie aus tausend Blitzen Betonter Auftakt.
bricht jäh in die Gedanken ein, Betonter Auftakt.
erwägt sofort die Flammenspitzen,
verdammt zugleich den Feuerschein.

Erwacht aus allen Fantasien, Leerstelle zuviel nach "allen". Komma.
zerbrech ich an der Wand das Glas, Betonter Auftakt. Hinten besser Komma.
befreie mich aus Agonien, Sprachlich reiner und stilvoller so.
entscheide mich für Zeitenmaß.


Was ist mit "Zeitenmaß" zuletzt gemeint? Das ist mir zu schwammig. Auch das "erwägt" in S2Z3 ist mir nicht klar. Ansonsten schön gedichtet!

Gerne gelesen!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (04.01.2016 um 19:51 Uhr)
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Alt 04.01.2016, 19:53   #5
Dana
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Den Kopf gesenkt, so wie von Trauer, xXxXxXxXx
blick ich auf des Glases Grund, XxXxXxX
erkenne meines Lebens Mauer, xXxXxXxXx
beschwöre meine letzte Stund. xXxXxXxX

Ein Signal aus tausend Blitzen XxXxXxXx (?)
bricht in die Gedanken ein, XxXxXxX
erwägt sofort die Flammenspitzen, xXxXxXxXx
verdammt zugleich den Feuerschein. xXxXxXxX

Erwacht aus allen Fantasien xXxXxXxXx
werf ich an die Wand das Glas. XxXxXxX
Befrei mich aus den Agonien, xXxXxXxXx
entscheide mich für Zeitenmaß. xXxXxXxX

Liebe Chavali,

mir war nach X-en, darum der Hinweis. Beim Lesen holpert es nicht einmal, aber ich will mich selbst für die Mühe belohnen.

Der Inhalt geht in die Tiefe.
Zuerst könnte man an einen verzweifelten alkoholabhängingen Menschen denken, dem diese Tatsache bewusst wird.
Die Fantasien in der letzten Strophe weisen aber auf eine "nüchterne" Erkenntnis hin.
Manchmal lässt sich der Mensch herunterziehen, schmerzhaft herunterziehen, und es bedarf dann eben jenes Signals, zu erkennen, dass es solche "Zeiterscheinungen" gibt. Diese gilt es im Zeitenmaß zu sehen und sich selbst eine "Gelassenheit" zu verschreiben.

Eine kleine Krittelei/Vorschlag:

Wie ein Signal aus tausend Blitzen
bricht es in Gedanken ein:
Ich kämpfte gegen Flammenspitzen,
mich blendete nur Feuerschein.


Das gilt natürlich nur, wenn ich die Intention richtig interpretiert habe.
Entscheiden darfst Du.

Gern gelesen und noch lieber darin philosophiert.

Liebe Grüße
Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 04.01.2016, 20:05   #6
Chavali
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Lieber Erich,
Zitat:
Leider einige Auftaktfehler!
wenn ich dir sage, dass jede zweite Zeile gewollt einen betonten Auftakt haben soll, was sagst du dann?

Die Interpretation überlasse ich dem Leser, im Kommi an ginTon habe ich dazu was geschrieben.

Aber danke für deine Mühe! Vielleicht schaue ich morgen noch einmal drüber.
Einiges habe ich schon geändert.



Liebe Dana,

du hast das sehr schön verixt
Zeile 1 in Strophe eins sollte unbetont verauftaktet sein - ist mir wohl was durchgerutscht,
oder man liest es sich hin

Von deiner Interpretation bin ich angetan, das hört sich richtig und logisch an.

Auch deine Vorschläge werde ich überdenken.
Einstweilen hab herzlichen Dank!
Zitat:
Gern gelesen und noch lieber darin philosophier.
Das freut mich!


Liebe Grüße an euch beide,
Chavali
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*

Geändert von Chavali (04.01.2016 um 20:50 Uhr)
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Alt 05.01.2016, 01:50   #7
Erich Kykal
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Hi, Chavi!

Zum einen beweist meine letzte Antwort, dass nicht "jede 2. Zeile" betont auftaktet, sondern dass der Abfolge keine Ordnung zugrunde liegt.
Zum anderen kann ich mir keinen logisch nachvollziehbaren Grund vorstellen, bewusst metrische Fehler einzubauen, welche einen klaren Rhythmus verhindern und zunichte machen.
Sprachmelodie? - Nein, dieses Argument kann das nicht rechtfertigen.
Ein "lyrischer Effekt"? - Wenn man will, dass Lyrik nicht lyrisch klingt, dann gerne, aber dann ist es eben: nicht mehr lyrisch.
Es holpert dahin, voll unnatürlicher Pausen, damit man sich irgendwie über die Brüche schummeln kann. Ich vermag jedenfalls nicht zu erkennen, was du darin siehst. Tut mir leid.

