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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 12.12.2017, 20:46   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Ich bin nicht verrückt! Oder?

Wunderlich ist mir zumute,
und es steigt ein Ungewisses
aus Gedanken, und ich blute
in Erinnerung des Bisses

alter Schulden, neuer Schande,
und ich frage mein Gewissen:
Komme ich mit mir zurande?
Ist der Faden schon gerissen,

der mich mit der aufgesetzten
Leichtigkeit des Seins verbindet?
Ach, die Süße stillen Leidens

im Bemühen des Vermeidens
von Schockierten und Verletzten -
und des Zweifels, der mich findet.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (13.12.2017 um 02:01 Uhr)
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Alt 13.12.2017, 09:37   #2
Terrapin
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Beiträge: 469
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Hi Erich...


Schön gereimt...
nach Langem hast du dich mal wieder an ein trochäisches Sonett gewagt.
Toll.
Als Thema greifst du hier den Übergang eines Geistes in den Bereich der Entrücktheit auf, und wie er dieses begreift und sich seiner unsicher bleibt, ob dies der Wirklichkeit entspricht oder eine Art Vision ist.

Was ich gut finde, ist die Tatsache, dass dies bei jedem individuell stattfindet, und auch so im Gedicht beschrieben wird, da es Räume zur Interpretation recht weit greift.

Was ich hier benennen aber vielleicht nicht bemangeln will, da es doch recht ordentlich eingearbeitet liegt, sind die von dir, und nicht nur in diesem Gedicht, recht häufig genutzten Substantivierungen.
Freilich kann man sie verwenden, nur in häufiger Weise schwächen sie einen Text, da sie nicht das Potential eines echten Substantivs haben.
Und oft - wenn ich deine Texte lese, da ich es ja sehe als lesender, würde ich - bekäm ich den Text vorgelesen - einige Substantivierungen in ihrer Textstellung fürs erste als Adjektiv halten und danach ein Substantiv erwarten, was den stummen Höhrgenuss beeinträchtigt bei dem Moment, da man begreift das das vermeintliche Adjektiv ein Substantiv darstellen soll und man so etwas im Inhalt hinterherschleicht.
Dies habe ich über die Zeit in Betrachtung deiner wirklich guten Gedichte feststellen müssen.
Kann sein, dass es nur mir so geht und auch nur deswegen, weil ich mich in Bezug auf Substantivierungen so schwer tue.
Doch wollte ich es einmal gesagt haben.
Ich verstehe auch das dies im Bestand deiner lyrischen Herangehensweise und sprachlichen Art verankert ist und allgemein in deiner Handhabe eine rege Anwendung findet.

Aber ohne weiteres - schönes Gedicht.

Ich weiß, mein Lob fällt hier etwas schmal aus, doch gefällt mir das Stück wirklich gut. Du fährst ja eh einen überdurchschnittlich hohen Querschnitt.

Herzliche Grüße, Terrapin.
__________________
Das Leben ist eines der schwierigsten.
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Alt 13.12.2017, 09:38   #3
Thomas
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Lieber Erich,

ein Sonett mit Kreuzreim in den Quartetten und in vierhebingen Trochäen! Und das ausgerechnet von Dir! Da musst du verrückt sein! Ober?

Egal wie, ich finde es gut.

Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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Alt 13.12.2017, 09:42   #4
juli
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Hey eKy

Ein vierhebiges Sonett, dass in deiner unnachahmlichen Art zum Mitdenken aufffordert.

Der Kreis der Normalität ist sehr sehr groß. Wer sich fragt, ob er durch Raster der Allgemeinheit fällt, wird schnell Grenzen merken. Jedoch gibt es tausende von Nischen, in denen einzigartiges Leben möglich ist. Es sei denn, derjenige zieht sich selbst den Schuh an, und sagt sich: Ich bin verrückt. ( Verrückt ist jemand, der sich und andere Gewalt antun möchte)

Menschen, Denker, Zweifler, Künstler, Unikate, Erimiten, Streiter, Humoristen, Wortgewandte... bestimmt habe ich welche vergessen, können sich diese Frage schon mal stellen. Jedoch sollte sie nicht zum Schwergewicht werden

Die Mitte der Gesellschaft ist nicht immer das "Gelbe vom Ei". Individualität ist etwas sehr Persönliches, etwas Einzigartiges! Ich versuche den Einzelnen zu entdenken, weil sie die Seele einer Gesellschaft sind. Die Masse an Menschen ist eigentlich dumm. Weil der wertvolle Einzelne nicht in der Masse erkannt wird. Das Besondere geht verloren.

Das fällt mir zu deinem leidenschaftlichen Gedicht ein.

Liebe Grüße sy

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Alt 13.12.2017, 11:51   #5
Erich Kykal
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Hi Leute!

Ich könnte jetzt großspurig behaupten, ich hätte diese unkonventionelle, "verrückte" Form bewusst gewählt, um den Inhalt damit zu stützen - aber ich plane eigentlich so gut wie nie ein Werk voraus.

