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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Unrast


Erich Kykal
10.10.2015, 11:19
Wohin nur verweht uns das Leben,
wer kennt sie, die Winde der Zeit?
Wir hasten, erhaschen und streben,
verfangen uns blindlings in Liebe und Leid.

Wohin sind die Jahre verflogen,
was trägt uns durch Tage und Trug?
Wir haben das Schicksal betrogen,
vermuten uns sicher, doch niemals genug.

Wohin sind die Geister entschwunden,
wer ruft ins Vergessen, ins Licht?
Wir leben, an Reue gebunden,
im Himmel auf Erden und ahnen es nicht.

Agneta
10.10.2015, 17:18
wer vermeintliche oder reale Schuld mit sich herumträgt, jagt immer dem Zipfel Glück hinterher. Ich persönlich bin ja immer für "alles auf den Tisch", jeder rülpst sich aus und dann bespricht man wie es weitergeht. Dann nimmt man sich in den Arm und es ist wirklich erledigt ( bei Familie und Freunden).

Manche aber können das nicht.
es sammelt sich über Jahre Reue, Schuldgefühl und Ohmacht an, denn es wird immer schwieriger und der blöde Spruch. " da wächst Gras drüber". den finde ich unpassend. Nur da kann etwas neu wachsen ( und sei es nur Gras), wo der Boden gemeinsam beackert und von mir aus komplett umgepflügtwurde.

Diese Divergenz hast du gut aufgeführt in deinem Gedicht, lieber Erich. Was sonst bleibt , sind Harm,Grübeln und totes Land...
LG von Agneta

Marzipania
10.10.2015, 17:25
Hallo Erich,
das ist mal eines, das mir nicht sonderlich gefällt.
Philosophie und Poesie sind ja gleichsam "natürliche" Gegner - das halte ich dir zugute.
Nicht aber die Reihung von Allgemeinplätzen. Es fehlt mir an originellen Ansätzen, am sog. Frischen.
Recht nett finde ich allerdings die Anpielung auf Goethes "Zauberlehrling" (Umkehrung), falls die dir überhaupt durch den Kopf geschossen sein sollte:

...
Die ich rief, die Geister,
werd ich nun nicht mehr los

Falls nicht, gedenke ihrer! :D

Liebe Grüße
MR

Erich Kykal
10.10.2015, 19:42
Hi, Agneta!

Danke für die profunde Analyse!:)

Du hast recht - manche können das nicht. Ich bin nicht eben der "soziale Typ", und der heutzutage so gern praktizierte Teamzwang sowie der obligatorische Seelenstriptease vor jenen, die derlei zu erwarten scheinen, waren nie mein Ding.
Ich musste immer allein mit mir und meinen Problemen fertig werden, und meistens war das auch gut so - sowohl für mich als auch für die andern!


Hi, MR!

Hier habe ich mehr Wert auf Wortmelodie und lyrische Eingängigkeit gelegt als auf interessante Wortspielereien oder tiefgründige Sophistereien.
Es mag einige "lyrische Gemeinplätze" enthalten, vielbemühte Versatzstücke - aber es kommt immer wieder auf die Kombination an und was man draus macht.

Vielen Dank für die ehrliche Meinung!:)


LG euch beiden, eKy

juli
11.10.2015, 10:35
Die Worte sind sehr melodisch, und jetzt ist es Herbst, da denkt man schon einmal über das Leben nach.

Wohin nur verweht uns das Leben,
wer kennt sie, die Winde der Zeit?
Wir hasten, erhaschen und streben,
verfangen uns blindlings in Liebe und Leid.

Das gefällt mir sehr.:)

Wohin sind die Jahre verflogen,
was trägt uns durch Tage und Trug?
Wir haben das Schicksal betrogen,
vermuten uns sicher, doch niemals genug.

Können wir unser Schicksal betrügen ?Ich glaube nein. Denn alles ist Schicksal, keiner kann aus seiner Haut. Wir haben auf Erden die Möglickeit zu wählen, so wie wir es grade immer in dem Moment können, oder kurz gesagt, so schlau wie man gerade ist. So ist das. :)

Wohin sind die Geister entschwunden,
wer ruft ins Vergessen, ins Licht?
Wir leben, an Reue gebunden,
im Himmel auf Erden und wissen es nicht.

