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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Dahinter


Cebrail
16.07.2013, 15:04
Als die Sprachlosigkeit mich fand, stoben die Wortwellen an Zwielichtwänden auseinander und verebbten.
Betäubt, als hätte ich Stunde um Stunde auf meinem Fuß gesessen - auf meinem Innenfuß.
Ein Kribbeln blieb.

Eingerollt.
So verbringe ich am liebsten die Zeit, die Beine dicht am Bauch, das Kinn auf den Knien und wartend.
Darauf wartend, dass meine Haut sich löst, der Wasserhahn den Tropfen freigibt, der kleine Zeiger den Großen überholt oder dass das Telefon klingelt.
Obwohl der Akku schon seit Tagen leer ist.

Wenn ich mal aus dem Fenster schaue, kann ich zusehen wie die Zeit in den Angeln rostet.
Wie ein lauernder Ton hängt sie zwischen mir und der Welt und hält mich, immer eine kleine Terz weit, auf Abstand zum Wind.
Von dem gleichen Wind den die Vergangenheit so liebte, der die Drachen auf den Stoppelfeldern aufsteigen ließ und der das Blattwerk der alten Buche dazu überredete etwas Licht auf unsere Gesichter rieseln zu lassen. Ein Wind, der mit unseren Namen auf dem See tanzte, bis zum Augenende.
Ein Wind, der an die Hand nahm und Wege kannte die man nur von oben sieht.

Der gleiche Wind der dem Novemberregen befahl mir die Tränen aus dem Gesicht zu waschen.

Chavali
16.07.2013, 17:47
Hi Cebi,

eine feine kleine Geschichte.
So muss man sich fühlen, wenn man völlig leer und ausgebrannt ist.
Burnout eben.
Man wartet auf etwas, das nie eintreffen wird.

Man denkt an früher, an vergangene Zeit und erkennt, dass sie nie
wiederkehren wird
und man ist unfähig, sich zu neuen Zielen aufzuraffen.

Deine Wortwahl gefällt mir außerordentlich gut!
Sehr intensiv und aussagekräftig.

Lieben Gruß,
katzi :)

Cebrail
28.07.2013, 23:18
He Katzi,
schön von dir unter meinen Zeilen zu lesen.
Danke erst einmal für dein Lob und „eine kleine feine Geschichte“ …. auf den ersten Eindruck klein, ja, oder besser, eins von den kleinen Dingen, die groß sind.
Oder sich, wenn sich das Fühlen denn mal einen Spalt breit öffnet, groß anfühlen ... und auch nicht.

… und ausgebrannt, nu ja, das trifft es ganz gut, aber eigentlich reicht das nicht, weil es mehr ist. In unserer schnellen Welt werden gerne Anglizismen in den Mund genommen und ein kurzes Wort wie „Burnout“ ist schnell raus und erklärt alles.
Und nichts.
Man sagt eben lieber ich habe ein „Burnout“ als, ich bin depressiv.
Es gibt ja heute auch den Facility Manager ;-).

Ob es nun ein Warten ist das ich da versucht habe zu beschreiben?
Kann ich gerade selber nicht sagen, aber es ist wohl ähnlich und eigentlich
mehr ein Verharren, Ausharren, dumpf und taub.
Ein Zustand im dem Zeit, Geräusch, Gefühl keinen Einfluss mehr haben, weil es einfach egal ist.
Ein in der Schlange stehen, aber ohne voranzukommen, weil auch das Vorankommen nicht wichtig ist, weil nichts wichtig ist.
Wie der eingeschlafene Fuß eben, nur dass dieser innen ist.

Und ja, in Momenten in denen der Verstand es zulässt, sind dann Bilder vom Erlebten, von dem was war, vielleicht weil man denkt, dass dort der Schlüssel liegt.

Und der letzte Satz, nun ja, ich gebe zu, den habe ich ein wenig pathetisch gestaltet, ein wenig Effekthascherei vielleicht, aber so ist das beim Geschichten schreiben.

Ich danke dir dafür, dass du dir einen Moment genommen hast, um mit meinem Protagonisten aus dem Fenster nach innen zu schauen.

Einen lieben Gruß
C.

poetix
05.01.2014, 14:32
Hallo Cebrail,
ein sehr einfühlsamer Text, fast ein Gedicht. Ausgehend von der Sprachlosigkeit unserer Zeit (es wird zwar viel geredet, aber wenig gesagt) über die Niedergedrücktheit bis hin zum hoffnungsvollen Ausblick (die Führung durch den Wind) spricht er wahrscheinlich viele an. Mein Kompliment.
poetix

Cebrail
08.04.2014, 01:40
Hallo poetix,
danke für dein Lesen und deinen Kommentar.

es wird zwar viel geredet, aber wenig gesagt
Wie recht du doch hast, diese Zeit ist hastig und manches/mancher bleibt da auf der Strecke.
Vielleicht aber auch weil wir durch immer mehr Automatisierung mehr Zeit zum Nachdenken haben, ich weiß es nicht, aber missen möchte ich die uns zur Verfügung stehende Technik nicht mehr.

