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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Jenseits


Erich Kykal
22.12.2012, 18:53
Wiewohl wir weiland nicht zu sagen wissen,
wie nach dem Tode endlich uns geschieht,
belasten wir das grübelnde Gemüt
mit mancher Aussicht, die wir hier vermissen:

Von aller Mühsal losgelöst! Gewissen,
das sich mit seiner Welt im Reinen sieht!
Ein blauer Himmel, der sich nie bezieht,
um der Erkenntnis Fahne drein zu hissen,

dass doch ein guter Gott sei, der uns leite,
und uns den Weg ins Paradies bereite,
stünd die Vernunft dabei auch noch so schief!

Ein ganzes Leben liegen wir im Streite
und glauben alle Wahrheit uns zur Seite!
Du liebe Zeit, was sind wir doch naiv!

Dana
01.01.2013, 19:59
Lieber eKy,

mit dem Jenseits habe ich ein ganz eigenes "Problem".;)
Ich bin nicht naiv genug, an einen "vermenschlichten Gott" zu glauben und zugleich nicht vermessen genug, alles auszuschließen, was sich meinem beschränkten Wissen und unendlichem Unwissen nicht erschließt.
Damit ergreife ich nicht "Partei" für einen erdachten und recht einträglichen Glauben.
Gemessen an dem, was wir nicht wissen, kann es gaaanz anders sein.
Evtl. sind leidvolle Religionen oder Fantasien nur Möglichkeiten für ein Weiterdenken.
Wir brauchen nicht die Angst vor einer Hölle und einem alles sehenden Gott - allein die Tatsache, dass wir sehr, sehr wenig wissen, dürfte und sollte genügen, ein menschliches Miteinander zu leben.

Ein schönes Sonett, dass mich in meiner unklaren Wahrheit bestätigt und mir als weltlich geschaffenes Werk sehr gefällt.;)

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal
01.01.2013, 22:38
Hi, Dana!

Vielen Dank für deine Gedanken!

Mein Freund Gunkl hat es in einem seiner Programme sehr treffend auf den Punkt gebracht:

Wir treffen Aussagen über das Absolute, und das mit einem Gehirn, das sich das Absolute nachweislich nicht vorstellen kann. Gleich hinter der Grenze des Begreifens der jeweiligen Zeitalter behaupten wir die Existenz Gottes - und wer sich diesen prophetischen Behauptungen verweigert, erhielt noch bis vor nicht allzu langer Zeit eine öffentliche Lebendfeuerbestattung auf Kirchenkosten.

Mir zunehmender Radikalisierung der Glaubensrichtungen driftet die Welt derzeit wieder in Richtung Mittelalter...

LG, eKy

Antigone
02.01.2013, 11:12
Hallo Erich,

wie wahr. Die Naivität der menschlichen Spezies ist unübertroffen. Die Angst vor der Wahrheit ist so ungeheuerlich, dass jeder obskure Heilsverkünder bei den Leuten eine Chance hat. Die Kirche weiß schon, weshalb sie der Botschaft Jesu das revolutionäre Element genommen hat und ihre Schäfchen aufs Jenseits vertröstet, wo die Welt aus purer Watte ist und eitel Tandaradei.

Lieben Gruß und angenehmes 2013
Antigone

Erich Kykal
02.01.2013, 13:53
Hi, Antigone!

Auch dir ein gutes Jahr 2013!

Im Zusammenhang mit dieser Thematik hier sei dir mein Faden "Geistesgrenzen" anempfohlen.

http://gedichte-eiland.de/showthread.php?t=10242



LG, eKy

Thomas
02.01.2013, 19:27
Hallo Erich,

wie ich an anderer Stelle bereits gesagt habe, hat mich dein Gedicht wahrscheinlich zu einem eigenen kleinen Text angeregt.

Worüber ich in deinem Gedicht (welches der Form nach wieder sehr gut ist) gestolpert bin, ist die Aussage, dass wir "alle Wahrheit uns zur Seite" glauben, was meiner Erfahrung nach nicht der Fall ist, oft ist da sogar ein sehr großer Zweifel an meiner, bzw. der Vernunft.

Ich lese den Text vor dem Hintergrund deiner Sorge einer "zunehmenden Radikalisierung der Glaubensrichtungen", welche ich auch sehe, obwohl ich die Gefahr des Abgleitens in ein neues Mittelalter nur dann sehen würde, wenn es nicht gelänge die Probleme des Weltwirtschaftssystems zu lösen. Ich habe diese sich seit mehr als drei Jahrzehnten entwickeln gesehen, weshalb ich jetzt im Verhältnis vieler Mitbürger "relativ" entspannt bin und mich sogar darüber freue, dass das Problem seit einigen Jahren endlich ins allgemeine Bewusstsein gerückt ist. Die von dieser Krise ausgelösten Ängste scheinen mir der wesentliche Motor der Radikalisierung und Ideologisierung zu sein.