Was du mit den Geistern meinst, weiß ich nicht genau -
Die Geister der Vergangenheit?! Du meinst jeder hat sein Päckchen Schuld zu tragen? Ich glaube nicht an Schuld, es ist besser nach Lösungen zu suchen....Ja, man kann nicht immer alles richtig machen. Und manchmal hat man Fehler begangen von denen man nichts weiß, weil andere verletzt wurden. Ein Gedicht mitten aus dem Leben.:Blume:

Liebe Grüße aus dem sonnigen Schleswig - Holstein sy * SONNENSMILEY*

Erich Kykal
11.10.2015, 10:41
Hi, Sy!

Du hast es gut erkannt - es sind die Geister, die wir riefen, durch unser Handeln und Tun, Begegnen und Entfernen. Wir tragen unser Päckchen mit uns, solang wir leben und unterscheiden uns eigentlich nur darin, wie schwer wir letztlich daran tragen.

Dabei ist ger nicht die Größe des Päckchens entscheidend, sondern die Tragfähigkeit des betreffenden Geistes, sei es aus tumber Primitivität oder Unreife heraus oder aus wahrer Charakterstärke und Lebenserfahrung. So mag ein Feingeist oder ein Kind unter einer Last stöhnen, die einen Unsensiblen oder Alten nur auflachen ließe: Die Päckchen sind verschieden groß - der Schmerz ist aber von vergleichbarer Intensität.

Vielen Dank für deine freundlichen Zeilen!:)

LG, eKy

Agneta
11.10.2015, 12:39
Lieber Erich,

du schreibst von Sozial und Teamzwang.Ich kann deine Haltung sehr gut nachvollziehen, denn ich denke genauso. Für mich ist sozial und Zwang ein Widerspruch.
Sozial definiert sich heute mehr denn je als "im Gruppengedudel mitzusingen", dem Hype hinterherlaufen, dem Trend-wobei man irgendwann zwischen Gutmensch und wirklich sozial engagiertem nur noch schwer unterscheiden kann. Danach wird man jedoch bewertet.
meine Haltung war immer: "Jedermanns Freund ist jedermanns Narr".

Ich finde nicht, dass dieses Werk allgemeinplatzig ist.Im Gegenteil. Wenn sich daraus philosoüphische Diskussionen entwickeln, soll es wohl Tiefe haben.:Blume: von Agneta

Erich Kykal
11.10.2015, 15:24
Hi, Agneta!

Danke für die unterstützenden Gedanken. Ich glaube zwar, als MR von "Allgemeinplätzen" schrieb, bezog sie sich eher auf lyrische Phrasen und Bilder als auf den Inhalt, aber im Grunde hast du recht:

Im Beruf spüre ich es zum Glück nicht so, weil ich nur Werken unterrichte, aber die Lehrer der Hauptgegenstände machen mittlerweile nur noch auf "Teamteaching" - ALLES wird stundenlang vorher abgesprochen, koordiniert, ausgetauscht, ... - und wehe dem, der sich da querstellt!

Am schlimmsten finde ich diese amerikanischen "Selbsthilfegruppen", wo jeder von seinem persönlichen Vogel berichten muss und dann alle applaudieren. Mit so einer Art Gruppendynamik arbeiten Sekten, zB Scientology!

Als ob der "Mut zur Öffnung" irgendetwas heilen könnte außer einer Sprechphobie!

Bei uns greift das auch um sich, sogar Wandern geht man mittlerweile am liebsten im Rudel, und alle mit diesen bescheuerten Stöckchen!:rolleyes:

Die Leute wären erschüttert, machte man ihnen bewusst, in wie vielen Bereichen ihres Daseins sie fremdgesteuert sind, nur weil sie "dazugehören" wollen!

Na, solang ICH nicht mitmachen muss ... :p:rolleyes::cool:

LG, eKy

Agneta
11.10.2015, 19:10
oh, das wäre ja mein Traum, mit den lieben Kollegen, ihrem Vogel und Stöcken wandern zu gehen :Aua:Aua:Aua:D:D:D
Das ist ja gruselig.
Gut, dass ich mich vor vielen Jahren schon selbsständig gemacht habe.:D
LG von Agneta
PS mein Lieblingsthema: Konformismus- die neue Art von schleichendem Individualitätsverlust:
einer aus meiner Serie:
"Es ist schade, dass du keine Meinung hast.
Nimm doch meine...".
GGGGG