Danke für dein Kompliment zu meiner kleinen Momentaufnahme.

Einen Gruß
C.

Dana
15.04.2014, 18:59
Lieber Cebi,

ich habe "Dahinter" mehrfach gelesen.
Um ganz ehrlich zu sein, hat mich deine Antwort an Chavali erst recht berührt.
Ein "Dahinter" ist oft schneller erkannt als es gemeint ist/war.



Als die Sprachlosigkeit mich fand, stoben die Wortwellen an Zwielichtwänden auseinander und verebbten.
Betäubt, als hätte ich Stunde um Stunde auf meinem Fuß gesessen - auf meinem Innenfuß.
Ein Kribbeln blieb.

Der Einstieg selbst beschreibt die "Unbeschreiblichkeit" - das "Kribbeln" zwingt zur "Lebendigkeit".
Ich merke selbst an den "-" , "-", "-", wie jene Sprachlosigkeit einsetzt, die nach Ventilen sucht - diese im Gedicht oder in Prosa zu verarbeiten und erkennbar zu präsentieren.
Mich hat deine Kurzgeschichte sehr angesprochen, weil sie ganz eigen bewegt.
Nicht die Eigenheit, Eigentümlichkeit des Autors wird hier sichtbar. Ein Zustand, eine Zeit oder nur Momentaufnahmen des Seins und dessen Betrachtung offenbaren sich in Nachfühlbarkeit.
Die Erfahrung zeigt auf, dass sie immer wieder kommen, doch wenn sie da sind, sind sie so neu und bewegend, wie es deine Kurzgeschichte beschreibt.
(Ich glaube, ich kenne sie.)


Ein Wind, der an die Hand nahm und Wege kannte die man nur von oben sieht.

Der gleiche Wind der dem Novemberregen befahl mir die Tränen aus dem Gesicht zu waschen.

Genau so - und als Kurzgeschichte vollkommen.

Liebe Grüße
Dana

Cebrail
21.04.2014, 04:17
Liebe Dana,
ich danke dir für dein Vorbeischauen und dafür dass es nicht nur ein Vorbeischauen war, sondern auch ein Hinterlassen. Was bei mir wieder für Eindruck gesorgt hat, so kommen mir beim Antworten und betrachten der Gedankengänge anderer Leser immer wieder neue Gedanken zu diesem Text.

Du deutest hier ja schon an, dass der Text eine „Unbeschreiblichkeit“ beschreibt und genau so fühlt es sich an, man versucht eine Situation zu beschreiben, kann aber nur umschreiben, weil über etwas zu Schreiben und etwas fühlen doch irgendwie zwei verschiedene Dinge sind.
So bleibt der Text letzten Endes doch nur ein Versuch einen Moment wiederzugeben, erzeugt vielleicht die Ahnung der Stimmung und doch weiß nur jemand der dieses Gefühl bzw. den Zustand kennt, wie tief eine Traurigkeit sitzen kann und was sie mit dem Herz, dem Verstand, dem Uns anrichtet, wie es sich anfühlt.

Ich weiß es gerade nicht, spricht man hier von Einfühlvermögen? Obwohl „Vermögen“ nun gerade in meinem Kopf falsch klingt, weil ja Vermögen etwas ist was man gerne haben möchte und ich bezweifle, dass die Krankheit von der ich hier schreibe etwas ist das man haben möchte, auch wenn ihr denn positiven Aspekt von mehr Tiefe, mehr Hintergrund nicht absprechen möchte. Nur stellt sich mir da wieder die Frage, wie viel Tiefe man ertragen kann.

Mir ist vor einiger Zeit eine kurze, aber aus meiner Sicht passende Beschreibung für den Begriff Depression in das Ohr gekommen. “Es fühlt sich an wie Heimweh nach dem Tod“.

Ich glaube ich schweife hier gerade wieder ein wenig ab und das Ganze driftet in philosophische Gefilde ab, ich denke mir aber, dass du verstanden hat was ich sagen will, also was es mit der Geschichte auf sich hat.
Die "-" , "-" und "-" sprechen Bände und ich danke dir für deine Gedanken und du siehst ja, dass sie bei mir wieder neue Gedanken dazu auslösen.

Zitat Dana
„Genau so - und als Kurzgeschichte vollkommen“.