Hier noch eine durchgehend betonte Version:

Kopf gesenkt, so wie von Trauer,
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Seufzende Grüße, eKy

PS: Solltest du deine Antwort "ironisch" gemeint haben, dann bin ich wohl wieder mal auf die eigene Ernsthaftigkeit hereingefallen ...
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Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (05.01.2016 um 01:52 Uhr)
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Alt 05.01.2016, 09:15   #8
Chavali
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Servus, lieber Erich,

nein, Ironie liegt mir nicht besonders - schon gar nicht hier und am allerwenigsten zu deinen Beiträgen.

Schau, so lese ich meinen Text:

Den Kopf gesenkt, so wie von Trauer,
blick ich auf des Glases Grund,
erkenne meines Lebens Mauer,
beschwöre meine letzte Stund.

xXxXxXxXx
XxXxXxX
xXxXxXxXx
xXxXxXxX

Ein Signal aus tausend Blitzen
bricht in die Gedanken ein,
erwägt sofort die Flammenspitzen,
verdammt zugleich den Feuerschein.

XxXxXxXx --> hier ist der Auftakt betont, das sollte nicht so sein
XxXxXxX
xXxXxXxXx
xXxXxXxX

Erwacht aus allen Fantasien
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xXxXxXxXx
XxXxXxX
xXxXxXxXx
xXxXxXxX

...ansonsten in allen Strophen das gleiche Versmaß: unbetont-betont-unbetont-unbetont
( Z1 in S2 ändere ich noch)

Selbst Dana schrieb:
Zitat:
Zitat von Dana
Beim Lesen holpert es nicht einmal,
Es ist mal was anderes, dachte ich. Möglicherweise wird dieses Versmaß nirgendwo beschrieben,
aber warum nicht mal was anderes probieren? Man muss sich nur auf die Rezitation einlassen

Deine Version ist natürlich - wie immer - metrisch perfekt.
Aber auch ein wenig leiernd.... zumal es so kurze Zeilen sind.

Dein Interesse ehrt mich wirklich. Manchmal aber haben wir verschiedene Ansichten.
Versuch mal, so zu lesen, dass es passt.


Danke dir und liebe Grüße aus der heute heftig verschneiten Magdeburger Börde

Chavali
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*
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Alt 05.01.2016, 10:59   #9
Erich Kykal
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Hi, Chavi!

Ich habe es so gelesen, dass es passt, und mit dem richtigen Sprachrhythmus geht es auch, das gebe ich gerne zu. Aber es "rollt" einfach nicht so glatt wie mit gleichbleibend betonten oder unbetonten Auftakten. Es ist immer etwas, auf das man "sich einstellen" muss, weil es eben kein natürlicher Fluss ist. In diesem Falle zwingt es zu einer Pause am Ende von Z1. Es bleibt eine Obstruktion, und ich denke, die meisten, die beim Lesen das erste Mal an diese Stelle kommen, machen die nötige Pause erstmal nicht und stolpern oder stutzen zumindest. Wenn man es erst einmal weiß, ist es kein so großes Problem mehr. Aber Spass beim Lesen macht es keinen, so zumindest empfinde ich es.

Ich bemühe mich stets, solche Stellen zu vermeiden, damit der Leser einen durchgehend unbehinderten Lesegenuss hat, wenn er erst einmal "im Rhythmus" ist, das mag erklären, warum ich bei einer "anderen" Struktur eher ungnädig reagiere. Ich entschuldige mich, sollte ich zu heftig gewesen sein.

Ich persönlich bevorzuge den unbetonten Auftakt, er ist weicher, lyrischer, harmonischer im Zeilenwechsel. Betonter Auftakt hingegen klingt zwar härter, aber auch beschwingter, energischer.
Sie zu mischen, bleibt immer schwierig, und wenn, sollte der Wechsel streng regelmäßig verlaufen, um so erneut einen gleichbleibenden Rhythmus zu schaffen. S2Z1 hat diese Ordnung bei dir gestört - und tut es in deiner Version immer noch. (weiterer Vorschlag zur Behebung dieses Umstandes: "Ein Sturmsignal aus tausend Blitzen")

LG, eKy

PS: Hier nochmal - ohne unterbrechende Kommentare - zum Vergleich die durchgehend unbetont taktende Version aus meiner ersten Antwort:

Den Kopf gesenkt, so wie von Trauer,
erblicke ich des Glases Grund,
erkenne meines Lebens Mauer,
beschwöre meine letzte Stund.