Marzipania
12.10.2015, 07:25
Nur mal kurz was Grundsätzliches,
mir geht es niemals darum, einen Autor in seiner Persönlichkeit zu diffamieren.
Erstens kenne ich die nicht, zweitens interessieren mich in den Foren ausschließlich die Beiträge. Bei Erich Kykal liegt "meine" Messlatte jedoch höher als bei vielen anderen, eben weil er zu schreiben versteht.
Es besteht also kein Grund, sich schützend vor ihn zu werfen; er selber kann meine Kritik am Text recht gut einordnen. - Die Grundfragen der Philosophie sind halt schon allzu häufig in Poemen untergebracht worden. - Formal ist die Sache (wie immer) vorbildlich gelöst worden. ---

Darf ein guter Dichter auch einmal etwas weniger Gutes schreiben?
Er darf! Und er wird. :)

In diesem Sinne schöne Grüße
MR

PS.: Ich hab' vor Kurzem mal eine Rudelwanderung mitgemacht (als Einzige ohne die bescheuerten Nordland-Stöcke). - Eine einschneidende Erfahrung - von steter Beplapperung umsäumt ... jetzt gehe ich lieber wieder waldwärts joggen. Apart für mich. :D:cool:

Erich Kykal
12.10.2015, 19:12
Hi, MR!

Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich hier irgendwer "schützend vor mich geworfen" hätte - vielleicht interpretierst du da zuviel zwischen die Zeilen einer schlicht anderen Ansicht, die dort unterbreitet wurde.
Aber gut, du empfindest sicher anders als ich ...

Aber du hast recht - wenn ich etwas an einem Kommi, egal von wem, ungerechtfertigt fände, würde ich das durchaus selbst ansprechen.:)

LG, eKy

Dana
28.10.2015, 19:13
Lieber eKy,

für mich die tiefsinnigste, ehrlichste und nachfühlbarste Unrast.

Genau so spielt das Leben mit uns. Wir beobachten, wir stellen genau diese Fragen und kommen mit der Zeit auf eben diese Antworten.
Mir gefällt ganz besonders die Frage- und Antwortmelodie.:Blume:

Die Erde ist unser "Himmel" - was denn sonst?;)

Die Lebensjahre ziehen diese Erkenntnis in die Länge. Warum es so ist, wissen wir nicht.

Gern gelesen und zugestimmt.

Liebe Grüße
Dana

Chavali
28.10.2015, 22:12
Servus Erich,

Unrast, Getriebensein, das Nicht-zur-Ruhe-kommen, das Hinterfragen und Bereuen sind Gefühle,
die ich gut nachvollziehen kann.

Deswegen gefällt mir dein Text zu dem Thema sehr!


LG Chavali

Erich Kykal
01.11.2015, 10:34
Hi, Dana, Chavi!

Vielen Dank für euren so positiven Zuspruch!

Der Fragende, der weiß, dass er nie eine andere Antwort bekommen wird als eine eigene Mutmaßung, die er nie beweisen kann, wird immer ein Getriebener sein, "in Unrast" leben.

Deshalb reagieren die meisten Menschen auch so verkrampft und intolerant, wenn es um "Glauben" geht - je unbeweisbarer ihre "Antwort", desto beharrender und lauthalsender muss ihr Veto wider andere Ideen sein, allein schon, um sich selbst und sich in der Gemeinschaft, der sie angehören, zu überzeugen und zu bestätigen!

Warum der Mensch offenbar unfähig ist, sein Bedürfnis nach Anbetung eines Schöpfers und sklavische Unterwürfigkeit für selbigen zu überwinden, wird mir immer ein Rätsel bleiben.

Warum können einzelne Menschen diesen Schritt vollziehen, Gemeinschaften aber offenbar nie so ganz, ohne zu zerfallen?
Liegt es am kulturellen oder sozialen Kitt, den Religionen bilden, oder gibt sich der Mensch seinem Gott gegenüber demütig, um ein Gegengewicht zu seinem überbordenden Stolz und der offensichtlichen Arroganz zu bilden, mit welchen er seinen Glauben in die Welt trägt und gegen "Ungläubige" verteidigt?

Wenn ich bedenke, wieviele Millionen im Lauf der Menschheitsgeschichte sinnlos im Namen ihrer Götter starben oder wieviele Abermillionen Unschuldige sie in deren selbst erdachten Namen hinschlachteten, wird mir übel!
Solange dies so weitergeht, können wir wirklich nicht davon sprechen, "zivilisiert" zu sein!

LG, eKy