Danke dafür und es wäre schön wenn es denn nur eine „Kurz“ Geschichte wäre. ;-)

Ein schönes Osterfest noch und liebe Grüße
C.

Dana
25.04.2014, 20:46
Lieber Cebi,

ich muss mit einem eigenen "Einfühlungsvermögen" ein wenig graben - jedoch nicht um das "Vermögen", das vorhanden (:confused:) ist, zu "erhöhen".
(Damit geht man an die Börse - und die würde hier (und auch sonst;)) das Gesamte nur verschlimmern:

Ich weiß es gerade nicht, spricht man hier von Einfühlvermögen? Obwohl „Vermögen“ nun gerade in meinem Kopf falsch klingt, weil ja Vermögen etwas ist was man gerne haben möchte und ich bezweifle, dass die Krankheit von der ich hier schreibe etwas ist das man haben möchte, auch wenn ihr denn positiven Aspekt von mehr Tiefe, mehr Hintergrund nicht absprechen möchte. Nur stellt sich mir da wieder die Frage, wie viel Tiefe man ertragen kann.

Dieses (dein) Hinterfragen ist zugleich eine "kleine" Antwort auf die Tiefe. Man begibt sich in sie hinein, weil man "will/muss" und weiß nicht, ob und wie man wieder auftaucht. Die Antwort liegt in der Tiefe, aber man weiß nicht, ob sie "heilend/helfend" ist. Ohne sie kommt man nicht weiter und mit ihr evtl. erst recht nicht. Das ist das Dilemma.
Ein Dilemma, das im Verständnis begründet ist (was die meisten nicht haben/kennen, das gibt es auch nicht). Die Betroffenen bleiben allein, immer noch.

Ich musste mich noch einmal so einbringen - ich wollte nichts stehen lassen.



Mir ist vor einiger Zeit eine kurze, aber aus meiner Sicht passende Beschreibung für den Begriff Depression in das Ohr gekommen. “Es fühlt sich an wie Heimweh nach dem Tod“.

Ich glaube ich schweife hier gerade wieder ein wenig ab und das Ganze driftet in philosophische Gefilde ab, ich denke mir aber, dass du verstanden hat was ich sagen will, also was es mit der Geschichte auf sich hat.

Das sind die "Abgründe" der Tiefe: Heimweh nach dem Tod und leben wollen.
Leben wollen nicht aus ausschließlich "egoistischen" Gründen. Philosophie kann dabei sehr gute Medizin sein. Vielleicht sollte man sie öfter "einnehmen".:)

Liebe Grüße
Dana

Cebrail
27.04.2014, 01:40
He Dana,
danke für dein 'Nochmalzurückmelden'.
... und das mit dem Vermögen, ist nun mal typisch ich. Ich mag es Worte vom Sinn her zu verdrehen und einfach anders darauf zu schauen, auch wenn es dann völlig aus dem Kontext gerissen wird. Ist vielleicht ne Art Gedangenspringen, aber das hast du ja soweit erkannt und mir auch erklärt.
Aber ich fand es gerade hier irgendwie passend, oder so.

Dein Ansatz zur Tiefe und ihr Ausloten gefällt mir und hat bei mir im Moment
den 'Steininswasserwerfeneffekt' ausgelöst.
Man kann den Gedanken wirklich vertiefen und dadurch andere Perspektiven gewinnen.
Vielleicht ein Lösungsansatz (oder besser) ein Weg dahin mit der Situation klar zu kommen/sich damit zu Arrangieren, denn letzten Endes glaube ich nicht an eine Lösung im Sinne von Heilung, was aber auch nicht wirklich dramatisch ist wenn einmal eine gewisse Akzeptanz eingetreten ist.
Dinge verändern sich, Menschen auch.
Nun ja, ich glaube ich entferne mich gerade immer weiter von dem eigentlichen Text und das hier braucht bald einen eigenen Faden ;-).

Das sind die "Abgründe" der Tiefe: Heimweh nach dem Tod und leben wollen.
Leben wollen nicht aus ausschließlich "egoistischen" Gründen. Philosophie kann dabei sehr gute Medizin sein. Vielleicht sollte man sie öfter "einnehmen".

Philosophie als Medizin klingt gut und 'Leben wollen' ist aus meiner Jetztsicht
im Grunde doch schon ein egoistischer Gedanke ;-).

Wie auch immer, ich glaube da kann man hundertundeinen Tag drüber schreiben und es sind mit Sicherheit schon einige Feuer bei Gesprächen zu diesem Thema heruntergebrannt, jede denkbare Antwort wirft mindestens eine neue Frage oder Interpretationsmöglichkeit auf, aber wer weiß, vielleicht
kommt ja eines Tages die Erleuchtung ;-).

Dana ich danke dir und sende liebe Grüße
C.