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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Das Rätsel Mensch


Angelika
17.12.2016, 12:52
Der Weg des Menschen ist oft rätselhaft,
er stolpert bang sich durch die halbe Welt,
des Daseins Tücke ist ihm schleierhaft,
der dümmste Hund hat ihn schon angebellt.

Er windet sich durch seine schwarzen Tage,
stets hofft er, dass es wieder heller wird,
erhascht im kleinsten Nu die Stimmungslage
und nennt es Pech, wenn er sich da mal irrt.

Er redet oft vom Glück, das ihm verloren –
man redet eben davon, was man sehr vermisst.
Er strahlt, er scheint wie zweimal neugeboren,
sobald sein schweres Schicksal ihn vergisst.

So hofft der Menschensohn noch bis zum Grabe,
dass ihm die Vorsehung das Leben richtet,
doch bleibt er stets der alte Unglücksrabe,
der täglich auf sein Lebensglück verzichtet.

pierre
17.12.2016, 13:49
Liebe Angelika,

abgesehen davon, dass ich den Begriff „Vorsehung“ nicht mehr so sehr zeitgemäß finde, auch wenn man sich von dem, das ihm negativ anhaftet, mal lösen muss, setze ich deinen (schönen) Zeilen den Beginn eines Zitates von Karl Kraus mit den Versen von mir entgegen, weil gerade zwei wesentliche Ausdrücke identisch sind:

Liebe Grüße von pierre.

In zweifelhaften Fällen …
(nach Karl Kraus)

Der Unglückswurm,
wenn man ihn fragt,
springt nicht vom Turm,
weil man ihm sagt,
dass Treppensteigen,
genauso wie
das Spiel der Geigen,
geübt sein muss
bis zum Verdruss.
Und daran hapert’s,
kurz und knapp.
Denn wer nicht steigt,
springt auch nicht ab.

Der Unglücksrabe,
wie man hört,
fragt vor dem Grabe
ganz verstört
nach einer Zinne
und ob sich irgend-
wer besinne,
ihm einerseits
das Spiel der Geigen
und andrerseits
das Treppensteigen
bei guter Füh-
rung beizubiegen.
Man ist erstaunt
und lässt ihn fliegen.

Der Wurm durchwühlt
die Rasensoden.
Die Sicherheit:
er bleibt am Boden.
Und was hält sei-
nen Freund am Leben?
Zur rechten Zeit
sich zu erheben.

Angelika
17.12.2016, 14:02
Sehr schön, Pierre. Hast du dir also auch Gedanken darüber gemacht, warum uns so oft im Leben was schiefgeht. Man kommt und kommt eben nicht dahinter.

Aber was die Vorsehung angeht: Weil Hitler den Begriff für sich benutzt hat, ist das kein Grund, ein deutsches Wort in anderen Zusammenhängen zu benutzen. Wenn wir alle Wörter, die von den Nazis benutzt wurden, ächten sollten, müssten wir wohl Esperanto lernen.

Danke fürs Reinsehen und schöne Weihnachten.

Angelika

pierre
18.12.2016, 14:57
Hallo Angelika,

was die Nazizeit anbetrifft, pflichte ich dir bei, zumal auch Papst Pius XI. in seiner Enzyklika „Mit brennender Sorge“ den Begriff Vorsehung erwähnt hat. Bei „völkisch“ z.B. hätten wir uns sicher anders geeinigt.
Sonst denke ich, dass die Zeit oder die Art, wie du deine Zeilen anlegen konntest, es für mich vorgesehen hatte, dies alles zu schreiben, das ist doch schon mal was in der Richtung.
Dir wünsche ich auch ein schönes Weihnachtsfest und danke!

pierre.