Dies hatte ich zB. nie als Sonett vor, und dass es zuletzt oberflächlich in diese Form gerann, liegt eher daran, dass ich zum Ende Probleme bekam, mit Reimschema und logischem inhaltlichem Ende gleichzeitig zu Potte zu kommen.

Jetzt kann man sich natürlich streiten, ob dies eher ein seltsames Sonett ist oder ein Gedicht in Sonettform - wäre mir aber wurscht.


Hi Pinni!

Für mich ist ein substantiviertes Adjektiv in dieser Verwendung ein vollwertiges Nomen. Dass du da Probleme hast, kann ich kaum nachvollziehen.
Ich empfinde es sogar als gehobene Sprachhabung, sich solcher Möglichkeiten der Sprache ohne Scheu zu bedienen, für mich verliert der Text nicht dadruch, sondern gewinnt an Spracheleganz.
Nun, da hat wohl jeder seine eigene Sichtweise.


Hi Thomas!

Kreuzreim deshalb, weil es ja nie als Sonett geplant war.


Hi Sy!

Mit einem sozialen Kontext fügst du dem Werk inhaltlich eine Facette hinzu, denn ich war ganz in hermetischen Überlegungen befangen, als ich es schrieb.

Meinen Dank dafür - gesellschaftliche Interaktion vernachlässige ich öfter in meinen Gedankengängen ...


Vielen Dank für eure Gedanken!

LG, eKy
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Alt 13.12.2017, 12:26   #6
Thomas
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Lieber Erich,

es ist doch egal wie es geplant war. Ich denke, es ist ein Sonett. Aber das ist auch egal. Hauptsache Spaß gehabt.

Liebe Grüße
Thomas
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Alt 18.12.2017, 08:27   #7
Leuchtfeuer
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Hallo Erich Kykal,
nein, du bist nicht verrückt, oder wenn, dann nur so weit wie alle anderen auch. Obwohl das "Verrückt-Sein" manchmal auch ein wenig hilfreich im tristen Alltag sein kann. Das Gewissen ist ein Ruhekissen, kann aber auch wie ein Vampir sein und dich aussaugen, je nach Lebensgeschichte.
Viele Menschen werden so oder so ähnlich empfinden, wie es in deinem Gedicht angesprochen wird.
Der innere Friede ist nicht immer leicht zu finden.
Es hilft aber, wenn man sich seines bewusst ist.

Grüßle Leuchtfeuer
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Alt 18.12.2017, 12:27   #8
Erich Kykal
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Hi Thomas!

Was immer du sagst ...

Hi LF!

Das Gedicht behandelt, was wohl jeder in sich findet, sofern er der Selbstanalyse mächtig ist: Diesen leisen Zweifel ob des zuweilen aufflammenden Bedürfnisses, Konventionen zu brechen, knallhart ehrlich zu sein, jeden vor den Kopf zu stoßen, weil man die verlogenen kleinen Höflichkeiten, das Schmiermittel jeder Gesellschaft, so satt hat.
Aber letztlich bleibt man dann doch angepasst und verbindlich, nicht zuletzt eingedenk früherer Entgleisungen, die letztlich mehr beschädigt als geheilt haben. Für soziale Verträglichkeit ist eben ein Preis zu zahlen.


LG, eKy
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Alt 19.12.2017, 09:58   #9
Ophelia
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Lieber Erich,

dein Gedicht ist ein großartiges Sonett im gewohnt anspruchsvollen Stil.
Wir lügen ja bis zu 200 Mal am Tag, damit es harmonisch zwischen uns Menschen zugeht. Aber ich weiß genau was du meinst, wir haben uns schon oft genug um Kopf und Kragen geredet, weil wir keine Lust haben ständig verlogen zu sein und es hat meistens mehr geschadet als genutzt. Hinterher denkt man sich, war es das jetzt wirklich wert und man hat sich megaunbeliebt gemacht. Aber manchmal muss es einfach raus und die Wahrheit ist halt meist ein Arschloch. Mir ist es auch lieber ich bin mir selbst treu, als ständig Idioten zu umschleimen...
Mir gefällt dein Sonett sehr, sehr gut und du bleibst weiterhin ein großes Vorbild für mich.

Liebe Grüße auch an dein Katerchen

Ophelia
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Vom Tod erwart ich Leben und vom Schweigen ein Wort.
Baratynsky
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Alt 19.12.2017, 10:35   #10
Erich Kykal
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Hi Ophelia!

Wenn dies ein Sonett ist, dann ein extrem unkonventionelles: Vierhebig mit betontem Auftakt!

Darin spielte ich allerdings auf nichts an, was uns betreffen könnte - da dachte ich an viel ältere Beschädigungen ...
Aber du hast recht - die höflichen Lügen waren nie so mein Ding, und meine ehrliche Direktheit wird mir oft als Schroffheit oder gar Fiesheit ausgelegt - was mich hinterher immer sehr erstaunt. Aber ich lerne da anscheinend ewig und doch nichts dazu ...

LG, eKy
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