Liebe Grüße
Thomas

Erich Kykal
02.01.2013, 21:48
Hi, Thomas!

Im Gedicht ist ja nicht vom Zweifel gesunden Menschenverstandes die Rede, sondern von der - von keiner vernunftgesteuerten Überlegung angekränkelten - Überzeugtheit der vom Glauben sattsam Durchglühten, aus deren Sicht das Gedicht hauptsächlich seinen Sarkasmus schöpft!

Mit der Krise gebe ich dir teilweise Recht - ein äußerer Feind lenkt von inneren Missständen ab, also wird derlei in solchen Zeiten gerne geschürt.
Es liegt aber auch am befremdlichen Extremismus und dessen unmenschlichen und blutigen Auswüchsen, der unsereinen abstößt und befremdet. Wenn christliche Fundis und selbsternannte Retter des Abendlandes - von Neonazis bis hochgebildeten Doktoren (Siehe "Deutschland schafft sich ab" und Folgeliteratur) dann auch noch Öl ins Feuer gießen...

Keiner ist gefeit! Ich gebe selbst zu, dass mich der islamische Fundamentalismus besonders anekelt - das jeweilige Weltbild der Religionen ist mir sowieso an sich zu simpel gestrickt, als dass ich derlei auch nur ansatzweise glauben könnte.
Aber ich mag weder islamische Kultur noch Denk- und Lebensart. Ich mag keine Basare, keine Nachthemdenmode, keine Betttücher um den Kopf. Ich verabscheue Burkas, Schleier und all den anderen Religiösen Nonsens, an dem diese Kulturen so bocksbeinig festhalten. Von Scharia und öffentlichen Hinrichtungen für Ehebrecherinnen (Männer bleiben da straffrei!!!), von Beschneidung (vor allem der Mädchen in Afrika), Bildungs- und Redeverbot für Frauen wollen wir gar nicht erst anfangen - da könnte ich kotzen!
Okay - das sind die Salafisten, die Fundis. Ich weiß, der Islam hat auch ein anderes Gesicht. Mein Problem ist: Das mag ich im Grunde auch nicht. Wenn einer schon anfängt mit: "Es steht geschrieben..." und nach jedem Satz ein "Gott ist groß" erschallen lässt, dann reicht's mir schon!
Allein schon, dass der Islam verlangt, sich 5mal täglich vor seinem Gott in den Staub zu werfen, sprich sich auf allen Vieren gen Mekka zu verneigen wie ein Sklave vor seinem Herrn, empfinde ich als extrem demütigend. So erzieht man ewig Unmündige!
Aber das ist alles meine persönliche Meinung. Allerdings lasse ich mich niemals davon verleiten, diesbezüglich zu verallgemeinern oder dies Anhänger jenes Glaubens spüren zu lassen. Die Fundis vor allem bildungsferner Schichten sind da lang nicht so weit!

So, genug des Ablästerns. Jetzt geht es wieder - der Dampf ist raus! Danke.

LG, eKy

Thomas
04.01.2013, 09:27
Hallo Erich,

Ablästern muss auch mal sein! Mir tut es auch in der Seele weh, wenn ich diese hinrverbrannten und destruktiven Fundis sehe. Was besonders tragisch ist, da gerade Denker wie Lessing und Goethe, die sich sehr offen und tief mit der Frage der Religionen beschäftigt haben, den Islam von den drei großen monotheistischen Religionen am verträglichsten mit dem Vernunftdenken gesehen haben.

Liebe Grüße
Thomas

Erich Kykal
04.01.2013, 15:35
Hi, Thomas!

Daran sieht man, wie sehr auch große Geister irren!

Ich will mich sicher nicht als ebensolchen bezeichnen, aber meine Aussage lautet: KEINE Religion ist auch nur annähernd vernünftig in ihrer Struktur und ihren Welterklärungsmodellen. (die jeweilige Ethik und Moral, die sie sich gern zueigen machen und mittels "Geboten" verbreiten, hat andere Wurzeln - das wird oft und gerne übersehen!)

Man könnte es auch anders betrachten: Egal, wie potentiell "vernunftkompatibel" etwas ist - dem Menschen gelingt es doch immer wieder, etwas Ungeheuerliches draus zu machen!:(

Traurige Grüße, eKy