Ein Wirbel wie aus tausend Blitzen
bricht jäh in die Gedanken ein,
erwägt sofort die Flammenspitzen,
verdammt zugleich den Feuerschein.

Erwacht aus allen Fantasien,
zerbrech ich an der Wand das Glas,
befreie mich aus Agonien,
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Geändert von Erich Kykal (05.01.2016 um 11:07 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.01.2016, 13:43   #10
wolo von thurland
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Standard Wo der Erich Kykal Recht hat...

Hallo Chavali
Da muss der Leser, ob er Kykal oder wolo heisse, durchaus mal die Hosenbeine hochziehen, um heil durch den Sumpf zu kommen.
Zunächst einmal fällt auf, dass in einem wilden Mix von Stilen (von "so wie von Trauer" bis "Agonien" und "sich für Zeitenmaß" entscheiden") kaum Fokussierung auf ein Thema möglich ist. Wäre der Stilmix das Thema oder Teil des Themas, würde ich mich gerne hineinbegeben. Aber es ist denn doch zu deutlich eine klarlinige "Ich"-Botschaft, als dass man eine verschleiernde Verpackung aufdröseln möchte.
Dann fallen die "undifferenzierten Stellen" (Zitat Erick Kykal, aus dem Faden "Zum Neujahr") auf. Solange solche vorhanden sind, errichtest du kein eigenes Rhythmus-Gebäude, es sei denn, eben ein undifferenziertes, einen "Cluster". Für so einen Cluster sind aber die Bindungen doch viel zu offensichtlich und es ist nicht so, dass sich die Sprachmelodie überall überordnet, im gegenteil, es hat einige Stellen drin, wo die sich eher nach Versmass und Reim richtet.


Den Kopf gesenkt, so wie von Trauer,
blick ich auf des Glases Grund,
erkenne meines Lebens Mauer,
beschwöre meine letzte Stund.

Hier flutscht es noch ziemlich gut. Das "blick ich" ist kein Problem. Zeilen drei und vier beugen sich aber bereits stark dem iambischen Geleiere. Hier wäre zum Beispiel Folgendes möglich:
erkenn darin des Lebens Mauer
und schaue meine letzte Stund.

Ob das nun besser ist? Zumindest spielt es mit Metrum und Rhythmus. Und darüber hinaus: Es vermeidet die unpassende Verwendung des Verbs "beschwören". "beschwören" im üblichen Sinn ist hier nicht gemeint, nicht wahr? Gemessen jedenfalls an der Fortsetzung.

Ein Signal aus tausend Blitzen
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Dass hier die erste Zeile betont beginnt, kommt für den Leser komplett überraschend, vor allem, weil der Einzeiler "Ein" eigentlich das unbetonte Begleitpronomen von "Signal" wäre. Nun liegt ein Stress drauf, der höchstens dann wegfiele, wenn du die Zeile als dreihebig ansähest, was ich, mit dem übrigen vergleichend, nicht im Ernst vermuten kann.
Das "erwägt sofort" ist auch kaum lesbar, weil es mehr komisch als gewollt wirkt. "Das Signal erwägt", nachdem es sich als Einbrecher betätigt hat, naja, muss so was sein? Erich Kykals Lösung biegt an diesen zeilen einiges gerade! Wenn Zeile 1 und Zeile 3 ein Fundament kriegten, könnte man sehr wohl das "bricht in die" stehen lassen, obwohl da die beiden unbetonten Einsilber "in die" vor dem auftaktigen (!) Wort "Gedanken" für ein wenig Unruhe sorgen, weil diese Unruhe dann noch im gewünschten oder tolerablen Bereich läge.

Erwacht aus allen Fantasien,
werf ich an die Wand das Glas,
befrei mich aus den Agonien,
entscheide mich für Zeitenmaß.

Hier ist rhythmisch alles sauber. Aber der Stil wird nicht nur durch die ausschliesslich substantivischen Reime, sondern auch durch die abenteuerliche Mischung dieser Substantive getrübt.
edit: Eine recht unglückliche Gegenüberstellung ist "die Agonien - Zeitenmass" Das eine wird mit bestimmtem Artikel versehen, obwohl es völlig bleibt, was damit gemeint ist, das andere, ein neologismus, ist nicht weniher vage, aber sein mögliches Bedeutungsumfeld ist ein gänzlich anderes als jenes "der Agonien". Dies noch als kleiner Nachtrag zum, als Beispiel für das von mir empfundene Stilproblem.

So, nun habe ich mich bei deinen Freundinnen arg in die Nesseln gesetzt. Aber wo der Erich Kykal mindestens zur Hälfte Recht hat, da hat er Recht (mindestens zur Hälfte).


wolo

Geändert von wolo von thurland (07.01.2016 um 08:01 Uhr) Grund: edit
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